24.08.2018 – Alle, die gegen das Aufstehen sind, sollen Aufstehen!


Meine Traubenernte 2018, mit Installation, bei der der Hammer fehlt.
Alle, die gegen das Aufstehen sind, sollen Aufstehen. So ungefähr lautete ein ziemlich verzweifelter Flachwitz von mir in den Achtzigern, als eine Gruppe namens Bots schwer angesagt war in der Alternativ-Szene, unter anderem mit einem Song namens „Aufstehen“. In dem Song ging es darum, dass alle Aufstehen sollten, die gegen irgendwas waren, von Atomwaffen über Plastikwaffen usw. und so fort. Das Beste an der musikalischen Flachware war das Live-Intro und das war komplett geklaut von „More than a feeling“ der Popgruppe Boston. Ich habe den Alternativen damals ebenso wenig über den Rand ihrer selbstgestrickten lila Strümpfe hinaus getraut wie ich ihnen heute keinen Handbreit veganes Tofu über den Öko-Holzweg traue.
Ästhetik und Ideologie stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander, die Ästhetik der Alternativen war und ist ein Kitschdurchseuchtes Grauen und so auch ihr politischer Weg, vom „Ich, Ich, Ich“ bis in die Toskana. Aber sie waren Teil der linken Post-68er Familie und sie es in den Teilen, wo sie weder Renegaten oder beinharte Neonazis wie Horst Mahler geworden sind, immer noch. Wie zum Beispiel die Grüne Antje Vollmer, die die von Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine initiierte Bewegung „Aufstehen“ mit unterzeichnet hat, eine Bewegung, die Parteiübergreifend das linke Spektrum von SPD, Grünen und die Linke einen soll. Es gibt eine Menge Gründe gegen diese Bewegung, die keine ist, denn die entstehen von unten und nie top down. Früher hätte ich sowas auch nicht unterzeichnet, allein die Unterzeichner-Nachbarschaft mit einer Heulsuse wie Antje Vollmer wäre mir unangenehm gewesen.
Aber wie der Jammerlappen Bob Dylan anno 68 vor sich hin dilettierte: The times they are a changing.
Der Nachkriegskompromiss, der unsere Gesellschaft 70 Jahre lang mehr schlecht als recht aber immerhin zusammenhielt, erodiert mit wachsender Geschwindigkeit. Ein ansatzweises Antisemitismus-Tabu und ein Mindestmaß an Antifaschismus, ein ebensolches an einigermaßen zivilisierten gesamtgesellschaftlichen Umgangsformen, Reste eines Sozialstaates, die Singularität des Holocaust, die Liste ließe sich fortführen, all das schwindet, die Zivilgesellschaft wird zu einer Horde von Brandstiftern, eine nennenswerte Linke und ihr Widerstand existiert nicht mehr. Von der Parteienlandschaft wollen wir mal gar nicht erst reden.
Was tun? Da der Kopf rund ist, um Gedanken die Richtungsänderung zu ermöglichen, und ich Veränderungen gegenüber unwillig aber offen bin, habe ich meine Einstellung geändert und den Aufruf mit unterzeichnet, hier. Und würde es auch geneigten Leserinnen empfehlen. Eine nennenswerte Anzahl von Unterschriften würde zumindest bei der offiziellen Präsentation und dem Kick-off der Bewegung am 04.09 ein Symbol, ein Zeichen setzen. Bringt nicht viel, tut aber auch nicht weh und schadet nicht. Und die Zeiten eines ausschließlich rechthaberischen „Alle Anderen blöd, nur ich nicht“ sind vorbei. Die Rechte wird immer stärker und angesichts dieser Bedrohung und der schwachen fortschrittlichen Kräfte verbietet sich ein Verharren in früheren unseligen Spaltungsmustern, wo man sich schon mal gegenseitig innerhalb des linken Lagers des rotlackierten Sozialfaschismus bezichtigte

Ansonsten widme ich mich der Olivenernte in meinem Garten, die angesichts des Jahrhundertsommers üppig ausfällt. Platter Eskapismus, wenn Sie so wollen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert