31.08.2017 – Meine pathologische Dämlichkeit in Kiffhorn

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Gestern, 35 Grad deutscher Celsius. In Gifhorn. Entsprechen 96 Grad jamaikanische Fahrenheit. 96 degrees in the shade. Inna Kiffhorn. Dieser flache Drogenwitz schoss mir gestern durch meinen Brummschädel auf dem Weg durch die Fußgängerzone in Gifhorn zu einem Workshop. Mit Migräne einen Workshop zu veranstalten am letzten Hochsommertag des Jahres, wenn im wahren Leben Badeteich, Grill, Exzess und Illegalität laut rufen: Nimm mich!
Da kommt schon mal die Frage auf: Wie blöd kann man (man = ich!) eigentlich sein?! Ich kann morgen, ach was, heute, tot umfallen und das Letzte, was ich in meinem Leben von mir gegeben habe, sind Sätze wie: „Guten Tag, meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind und hoffe, dass wir gemeinsam blablabla“?
Ich verfalle sowieso grundsätzlich und anlasslos in klaftertiefe Depressionen, wenn ich auf Bahnhöfen in kleineren Städten ankomme. Das sind fast ausnahmslos austauschbare, gesichtslose, funktionale, öde Plätze, die sich von den Bahnhöfen fast ausnahmslos in ein Meer von austauschbaren, gesichtslosen, funktionalen, öden Fußgängerzonen ergießen. Wenn man Glück hat. Wenn man Pech hat, ist der Bahnhof in irgendeinem Industriegebiet und man muss kilometerweit durch ein Meer von usw. usf, das kennen Sie jetzt schon, von Industriebrachen fahren, bis man am Veranstaltungsort ist.
Was wäre dabei gewesen, beim Veranstalter abzusagen? Die Welt hätte sich weitergedreht und ich will in diesem Leben nichts mehr werden, bin von niemandem abhängig. Auch die Sache der Armutsbekämpfung bei Kindern, um die es in dem Fall ging, hätte bei meinem Ausfall keinen gravierenden Schaden genommen. Warum also das Ganze? Preußische Tugenden wie Pünktlichkeit, Disziplin, Pflichterfüllung besitze ich sicher im Übermaß, aber selbst ich erkenne dabei schon die Grenze, wo so ein Verhalten in pathologische Dämlichkeit umschlägt. Jetzt, wo kühlender Regen die vernebelnden Hitzeschwaden vertrieben hat, und ich klarer sehe, kommt mir ein Verdacht: Könnte es Eitelkeit gewesen sein, die mich umtrieb? Workshops, Seminare, Reden, alles, was Öffentlichkeit beinhaltet, und sei es auch noch so themenzentriert wie Sonderaspekte der Sanktionspraxis des SGB II oder so Zeug halt, ist für mich immer auch Showtime. Das Leben ist eine Bühne, hat schon Oscar Wilde gesagt. Und alle Darsteller sind eitel. Am meisten die, die das leugnen.
Es geht immer darum, das Publikum zu kriegen. Spürbare Emotionen, der Weg zur Erkenntnis ist mit einem Lachen gepflastert.
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Großes Theater? Nein, sicher nicht. Aber es war ok.
Trotzdem tue ich mir sowas nie wieder an. Wer hat schon gerne am nächsten Morgen eine flammende Inschrift über seinem Antlitz im Spiegel: HORNOCHSE.
Was bleibt, ist der Versuch, die Frage zu klären, warum tut man im richtigen Leben so oft das Falsche.
Und ein unfassbar genialer Song von „Third World“ im Hinterkopf, der jede schlechte Laune vertreibt: 96 degrees in the shade.

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