08.04.2018 – Alles nur Theater – zum Beispiel am 11.04 bei FAUST!

albilat probe
„Suchen. Finden. Verlieren. Eine Geschichte aus Albilat.“ Theater mit Flüchtlingen. Details im Flyer . Eine Produktion der Landesarmutskonferenz Niedersachsen. Einer meiner mindestens 12 verschiedenen Jobs für diese ehrenwerte Vereinigung. Der Job des Produzenten dürfte seit Harvey Weinstein im öffentlichen Ansehen auf dem Niveau von Robbenjägern, Waterboarding-Organisatoren und Dixieklo-Entleerern angekommen sein. Der konkrete Alltag in so einem Job haut einen auch nicht vom Hocker. Man hat eine Idee, sucht Leute, die sie umsetzen, besorgt die Kohle dafür, sitzt auf Proben dumm in der Ecke und hat ansonsten die Klappe zu halten (wenn man den Job richtig macht).
In meinem Fall kommt erschwerend hinzu, dass ich im Gegensatz zum marktorientierten Produzenten nicht nur keine Aussicht auf jede Menge Kohlen, Piepen, Mäuse habe, sondern ständig in Panik bin, dass ich die Mittelübersicht verliere. Schließlich bin ich kein Buchhalter. (Was ich in der Praxis aber sein sollte: siehe oben, 12 Jobs…).
Am 06.04. war die Premiere. Ich radelte maximal mittelmäßig gelaunt dahin, müde, Kopfschmerzen, nur einen Gedanken im Kopf: Hoffentlich hat das Theater den Parkplatz für den Dienstwagen der Sozialministerin reserviert. Die hatte ein Grußwort zum Beginn des Stücks zugesagt und das an einem Freitagabend in einer 60 Kilometer entfernten Nachbarstadt. Mit Presse war bei unserer Premiere nicht zu rechnen und in das Theater gehen maximal 100 Leute rein, sie konnte also keineswegs mit einem großen PR Mehrwert für sich rechnen.
Ich würde also der Sozialministerin für ihr Erscheinen bis an mein Lebensende dankbar sein, denn ihre Anwesenheit bedeutete für meinen Job den optimalen Mehrwert. Natürlich ist das Projekt auch inhaltlich sinnvoll, nützlich, einmalig, integrativ, alles, was Sie an demokratischem Schneckenfortschritt wollen. Aber so einen Gedanken habe ich einmal, wenn ich ein derartiges Projekt plane. Danach, im Alltag, denke ich nur noch an Parkplätze. Wenn die Ministerin im Fall einer Nichtreservierung eine halbe Stunde um den Pudding kurven muss und erst ankommt, wenn das Stück schon begonnen hat, dann müsste sie eine Heilige sein, um mir ihr Grußwort-Manuskript nicht um die Ohren zu hauen – innerlich.
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Das Stück war ein rauschender Erfolg. Die künstlerische Leitung Mareike Schlote, Sonja Thöneböhn und Marc Beinsen von den Improkokken hatten mit Menschen aus dem Irak, Iran, Syrien und der Türkei pralles Volkstheater im besten Sinn inszeniert: heiter, anrührend, lebendig, intelligent. Soviel Szenenapplaus wie da hab ich im Staatstheater noch nie erlebt, hinterher fünf „Vorhänge“ und danach jede Menge tolle Gespräche. Die Tatsache, dass dabei der Etat für Freigetränke offensichtlich um ein Mehrfaches gesprengt wurde, hätte mir unter anderen Umständen buchhalterische Gedanken gemacht. So musste ich nur innerlich über meine Naivität grinsen, mit der ich geglaubt hatte, dass sich eine Bande euphorisierter Schauspieler*innen, Regisseure etc. an die Maßgabe hält: Jede*r nur ein Freigetränk. Ein Teil des allgemeinen Endorphin-Schwalls war auch zu mir rübergeschwappt. Ich überlege sogar, auch wieder was auf der Bühne zu machen. Produzent ist doof.
Dringende Empfehlung: die vorerst letzte Vorstellung in Hannover am 11.04, 20 Uhr, bei FAUST zu besuchen, für schlappe 5 Euro. Wer mich drauf anspricht, kriegt hinterher ein Freigetränk Darauf kommt es auch nicht mehr an.
Die Sozialministerin war übrigens überaus angetan und die Parkplatzfrage hat sich dann auch noch geklärt. Ich hatte die Ministerin an der Straße erwartet und im Aussteigen hörte ich sie zum Chauffeur sagen: „Sie brauchen nicht zu warten, ich fahr nachher so nach Hause.“
Da stand er nun den ganzen Abend allein und unberührt: mein reservierter Parkplatz.

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