02.06.2017 – Das Leben lockt. Die Arbeit ruft.

Ich bin schwerhörig.
Zumindest ab 1. Juli. Bis dahin drohen mir Arbeit und Termine sonder Zahl. Wie konnte ich überhaupt in diese Falle tappen?! Früher bin ich doch auch ohne viel Arbeit glänzend durch den Tag gekommen und hatte trotzdem die Taschen voller Geld. Gut, es waren keine besonders großen Taschen, aber ich hab ja auch keine großen Ansprüche gestellt. Ab und an einen Puligny Montrachet, hier und da ein Fläschchen Vosne-Romanée und zwischendurch einen Bollinger Vintage (den 85er. Der 83er ist eine Katastrophe!) – es brauchte nicht viel, um mich glücklich zu machen. Wobei ein ehemaliges Arbeitsumfeld von mir auch gute Bedingungen dafür bot, die frühere Maschinenbau- Anstalt Hermann Berstorff, bei der ich lange Jahre ein unbeschwertes Leben als kleiner Angestellter genoss.
Solange ich da arbeitete, trug Hermann Berstorff den Namen Anstalt völlig zu Recht. Auf Grund meiner eher Performance denn Arbeit zu nennenden Anwesenheit dort ging es mitunter zu wie in einer Irrenanstalt.
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Foto von meiner Entlassungsparty.
Bei der letzten von mehreren Massenentlassungen war auch ich fällig. Dass ich nicht schon Jahre vorher bei der ersten rausgeschmissen wurde, ist ein überwältigender Beweis dafür, wie man es bei minimaler Kompetenz mit maximalem Blendertum sehr weit bringen kann. Ich war dort technischer Angestellter, inmitten lauter Ingenieure. Studiert habe ich mal Germanistik. Oder sowas ähnliches.
Ich bin auf vieles in meinem Leben stolz, aber auf die Zeit bei der Anstalt Hermann Berstorff ganz besonders. Meine Entlassungsparty war eine rauschende Feier.
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Entlassungs-Party Büffet, achten Sie auf den Zwerg mit der IG Metall Fahne, der ist immer im Bild. Das Foto mit den Alkoholika schenke ich mir. Ich hab keine Ahnung mehr, wie ich damals nach Hause gekommen bin, so breit war ich. Ich versuche jetzt verzweifelt, die Ikonografie des ersten Fotos zu decodieren, der Tisch biegt sich ja vor Abschieds-Geschenken von Kolleginnen. Was ich in der Hand halte, soll wohl sagen: Du bist ein Arsch mit Ohren. Und das T-Shirt weist auf mein inhärentes Wesen als Alpha-Tier hin. Aber was soll uns der Backstein sagen? Der SED Orden am Revers meines Smokings? Die bunten Knalltüten?
Sind so viele Fragen. Bin auf die restlichen Fotos von damals gespannt. Das Archiv ist mir gerade wieder in die Hände gefallen.
Und heute? Komme ich vor lauter Ackern überhaupt nicht dazu, zwischendurch mal einen Vintage Bollinger weg zu schlabbern und aus meiner Kompetenz könnte ich Bände von Fachliteratur backen. Und was hab ich davon? Keine Kolleginnen und keine Zeit. Irgendwas ist da gewaltig schiefgelaufen. Da muss sich was ändern.
Ab morgen.

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