08.03.2017 – Armut hat ein Gesicht und das ist weiblich, und ich mache mich nicht lächerlich.

Über 90 Prozent aller Alleinerziehenden sind weiblich und von denen sind fast 50 Prozent von Armut bedroht, in sozialen Brennpunkten über 80 Prozent. Frauen verdienen 23 Prozent weniger als Männer, in Führungspositionen der Wirtschaft sind sie grotesk unterrepräsentiert. Und in akademischen Genderzirkeln machen sich verbeamtete Gleichstellungsbeauftragte einen Kopf darüber, wie viele Geschlechter es nun gibt. Das ist ein Witz.
So ähnlich würde ich am heutigen Frauentag schreiben, wäre ich eine Frau. Bin ich aber nicht. Also schreibe ich obiges nicht. Nichts ist alberner als ein Mann, der sich zum Gralshüter eines politischen und damit ökonomisch grundierten Feminismus aufschwingt.
Die Causa wird aber dann zu einem Diskussionsgegenstand, wenn das verantwortliche Kollektiv der NETZ – Niedersächsische Teilhabe Zeitung eine neue Ausgabe herausgeben will, in der das Thema Frauen-Armut eine Rolle spielen soll – und das Kollektiv besteht aus drei Mackern. Im Herbst soll die NETZ Nr. 5 auf den Markt kommen und neulich war erste Redaktionssitzung. Die drei Macker-Herausgeber sind miteinander befreundet und insofern finden die Sitzungen immer abends statt, unter Zuhilfenahme stärkender Nahrung und geistiger Getränke, die Sitzungen sind immer extrem produktiv, aber selten rein themenzentriert und niemals scherzfrei.
Es ist eine komplett andere Arbeitsweise als in klassischen Jobzusammenhängen, in denen ich groß geworden bin.
stempeluhr
Klassische Jobzusammenhänge – mit Stempeluhr.
Die Sitzung plätscherte inhaltlich so vor sich hin, sieht man (!) mal von der Frauenfrage ab, die ja in Wahrheit eine Männerfrage ist. Ist aber auch kein Problem, wir holen eine Quotenfrau als Co-Herausgeberin ins Boot. Ansonsten ist die 5. Ausgabe einer Zeitung schon weitgehend Routine und die NETZ ist eine anerkannte sozialpolitische Stimme im Lande, die sowohl von Betroffenen akzeptiert wird als auch in Jobcentern ausliegt. Wohlfahrtsverbände und das Land sind jederzeit willig, das Projekt zu finanzieren, ohne das auch nur ansatzweise Einfluss genommen wird, bei uns kriegt jede Autorin Honorar und wenn wir Acquise betreiben würden, könnten wir via Anzeigen selbst ganz ordentlich was dran verdienen. Da wir alle aber genug Erwerbsarbeit am Hacken haben und nicht auf noch mehr Kohle angewiesen sind, lassen wir die NETZ so, wie sie ist: Ein bundesweit einmaliges Projekt. Auch die Tatsache, dass wir mit der Herbstausgabe direkt in den hiesigen Landtagswahlkampf intervenieren, riss uns emotional nicht vom Hocker. Klar, das Herz schlägt links und unser aller Verachtung gehört der AfD und allen Rassisten, aber man soll so eine Zeitung und unsere Einflussmöglichkeiten nicht hochsterilisieren, sooo wichtig sind wir nun auch nicht.
geht noch - nach 30 Jahren im Keller
Die Stimmung kippte in dem Moment, wo ich meine unlängst nach 30 Jahren im Keller wiedergefundene Polaroidkamera präsentierte, die auf Anhieb noch funktioniert. Es dauert eine geschlagene halbe Stunde, bis das Foto fixiert ist und man was erkennen kann, in gruseliger Qualität. Und jedes Foto kostet drei Euro. Aber dieses kollektive Warten darauf! Es war wie Kindergeburtstag und Karneval zusammen. Etwas war völlig aus der Welt gefallen und wir waren Teil davon. Am Morgen danach dachte ich nicht an das grandiose NETZ Projekt, ich dachte an diese alberne verstaubte Polaroid.

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