04.03.2018 – Fußball und Pornografie

bar le stalingrad
Nizza, Bar le Stalingrad.
Gestern beim Italiener, das Übliche. Zuhause zappte ich kurz durch die 27 Sender, die ich frei empfangen kann. Mindestens, dahinter sind noch Dutzende oder gar Hunderte, die zu sortieren ich mir aber nicht antue. Ich landete wieder beim Italiener, diesmal bei einer Übertragung der Oper „Nozze di Figaro“ in einer Mailänder Inszenierung. In meinen Augen oder besser Ohren muss Mozart ein Alien gewesen sein. Seine Musik ist einfach überirdisch schön, an schwelgerischem Ideenreichtum, beschwingter Heiterkeit und betörender Harmonie, es gibt nichts Vergleichbares. Ich kenn jedenfalls nix, bin aber auch nicht der notorische Operngänger, von daher muss das kein Maßstab sein. Im TV guck ich mir auch nicht jede Woche Oper an, Fernsehen ist kein Medium dafür. Aber ich war am gestrigen Abend für eine Zeit durchaus ergriffen, der Wohlklang brachte die Seele zum Schwingen und ich wollte fürderhin ein besserer Mensch sein. Katharsis, hält meist zwei Stunden. Das Ganze fand auf 3sat statt.
Geht es nach 39 Prozent der Ostgoten, wird es diesen Sender irgendwann nicht mehr geben. Sie wollen eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 39 Prozent jetzt schon, ohne dass eine nennenswerte Kampagne in der Richtung stattgefunden hat, wie in der Schweiz. Sie wollen nicht zwangsbeglückt und bevormundet werden durch eine Zwangsabgabe zur öffentlich-rechtlichen Dauersubvention und durch Ansätze von Niveau im TV. Auf dem Level kann man auch gegen allgemeine Schulbildung, gegen staatliche Daseinsfürsorge grundsätzlich und für die Abschaffung von Steuern argumentieren; eine Richtung, die auch von libertären Silicon Valley Apologeten forciert wird. Allesamt Millionäre und Milliardäre, die sich die Abwesenheit von Staat leisten können. Interessant, dass sich jede Menge verarmter Zonis und verhärmter AfD Wähler dem anschließen. (Leider auch Frauen. Mädels, Ihr enttäuscht mich bitter!). Über die Verwendung einzelner Steuern und Abgaben bestimmt nicht der Bürger und das ist auch gut so. In einem Staat, in dem das der Fall ist, möchte ich nicht leben, jedenfalls nicht in dieser Welt, die zunehmend okkupiert wird von Achtelgebildeten und geistigen Tiefstfliegern. Da scheint am düsteren Horizont der Geschichte ein Terror der Mehrheit auf und es wäre dann ein neuer Terror der Tugend dagegen zu denken.
In unserem Land wird fast alles subventioniert. Hätten wir nicht eine derartig ungerechte Geld-Verteilung könnte man von präsozialistischen Verhältnissen sprechen: Landwirtschaft, Bergbau, Energiewirtschaft, Kultur, Forschung, Militär … Bildung, Gesundheit, Infrastruktur sind sowieso noch zu großen Teilen in staatlicher Verwaltung.
Und da empört sich der 39 Prozent Mob über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Wo er doch mindestens 27 Sender zur freien Auswahl hat?
Ich liebe Hollywood Kino Komödien und noch für die flachste aller Komödien lasse ich jedes Arte-Feature und jede 3sat-Oper stehen. Ich besitze wenig Tiefgang und bei mir ist die Verpackung der Inhalt. Für mich gilt: What you see is what you get. Aber für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde ich mit der Waffe in der Hand kämpfen.
Der Feder natürlich, welche die Waffe des Satirikers ist
Frei finanzieren lassen sich übrigens Fußball und Pornografie und begrenzt Mainstream Popcorn Kino.
In der Schweiz wird heute abgestimmt über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In Italien grundsätzlich. Keine Ahnung, wie das ausgeht.
Im Schreiben dieser Zeilen überkommt mich eine tiefe Sehnsucht nach weg. Nach Nizza, in meine dortige Lieblingsbar le Stalingrad, siehe oben. Jeden Abend Orgelkonzert. Und hinterher zum Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain, wo es unter anderem einen Betonkopf zu bewundern gibt
nizza-betonkopf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert