25.06.2018 – Während mir die Sintflut


Entwurzelt. Baum nach Sturm Oktober 2017, Körnerpark Berlin Neukölln.

Der gleiche Baum als Kunstwerk in einer Ausstellung über Flucht und Migration in der Galerie Körnerpark, Juni 2018.
Kurz bevor ich im Oktober 2017 den Körnerpark aufsuchte, hebelte ein Orkan den über 15 Meter hohen ausgewachsenen Baum aus dem Boden. Der Bahnverkehr war wegen des Orkans bundesweit unterbrochen, von Berlin aus fuhr kein ICE mehr. Weil ich zu einem Termin in Hannover musste, machte ich mich auf eine abenteuerliche Reise über die Dörfer durch die Ostzone, die den ganzen Tag dauerte, mit x-mal Umsteigen. Die Reise erinnerte mich gegen Ende an den John Ford Klassiker „Stagecoach“ .
Ich bin der Überzeugung, dass unsere Art des Wirtschaftens dem Planeten über den Jordan hilft. Analog dazu nähert sich nach meiner Meinung die politische Verfasstheit der Gesellschaft, in der ich sozialisiert wurde, durch das Handeln ihrer Mitglieder ihrem Ende. Was nach diesem Ende – und nach dem erwähnten Jordan – kommt, weiß ich nicht. Es ist mir auch ziemlich egal. Ich tue, was ich kann, damit es nicht soweit kommt. Was nicht viel ist, positive Ansätze in meiner Öko-Bilanz werden durch Flugreisen derartig konterkariert, dass ich mich als Ankläger in Sachen Öko denkbar schlecht eigne. Also halte ich den Ball flach und fröne dem Motto: Nach mir die Sintflut.
Was aber offensichtlich immer weniger hinhaut, siehe Orkane etc. Nicht, dass ich Angst hätte, mir würde so ein Baum auf die Mütze prasseln. Aber wenn ich noch wie meine Vorfahren der Agrarökonomie nachgehen würde, könnte ich mir nach der aktuellen Trockenperiode, deren Ende nicht abzusehen ist, die Kreditkugel geben. Letztes Jahr hat der Hagel den Weizen niedergemetzelt, dieses Jahr hat der späte bittere Frost die Obstblüte vernichtet und beinahe meinem Olivenbaum im Garten den Garaus gemacht. Also die Wetterverschiebung infolge des Klimawandels nagt sich schon von den Rändern meines Alltagsdenkens zur Mitte hin durch und hinterlässt Sedimente in meinen Bewusstseinsschichten.
Was die politische Verfasstheit unserer Gesellschaft angeht, könnte ich mir dauernd an den Kopf fassen ob menschlicher Dämlichkeit, die hier waltet, wenn ich die Hände nicht zum Tippen bräuchte. Wir bauen also die Festung Europa. Jeder halbwegs gebildete Neandertaler weiß, dass das Ende von Gesellschaften unter anderem durch die aufkommende Ideologie von Festungen, Mauern, Wällen etc. gekennzeichnet ist. Der Untergang Roms begann in dem Moment, wo die Römer den Limes bauten, der Franzmann hatte seine Niederlage im zweiten Weltkrieg besiegelt, als der erste Spatenstich zur Maginotlinie erfolgte und die Ostzone konnte mit Beginn des Mauerbaus schon mal ihr Requiem bestellen. Jede Festung trägt schon in ihrer Planung den Beginn ihres Untergangs. „Starre Befestigungen sind Monumente menschlicher Dummheit.“ (General Patton)
Ich bin flexibel, der Kopp ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann, und ändere mein Motto in: Während mir die Sintflut und Spaß dabei.
Und bei meinen Besuchen im Körnerpark lass ich einfach den Fahrradhelm auf.