01.12.2017 – Es geht immer nur um die Sache

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Meine „Gerhard Schröder goes Cohiba“ Performance bei der 1.-Mai-Feier 2000.
Das war unter anderem eine Anspielung darauf, dass der Parvenü Gerhard Schröder sich mit Mitteln prahlerisch präsentierter Distinktion von der Herkunft aus seiner Klasse emporkömmlingte. Schröders Mittel waren, in medialer Inszenierung öffentlich vermittelt, unter anderem Barolo Rotweine (überschätzt), Brioni Anzüge (überteuert) und Cohibas (Schröders Solidarität mit Cuba)… Schröder heute im TV zu sehen, bereitet mir körperliche Pein. Der Mann sieht aus wie ein Lude (Sorry, liebe Zuhälter). Vollkommen degoutant. Da entwickle ich beim Anblick von Angela Merkel ja vergleichsweise libidinöse Gefühle.
Dinge wie Cohiba, Brioni und Barolo waren (und sind?) den Kolleg*innen meiner Gewerkschaft, der IG Metall, böhmische Dörfer mit sieben Siegeln. Das ist im Prinzip nicht tragisch, stünde es nicht symbolhaft für einen derartig bedauernswerten Mangel an innergewerkschaftlicher Lernfähigkeit und Lebenswelten-Tauglichkeit, dass ich irgendwann meine Mitarbeit da eingestellt habe, auch wenn ich in der Sache bis ans Ende aller Tage, derer noch nicht Abend ist, Gewerkschafter bin.
Ich kann mich noch an zauberhafte Konflikte mit der hiesigen Gewerkschaftsführung Anfang der 2000er erinnern. Die Grundkonstellation:
Auf der einen Seite war (ist?) die IGM eine stalinistisch geprägte Organisation, nicht wegen der Inhalte, sondern ihrer Verfasstheit wegen und der Umgangsformen miteinander:
Kaderförmig organisiert, Prozesse laufen top down und der innergewerkschaftliche Umgang mit dem internen Gegner war von teils hasserfülltem Vernichtungswillen geprägt.
Auf der anderen Seite ich, lasse mir von niemandem was erzählen, und gehe keinem dienstlichen oder projektmäßigen Verbal-Raufhandel aus dem Wege. Viel Feind, viel Ehr.
Im in Rede stehenden Fall, es ging um Projektmittel, meinte die damalige Geschäftsführung mir gegenüber einen übergriffigen Ton anschlagen zu können. Das klärte ich in wenigen Sekunden in deutlichen Worten, in tendenziell orkanartiger Lautstärke. Das war ungewöhnlich in einer derart autoritätsfixierten Organisation. Die folgenden Minuten erinnerten eher an eine Vollversammlung von Brüllaffen. Irgendwann trug ich meinen drei Kontrahenten den Götz von Berlichingen an und verließ den Sitzungssaal, der am Ende eines langen Ganges mit den Zimmern der Mitarbeiter*innen lag. Mir bot sich ein skurriler Anblick: Alle Mitarbeiter*innen standen mit halboffenen Mündern lauschend auf dem Gang. Dann huschten sie in die Zimmer, als ich die Tür aufriss und rausstampfte.
Bei der nächsten Sitzung stand als erstes der damalige Vorsitzende auf und schloss alle geöffneten Fenster, mich mit den Worten adressierend:
„Lieber Kollege, ich denke, wir sind uns alle hier einig: es geht doch immer nur um die Sache.“
Und die Erde ist eine Frisbee Scheibe und ich bin Immanuel Kant. Ich kriegte die Projektmittel, weil ich als damaliger Delegierter mit einer Kampfabstimmung über das Projekt in der nächsten Delegiertenversammlung drohte. Organisationen hassen demokratische Abstimmungen, deren Ausgang nicht vorher feststeht.
Es kommt mittlerweile kaum noch vor, dass jemand mit einem derartig surreal weltfremden Spruch hausieren geht: „Es geht mir nur um die Sache.“ Wenn doch, muss ich herzlich lachen oder mir sträuben sich die Nackenhaare. Wer sowas äußert, sagt auf der Meta-Ebenen etwas viel Wichtigeres: „Ich werde niemals über jenseits der Sachebene auftretende Konflikte reden“.
Da gibt es nur zwei Varianten: Projekt beerdigen oder zukünftig per ordre du Mufti vorgehen. Top down.
bsirske
Damals hab ich solche Performances noch für lau, auch für Promis (dieser hier trägt auch 2017 noch den Porno-Balken), gemacht. Ich war Überzeugungstäter. Bin ich heute auch noch.
Aber nicht unter 500 Euro.

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