09.09.2017 – Rotrotgrün ist möglicher.

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Tiefrot – Originalausgaben auf der Documenta von Walter Benjamin, undogmatischer Linker, der die ästhetische Diskussion der klassischen Moderne wie kein Zweiter geprägt hat. Benjamin ist ein schöner Beweis dafür, wie sich Lebenswelt-Erfahrungen in der Tendenz des Werkes widerspiegeln. Er reiste in den Dreißigern schon nach Ibiza, verliebte sich in eine Künstlerin, und war ein großer Kiffer vor dem Herrn. Ein anderer großer Denker der Linken, Adorno, hingegen war vom Lebenswelt-Ansatz her eher großbürgerlicher Spießer. Konsequenterweise kam Adorno mit der Moderne nicht zu Recht, Popmusik der Nachkriegszeit (höre auch der unvergessene Walter Ulbricht und die „Monotonie des yeah, yeah, yeah“) war ihm ein Graus.
Adorno sah die Tatsache sehr kritisch, dass das Kunstwerk seine Aura, den Glanz der Einmaligkeit, verlor im Zeitalter von technischen Reproduzierbarkeiten. Er hing halt lieber in der Oper ab, mit der Aura der Einzigartigkeit einer Aufführung, statt Schallplatten zu hören. Benjamin, Hippie, Freak und Kosmopolit, sah im Verlust der Aura hingegen einen Gewinn an Demokratie. Die Kunst stand potentiell den Massen zur Verfügung, ein enormer emanzipatorischer Fortschritt (das ist jetzt sehr verkürzt! Wir sind hier in keinem Oberseminar). Benjamin wäre heute in den sozialen Netzwerken unterwegs, Adorno würde die „Zeit“ lesen und das Internet für Teufelswerk halten. Womit er nicht ganz Unrecht hat. Mehr Medien mit offenen Kanälen für alle = mehr Fortschritt? Das hat sich als Irrtum erwiesen. Tendenziell wird der Dreck in den Köpfen eher nur vervielfältigt. Aber wir arbeiten dran. Am Dreck in den Köpfen.
Was der bewirkt, sieht man an den Umfragen. Die AfD im Aufwind, im Bund drittstärkste Partei und in Niedersachsen ziemlich sicher im Landtag. In Niedersachsen ist rotrotgrün möglich bei der Landtagswahl am 15.10, auf Basis der letzten Umfrage und wenn der Trend anhält.
So eine Koalition fände ich einen Fortschritt. Aber da wetzen sicher schon die ersten Verräterinnen bei der SPD und bei den Grünen ihre Dolche wie weiland bei Heide Simonis. Die regionalen Medien werden das madig schreiben und bei den Linken laufen so viele Spinnerinnen rum, die torpedieren das lässig. Außerdem gibt es keine wie auch immer geartete „linke“ – wobei ich SPD und Grüne nur schwer als „links“ verorten kann – Mehrheit in der Gesellschaft.
Was politische Konstellationen im Land bewirken, sieht man an einem kleinen Beispiel: als schwarzgelb unter Christian Wulf hier ans Ruder kam, kürzten sie mit als erste Maßnahme die Fördermittel für unabhängige Erwerbslosen-Beratungsstellen. Auf Null. Mit der Folge, dass die Hälfte der Beratungsstellen über den Jordan ging. Im aktuellen Haushalt stehen dafür 600.000 Euro im Etat.
Und nach der Wahl?
Also wählen gehen. So nervig der Spruch vom kleineren Übel auch ist.
Wenn sich die neoliberal grundierte, völkische Anti-Moderne weiter durchsetzt, sieht das Modell für die Zukunft eventuell so aus wie der Blick in die Vergangenheit auf der Documenta zeigt:
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Mühle des Blutes. Mit Werbe-Einblendung LAK Logo.

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