22.02.2017 – Eiter, Kot, Geschwüre

Ohne Titel-1 Kopie
Wer um Himmels Willen macht solche Fotos und wer nimmt die ab mit welchem Ziel?
Das Bild sehen, Rad rechts ran, und kotzen ist eins. Kotzen ist gelogen, aber Foto hab ich natürlich gemacht. Leben wir wirklich in einer Zeit, wo ein derartig ekliges Foto, das noch freien Raum zum Assoziieren in Richtung Sperma und faulige Hautlappen lässt, zum Essen animiert oder ist das einfach unfassbar unprofessionell? Lebensmittelfotografen sind hochspezialisierte Fachleute, ein gut fotografierter Weinkatalog z. B. ist Poesie in Bildern.
Wer am Wochenende zu späterer Stunde offenen Auges durch die Stadt radelt, sieht Millionen von Radkurieren von foodora, eine explosionsartig vermehrte Seuche. Und alle haben so was wie auf dem Foto im Gepäck. Das sind Zeichen für den nahenden Untergang des Abendlandes. Das stützt meine These der Dialektik zwischen ästhetischen Zeichen und politischem Verfall. Eine Gesellschaft, in der solche Zeichen offensichtlich auf flächendeckende Akzeptanz stoßen, ist natürlich auch anfällig für Trump und dessen Politikersatz „Mob der Mitte“.
Ich war bei der Entdeckung oben auf der Fahrt zu einem Termin und war in dem Fall dankbar, dass ich in Hannover wohne und nicht in Berlin. In Hannover sind fast alle Organisationen, mit denen ich zu tun habe, in einem Radius von zwei Kilometern beheimatet. Für Kulturorte gilt ähnliches. Wollte ich in Berlin z. B. von der Galerie Körnerpark in Neukölln zur Kunsthochschule Weißensee, weil da jeweils interessante Ausstellungen sind, würde ich mir einen Wolf radeln, mindestens eine Stunde entlang verkehrsgetränkter Magistralen. Auto in Berlin kannste vergessen, Männeken. Und ÖPNV muss auch nicht sein.
Gerade wenn man kränkelt, ist man für so überschaubare Dimensionen wie in Hannover dankbar. Das waren noch Zeiten, früher, wenn man da krank war als normaler Angestellter, griff man zum Hörer und meldete sich von der Arbeit ab, schlimmstenfalls per gelbem Schein. Zur Erinnerung für alle Nachgeborenen: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist nicht vom Himmel gefallen, das haben Gewerkschaften erkämpft. Was aber bei den prekären Arbeitsverhältnissen heute immer weniger zum Tragen kommt. Bei meinem Home-Office kräht doch auch keine Henne danach, ob ich maladiere.
Wenn man dann noch solche Fotos wie oben sieht, wird man zum Misanthrop. Aber vielleicht bin ich auch einfach zu sensibel für diese Welt. (Das ist übrigens ein Stilmitel dieses Blogs: Jeden Eintrag mit einem Witz beenden.) Trotz allem bleibt Berlin die geilste Stadt der Welt und wenn ich wieder zurück sollte in ein Angestellten-Dasein, würde ich mir die Kugel geben.
Eis-Kugel, beim Blaumachen im Körnerpark.

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