02.07.2017 – Cold Turkey. Mein Digitaler Entzug

friedel 54 danach
Tristesse – Friedel 54 am Morgen danach. Was mich frustriert an der Angelegenheit, ist die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Räumung, soweit ich das beurteilen kann. Ich sehe den Zustand unserer Gesellschaft mittlerweile so verludert, dass der Staat vor der Gesellschaft zu schützen ist, der Staat als letzte Brandmauer vor de-zivilisierten Zuständen. Da es an aufklärerischer Gegenwehr mangelt, ist der Staat mit der eherneren Faust des Rechts gefordert und zu respektieren. Dieses herrschende Recht, und da sind wir bei der Frustration, ist allerdings nach wie vor das Recht der Herrschenden mitsamt ihrer Geschäftsordnung. Und die hat einen Namen: Eigentum. Wer diese Geschäftsordnung stört, siehe Friedel 54, kriegt die ganze Härte von Hundertschaften von Polizei zu spüren. Wenn Sie jemandem bei einer Wirtshausschlägerei den Schädel einschlagen, kriegen Sie maximal Bewährung. Klauen Sie zweimal Lippenstift, stehen Sie mit einem Bein im Gefängnis. Diese völlige Asymmetrie der Rechtsordnung zwischen Schutz des Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit spiegelt den Fetischcharakter der oben zitierten Geschäftsordnung wider.
Entsprechend frustriert verklappte ich nach dem Tristesse-Foto einen Tee auf dem Hermannplatz in Neukölln. Und siehe, der Herr (die Frau!) hatte ein Einsehen und schenkte mir eine schöne Perspektive
tanzendes paar
Denkmal „Tanzendes Paar“ Hermannplatz. Was machen die mit ihren linken Händen da? In aller Öffentlichkeit? Meine Gedanken mäanderten in andere Richtungen… Meine Laune stieg.
Zumal ich kaum Symptome eines digitalen Cold Turkey verspürte. Ich war seit vier Tagen ohne Smartphone unterwegs, dass direkt vor Reiseantritt kaputtgegangen war. Geht doch, dachte ich mir. Allerdings hatte ich in meiner Homebase digitales Methadon gebunkert, in meinem Hotel steht in der Lobby tatsächlich ein alter Rechner mit Internet. Puuuuh.
Ich steige nicht immer bei Kumpels ab in Berlin, Gastfreundschaft ist ein kostbares Gut und Gäste sind wie Fische: am dritten Tag fangen sie an zu stinken. Nächstes Jahr nehme ich mir ein WG Zimmer in Berlin. Kontakte zur hiesigen off-broadway Kunstszene bestehen schon. Ob das demnächst die Berliner Dependance des SCHUPPEN 68 wird:
kunstraum-gad
kunstraum gad – mitten im Reuterkiez. Nebenan Koks. Pitigrilli würde sich ein Loch in die Nasenscheidewand freuen. Lustig ist das Bohème-Leben. Mein vorläufig letztes größeres Projekt für die Landesarmutskonferenz wird die prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Kulturbranche zum Thema machen, eine Branche, die mehr als doppelt so viel Bruttoinlandsprodukt produziert wie die Landwirtschaft und in der dreimal so viel Beschäftigte arbeiten. Altersarmut flächendeckend vorprogrammiert bei der dort vorherrschenden Einkommensstruktur.
Bohème-Leben? Da lachen ja die Hühner.

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