26.06.2018 -Kulturtipps: Terry & Ted


Alltagskultur. Alt-Marzahn.
Gestern Kontrastprogramm: Erst Lektüre von Terry Eagletons „Kultur“ . Für mich ist Kultur eine der letzten verbindenden Klammern unserer zusehends erodierenden Gesellschaft. Einen Begriff von „Kultur“ hat jede, ein Begriff wie Solidarität ist entweder völlig konträr aufgeladen oder verschwindet einfach aus dem Diskurs. Eagleton relativiert die zivilgesellschaftliche Begeisterung über „Kultur“ allerdings und stellt den Begriff vom Kopf auf die Füße, ohne soziale An- und Einbindung ist nicht nur alle Kultur für ihn nichts, sondern kann im Extremfall auch den Marsch in die Barbarei flankieren. In einem Kapitel über Edmund Burke streift er auch die von mir so geschätzte Figur des Dandys, wenn er Burke zitiert: „Manieren sind wichtiger als Gesetze. Auf ihnen beruht das Recht in hohem Maße. … Sie verleihen unserem Leben Form und Farbe.“ (Manieren sind hier allerdings als „Kultur“ zu verstehen, die für Burke grundlegender ist als Recht und Gesetz). 100 Jahre später hat Antonio Gramsci das aus marxistischer Sicht (Burke gilt als Begründer des Konservatismus) als „kulturelle Hegemonie“ analysiert: nicht allein ökonomische Zwänge sind das Fundament bürgerlicher Herrschaft, vielmehr ist sie begründet in der Gesamtheit ihrer Ideen, Ideologien, kulturellen Äußerungen. Nur wenn man das begreift, versteht man, warum unsere Verhältnisse zur Zeit so absolut unveränderbar, quasi zementiert erscheinen. Was Eagletons Buch vollends zum Genuss macht, ist sein Stil. Begnadet & undeutsch, ich muss bei der Lektüre oft laut lachen. Was Erkenntnis extrem befördert.
6 von 5 möglichen Sternen.
Anschließend durfte ich beim Konsum eines Films ebenfalls laut und oft lachen: „Ted 2“, eine Hollywood Komödie über einen menschlichen Teddybären, im Niveau so flach wie Ostfriesland, obszön und ordinär bis zum Anschlag, ein, zweimal hat es mich sogar geekelt, was eher selten vorkommt, eigentlich nur beim Anblick von bestimmten Politikern, und ein Drogenhumor, bei dem man vom Zusehen schon stoned wurde, sowas kann man sich als Drehbuchautor nur bekifft mit einer Horde Kumpels ausdenken.
4 von 5 möglichen Sternen.
Wer will, kann in den Film auf der Metaebene Bedeutungen reinfriemeln. Ich will’s nicht und kann Ihnen, liebe Leserinnen, den Film nur empfehlen, vor allem dann, wenn Sie wissen wollen, wie Männer humormässig und auch sonst ticken.
Sollte ich in meinem Leben jemals einen Vortrag über Gramscis Begriff der kulturellen Hegemonie halten müssen, würde ich ihn mit Bildern aus „Ted 2“ illustrieren.
Dazu wird es nicht kommen. Meine Lebensplanung sieht anders aus.