02.10.2018 – Gedanken zur Einheit


Aufbauarbeiten zur Einheitsfeier am Brandenburger Tor.
Ich war von Anfang an gegen die Einheit, ich bin dagegen und kann mir keine Umstände vorstellen, unter denen ich dafür sein könnte. Nicht, weil ich übermäßige Sympathie für den ostzonalen Staatssozialismus gehegt hätte, sondern aus systemtheoretischen Gründen: Wenn von zwei konkurrierenden Systemen eins verschwindet, erhöht das übrig gebliebene logischerweise sofort bei seinen Insassen den Preis für die Systemakzeptanz. Wenn von zwei Bäckereien in einer Straße eine verschwindet, müssen die Anwohnerinnen der Straße ja auch die Brötchen sofort teurer bezahlen. Logisch. Und deshalb müssen der deutsche Michel und die deutsche Proletin ihre Zugehörigkeit zum konkurrenzlosen Kapitalismus immer teurer bezahlen. Wir haben aktuell fast eine Million Wohnungslose, demnächst 1,3 Millionen. Das ist ein Preisschild von vielen, das an der Einheit hängt.
Wem es hier nicht passt, der kann seine Arbeitskraft ja im Sudan zu Markte tragen.
Also wieder her mit der Mauer. Wer braucht schon sowas wie Köthen, Chemnitz und Sachsen.
Aber man müsse doch die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen, die da demonstrieren, ihnen zuhören und mit ihnen reden, höre ich da Mrs. Mainstream raunen?
I bitt Sie, liebe Leserin, san’s net narrisch. Wieso sollte ich die Ängste von Rassisten und Neonazis ernst nehmen, die vollkommen abgestumpft, empathielos und voller Hass anderen nach dem Leben trachten. Und glauben Sie mir, wenn sich jemand das Geblöke dieses Mobs anhört, dann ich. Ich begebe mich nach wie vor mittels Straßen-Aktionen an sonnigen Wochenenden in die Niederungen von Stadtfesten, wie am 29.09 in Lüneburg, mit wackeren Engagierten, und suche das Gespräch, mit der Macht des Argumentes, getrieben vom Furor der Aufklärung

Ich, mit der Macht des Argumentes, getrieben vom Furor der Aufklärung, vor der Mauer zwischen Arm und Reich. In Lüneburg, Aktion am 29.09.2018 zum Thema: „Wohnen (besser: Wohnung) ist ein Menschenrecht.
Was ich da mitunter (es gibt auch sehr anrührende Momente von gemeinsamem Gespräch, Austausch und Verstehen!) zu hören kriege, lässt mich eher an die Macht des Hammers glauben. Gleich die erste Passantin baute sich mit verschränkten Armen vor mir auf:
„Wir haben hier doch schon lange keine Redefreiheit mehr.“
Innerlich quillt in mir nackter Hass hoch, ich weiß aus jahrhundertelanger Erfahrung genau, wes Ungeistes Kind da vor mir steht. Äußerlich bin ich gelassen, heiter und charmant:
„Die Grenzen der Redefreiheit zieht bei uns nur das Strafgesetzbuch und bei mir dürfen Sie alles sagen.“
Verschränkte Arme:
“Also die Merkel ist doch eine FDJ Sekretärin.“
Ich hole aus und strecke die vor mir Stehende mit einem wuchtigen Hammerhieb zu Boden. Innerlich.
Äußerlich:
“Ich finde das sehr interessant, was Sie da sagen. Und wie fühlen Sie sich dabei?“
Es gibt auch andere Erfahrungen, siehe oben. Aber grundsätzlich weiß ich wovon ich rede, wenn ich hier schreibe, nicht nur intellektuell, sondern auch praktisch. Darauf können Sie mal einen lassen, liebe Leserin.
Schöne Einheit noch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert