22.07.2018 – Im Exil Debakel und Fiasko


Dipladenie. Schönheit im Kleinen.
Im Exil Debakel und Fiasko. Das hätten zum Bespiel Walter Benjamin und zahlreiche andere Exilanten aus Nazideutschland als Fazit ihrer Vertreibung aus dem Land ihrer Muttersprache ziehen können. Die allerwenigsten landeten wie der großbürgerliche Literaturnobelpreisträger Thomas Mann in einer Villa in Malibu und mit einer Gastprofessur in Princeton. Dem linken oder jüdischen Exilanten wurde in der Fremde selten Kränze geflochten und im Falle von Walter Benjamin – und vielen anderen – endete das Ganze tödlich.
„Im Exil“, „Debakel“ und „Fiasko“ sind in unserem Falle allerdings drei Kneipen in Hannovers Szenekiez Linden, an denen ich Gestern vorbei radelte und die drei erstmals zusammendachte. Kein Verlust bisher, warum soll ich mir in meinem Alter noch Gedanken über Kneipen machen. Da mein Dauerthema seit einiger Zeit in diesem Blog aber der anschwellende Abschied vom Goldenen Zeitalter der Vernunft und der Aufklärung ist, ein Abschied, der als Epoche sich nicht zufällig an den Abschied vom Goldenen Zeitalter des Kapitalismus in den 70ern und 80ern anschließt, fiel mir diese düster grundierte Namensgebung einfach mal auf. Ich bin es gewohnt, gesellschaftlichen Wandel, Modernisierungsschübe, Bewusstseinsveränderungen vor allem und erstmal in der Sphäre des Privaten, Intimen und des Alltags zu registrieren und nicht so sehr in der großen Ebene einer normativen, weitausholenden Ideologiekritik zu wandern. Das endet meist unoriginell.
Sind solche Kneipennamen vorausahnende Menetekel an der Wand der Kneipenkultur, wie ja überhaupt die feineren Sensoren für Wandel in der Kultur verortet sind? Na ja, sollten sein. Heute kannste die Kulturprotagonisten doch eh meist in die Tonne kloppen.
Andere Namen von Kneipen umme Ecke sind selbsterklärend: Lindwurm (hört sich nach Mittelalterkaspern an, gruselig), IhmeRauschen (trendy, in sowas würde ich allein wegen der Rechtschreibung niemals gehen), Eliseneck (da ist die Zeit stehen geblieben) .
Ich hatte vor Zeiten in diesem Blog mal über die psychoanalytische Funktion von Kneipen räsoniert, die für nicht zu Ende geborene Männer eines bestimmten Habitus und ab einem bestimmten Alter eine Art Flucht back to the Uterus bedeuten: Dunkelheit, Geborgenheit, ständiger Strom von Lebenssäften…Nun sollte hier ein eher soziologischer Exkurs über die Funktion der Namensgebung von Kneipen im allgemeinen gesellschaftlichen Wandel erfolgen.
Draußen aber scheint die Sonne, es sind 96 ° in the shade und ich pflege lieber meine individuellen Fluchten aus dem großen Ganzen vulgo Kladderadatsch.

Kleine individuelle Fluchten mit Tendenz zur Regression, während von rechts sich dunkle Schatten der Veränderung über die Idylle schieben.
Ab an den Kiesteich. Nichts denken, nichts reden, nichts wahrnehmen.
Schattige Woche wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen.

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