23.12.2017 – Einübung in den Kapitalismus

20171222_160712_resized
Kaspertheater auf Weihnachtsmarkt.
Der Kapitalismus ist die letzte Stufe vor der Barbarei (siehe Weimarer Republik und folgender Faschismus), er ist aber auch die letzte Brandmauer vor der Barbarei. Wenn das Kapital seine Geschäfte gestört sieht durch braunen Mob auf den Straßen oder gar in den Betrieben, schlechtes Image im Ausland, gestörten Arbeitskräfte Zuzug, wird es sicher energischer gegensteuern als Parteien oder etwa die Zivilgesellschaft, deren äußerstes Mittel einer Militanz der Gegenwehr die Lichterkette ist. Wenn ich mir gar Gewerkschaften oder Verbände als organisierte Struktur der Zivilgesellschaft anschaue, möchte ich den ganzen Tag Antidepressiva einwerfen vor Hoffnungslosigkeit. Oder Marihuana inhalieren. Was von denen maximal kommen würde: eine online Petition, zwei gemeinsame Apelle, drei Kongresse. Ach ja, eine Lichterkette. Die hatte ich ganz vergessen. Das Schlimme an dieser Analyse ist: Ich weiß, wovon ich rede. Seien wir also dankbar, dass es den Kapitalismus gibt. Nichtsdestotrotz sehe ich dessen Konsequenzen, Struktur und Funktionsweise natürlich 24 Stunden am Tag kritisch und wenn das nicht reicht, nehme ich die Nacht dazu. Und immer mit geballter Faust in der Tasche, voller Zorn des Gerechten.
Wie gestern auf dem Weihnachtsmarkt. Kaspertheater. Da werden die Kleinsten schon mit ideologischem Müll in den Kapitalismus eingeübt. Beim Kaspertheater gibt es den Kasper, der ist das Gute. Es gibt den Räuber, der ist das Böse. Es gibt den Polizisten, der ist die Obrigkeit, auch das Gute. Und es gibt Gretl, die ist die Vernunft (Kasper ist normalerweise dumm wie Dosenbrot). Und dann gibt es noch, unsichtbar, das Kapital, denn irgendwen muss der Räuber ja beklauen. Kasper stellt dann dem Räuber eine Falle, meist unter Mithilfe von Gretl, und übergibt ihn der Polizei. Dabei kommt der Knüppel (= Slapstick) des Kaspers zum Einsatz. Der, das nur am Rande, natürlich ein Phallussymbol ist, weil dieser geile Bock Gretl vögeln will. Was noch das Beste ist, was man von ihm sagen kann.
Kasper gestern also zum Kinder-Publikum: „Wollen wir den Räuber fangen und der Polizei übergeben?“ Ich: „Pfui, Du miese Petze.“ Eltern: „Pssssst.“ Ich: „Der Räuber ist gut, denn er stiehlt bei den Reichen und gibt den Armen.“ Eltern, empört: „Ruhe!“ Ich: „Der Kasper ist ein Büttel des Kapitals und ein Polizeispitzel!“ Alt 68er Apo Opa, mit Enkel: „Bravo!“ Ich, zum Kasper: „Geh lieber arbeiten, Du Faulpelz.“ Irritation beim Apo Opa. Ich: „Mann, Alter, der Kasper ist doch im marxschen Sinn Angehöriger des Lumpenproletariats. Mit dem kannst Du kein Klassenbewusstsein herstellen.“ Apo Opa: „Stimmt. Lass uns was kiffen, dann wird das noch lustig hier.“ Ich: „Gute Idee. Das ist doch das reinste Kaspertheater hier.“
Ich wünsche allen Leserinnen eine fröhliche Weihnacht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert