08.06.2018 – Heimat ist im Großen wie im Kleinen eine Sackgasse mit Wendehammer


Weinrebe an der Verandatür. Die habe ich aus mehreren Gründen da gepflanzt: Es ist ein schönes Gefühl, in praller Sonne da im Schatten zu stehen. Ich bin passionierter Weintrinker. Es erfüllt eine archaische Vorstellung vom Paradies, aus der Tür zu treten und es wachsen einem buchstäblich Trauben in den Mund. Und man kann gut seine nassen Socken da reinhängen, die trocknen beim derzeitigen Stand der Sonne innerhalb von Stunden.
Der derzeitige Stand der Vernunft ist nicht so ganz vom Sonnenglanz durchflutet. (Am Rande: Wendungen wie „nicht so ganz vom Sonnenglanz“ verwende ich absichtlich. Es handelt sich in diesem Fall um ein Homoioprόphoron, eine Figur mit aufeinanderfolgenden, ähnlich klingenden Wörtern. Wird gerne in Oden verwendet.)
Der derzeitige Stand der Vernunft wird auch durch die 40millionenfache Verteilung des Drecksblattes am gestrigen Tag an alle Haushalte verdeutlicht. Das dürften Sie, liebe Leserinnen, auch in den Händen gehalten haben. Ich habe es auch gelesen. Es ging irgendwie um Heimat, der Begriff ist ja schwer in der Diskussion und da wollte das Drecksblatt vor der WM, wo sich alle Generalstände des Mobs versammeln, nicht hintanstehen. In einer Art Editorial delirierte da der Chefredaktör, einer gewisser Julian Reichelt, allerlei Irrsinniges ins Blatt. Wie ein schwer bekiffter Monolith ragte aber unter all dem geistigen Dünnpfiff ein Satz in die Landschaft, der mich hoch erfreute:
„Heimat ist im Großen wie im Kleinen … eine Sackgasse mit Wendehammer.“
Woraus wir schließen, dass jede Sackgasse ohne Wendehammer keine Heimat ist. Als Gründer der Firma SK-SACKKARRENVERLEIH kann ich durchaus mit dieser materiellen Verortung von Heimat leben und werde einen kulturellen Mehrwert daraus schöpfen insofern ich mir hier in der Nähe eine Sackgasse mit Wendehammer suche und dort eine Performance mache. Diese Sackgasse mit Wendehammer wird dann in Heimat umbenannt und es gibt Freibier und Erbsensuppe und für Besoffene einen Shuttle mit der Firma SK-SACKKARRENVERLEIH. Heimat, Deine Sterne hagelvoll.
Leicht übel, als ob ich schon 68 Freibiere intus hätte, wurde mir allerdings bei der Formulierung des Julian, der, wäre er im Mai geboren, sicher Majoran hieße:
„Aber für die überwältigende Mehrheit der Deutschen ist Heimat weniger ein Ort und viel mehr als ein Wort, nämlich ein Gefühl von Geborgenheit.“
Das wird die 20 – 30 Millionen Prekären in Deutschland in den sozialen Brennpunkten und auf der Straße aber freuen, dass sie zwar oft am Ende des Monats nicht genug zu essen haben und mitunter unter Brücken campieren dürfen, aber wenigstens ein Gefühl von Geborgenheit haben sollen.
Gefühle gehören in die Küche und ins Schlafzimmer, aber nicht in die Politik.
Wenn der gemeine Ostgote gefühlig wird, heißt es für den Rest der Welt, entweder die Beine in die Hand zu nehmen und das Weite zu suchen, oder Pflugscharen zu Schwertern zu schmieden und dem Ostgoten mal wieder zeigen, wo der Wendehammer hängt. Was Blödsinn ist, reine Fabulierkunst. Wir erobern die Welt nicht mehr mit Waffen, sondern mit Kapital.
Als grausiges Fazit bleibt: Das Drecksblatt war früher verhasst und bekämpft und quasi die Spitze eines medialen Scheißberges in Deutschland. Heute in Zeiten allgemeinen Niedergangs und Niedertracht, sei es im Internet, in Talkshows, im Bundestag, scheint es fast wie eine altersmilde Stimme der Vernunft. Ich bin willens und in der Lage, gesellschaftliche Veränderungen zu begreifen und zu versuchen, aktiv damit umzugehen.
Aber das mit der „Bild“, so will ich sie ab jetzt liebevoll-zärtlich nennen, das fällt mir doch echt schwer.