28.10.2018 – Sports are not allowed.


Eine schöne Botschaft im Zeitalter der hysterisierenden Selbstoptimierung zwecks Erhalt der Reproduktionsfähigkeit im Dienst des Kapitals und der Erlangung eines ewigen Lebens. Man fragt sich nur, wofür. Dem Erhalt der Würde dient es bestimmt nicht, wenn alte Säcke mit grellbunten Stirnbändern, Edellaufschuhen in Farben, die einen Kanarienvogel noch erblinden lassen und mit einer Batterie von Funktionsmessgeräten an Armen, Beinen und Schwanz durch die Gegend torkeln, sich selbst glauben machend, das sei cool. Da seien ihre Kilometerlangen Krampfadern vor und die riesige Leuchtschrift über ihrem Kopf: ICH! BIN! PEINLICH! (Ähnliches gilt, wenn auch nicht in dem Ausmaß, für Weibsleut.)
Ich habe an die Sonne meines Alters, Licht meiner trüben Augen, an meine Neffen in meinem ganzen Leben nur einen ernsthaften Wunsch geäußert: Sollte ich erste Anzeichen von Peinlichkeit zeigen, sei es in Rede, Aussehen oder Verhalten, besessen vom Wahn, das Alter zöge spurenfrei an mir vorbei, so sollen sie mich ohne Zögern auf einem nahegelegenen Biocomposter entsorgen. So wahr ich 48 bin.
Die Antwort: „Yo, Digga.“ Es besteht also Hoffnung.
Ich habe ja nichts gegen das Laufen. Aber doch nicht in der Öffentlichkeit. Diese ist für edlere Zwecke. Öffentlichkeit ist eine zentrale Errungenschaft der Aufklärung. Das Austragen von Konflikten in einer bürgerlichen Öffentlichkeit, der Kampf um die res publica, die öffentliche Sache, auf der Agora war der Fortschrittsmotor der letzten 250 Jahre schlechthin. Das schließt Revolution und das schließt die Abschaffung ihrer, nämlich der bürgerlichen Öffentlichkeit, selbst mit ein.
Auf dem Weg dahin befinden wir uns, jenseits von Wahl-Ergebnissen, wie heute in Hessen. Wir befinden uns noch in einer sozialdemokratisch geprägten Republik. Nicht, was die Partei, sondern was Arbeits-, Sprach- und Verhaltensweisen im öffentlichen Sektor angeht, der nach wie vor zentral und mitbestimmend für unser gesellschaftliches Leben ist. Die Führungspositionen dort werden an Parteivertreter*innen verteilt, in Parteien sowieso, aber auch in Verbänden wie Diakonie und Caritas, die größten Arbeitgeber in Deutschland, bei NGOs, in der Verwaltung, Justiz, halbstaatlichen Unternehmen wie Energieversorger, etc. pp. , all das ist fest in der Hand von SPD, CDU sowie paar Grüne und FDP. Dieses Karriereversprechen unter bestimmten (Partei-)Bedingungen prägt ein gesellschaftliches Bewusstsein, bis hin zur Sprache, wie: „.. bieten wir unsere konstruktive Bereitschaft an, im Dialog das Problem zu lösen…“ Oder so ähnlich wird in diesem öffentlichen Raum verhandelt. Wenn dieses Konstrukt verschwindet, auch weil die Volksparteien verschwinden und z. B. Karriere auf AfD Ticket gemacht werden kann, dann gute Nacht, Marie. Dann verroht dieser bisher notdürftig konsensual geprägte Sektor als eine der letzten Bastionen gegen die Ent-Zivilisierung. Dann drohen uns amerikanische Verhältnisse, Massaker inklusive. Und beim Ami ist das Ende der Fahnenstange ja noch lange nicht erreicht. Deshalb sind solche Wahlen wie die heute nicht unwichtig als Signal.
Ich geh jetzt ne Runde laufen. Im Keller.

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