11.03.2019 – AC/DC, Marx und Kafka


Stillgelegter Eingang am niedersächsischen Sozialministerium. Erinnert mich an Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“.
Eine der dämlichsten Erzählungen von Wutbürgern und anderen Nichtsatisfaktionsfähigen Intelligenzamöben geht so: Beamte sind faul, Politiker überbezahlt und beide Gruppen sind dumm und unfähig, sonst wären sie in die freie Wirtschaft gegangen. Den Staat möchte ich sehen, der ohne Beamte wie die freie Wirtschaft funktioniert, die natürlich keine „freie“ ist, sondern den ehernen Zwängen des Marktes unterworfen. Der so verfasste Staat, immer der Profitmaximierung verpflichtet, würde arbeitslosen Wutbürgern (Marx nannte das: Lumpenproletariat) innerhalb kürzester Zeit aber sowas von die Hammelbeine langziehen und einer derart effizienten Verwertung unterziehen, dass sie auf Knien die Vorzüge des vormaligen BRD-Staatswesen herbeiflehen würden. Allen anderen Wutbürgern würden bei öffentlichen Äußerungen ihrer vorurteilsgeschwängerten Dumpfmeistereien in Form von Demonstrationen sofort Gummigeschosse um die Ohren und auf die Augen fliegen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht und zwar ganz konkret, real und dauerhaft. Und da, wo Nazis den Gang der Geschäfte eines auf den nackten, unverbrämten Kapitalismus reduzierten Staatswesens störten, weil sie Investoren verschrecken, ausländische Fachkräfte in die Flucht treiben und grenzüberschreitenden Handel bedrohen, würde auf jeder zweiten Nazi-Zusammenrottung nach kurzer Ermahnung Schießbefehl erfolgen.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto erfreulicher stellt sich mir ein derartig verfasster Staat dar.
Ich habe ab und an mit Beamten und Politikerinnen zu tun. Sie sind sicher karriereorientiert, interessengesteuert, mitunter nicht gerade mit weitem Horizont ausgestattet, opportunistisch, betreiben unsoziale Politik, steuern auf ökologische Katastrophen zu und es gibt viel an ihnen zu kritisieren, aber das ist normal und steht in keinem Vergleich zu solch überflüssigen, entseelten Lehmklumpen wie Wutbürgern. Beamte und Politikerinnen sind nicht faul. Unter Beamten habe ich hochkompetente Leute getroffen, vor denen ich den Hut ziehe. Was ich selten mache.
Und Berufspolitiker dürften im Normalfall eine 7-Tage-Woche haben und einen 10 Stunden Tag. Das wichtigste Organ einer Politikerin ist ihr Arsch. Karrieren werden ersessen, in grausam öden, zähen Veranstaltungen, Versammlungen, Meetings, Arbeitsessen, bis weit in die Nacht und am Wochenende. Die SPD Politikerin, die sich nicht auf jedem AWO-Karneval sehen lässt, kann ebenso einen Haken an ihren Aufstieg machen wie ihr CDU-Pendant bei Caritas-Fröhlichkeiten, beides Veranstaltungen, nach deren Besuch AC/DC den Song schrieben: Hell Ain’t a Bad Place to Be.
Sie tun das aus freien Stücken, süchtig nach der Droge Macht. Das kann man belächeln oder verurteilen, aber: Die sind definitiv nicht faul. Und das gegen eine Bezahlung, die im Fall eines Landtagsmandates vergleichbar ist mit einer Richterbesoldung. Auskömmlich, kann für Wohlstand und ein Häuschen im Grünen sorgen, aber ein Skandal ist das sicher nicht.
Ein Skandal ist die Tatsache, dass die vermeintliche Überversorgung von Politikerinnen und Beamten dauernd als Sau durchs öffentliche Dorf getrieben wird, weil das nämlich die wahren Fehlverteilungen glänzend verdeckt: dass 45 Superreiche so viel besitzen wie die Hälfte der Bevölkerung.
Wer sich da an Politikerinnen und Beamten reibt, muss sich fragen lassen, wessen Geschäft sie betreibt.
Nachtrag zum Schmunzeln: Die Aufzählung dessen, was Marx unter Lumpenproletariat verstand:
„…. zerrütteten Lebeherren mit zweideutigen Subsistenzmitteln und von zweideutiger Herkunft, verkommene und abenteuerliche Ableger der Bourgeoisie, Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner, Gaukler, Tagediebe, Taschendiebe, Taschenspieler, Spieler, Zuhälter, Bordellhalter, Lastträger, Literaten, Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz, die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin- und hergeworfene Masse, die die Franzosen ‚la bohème‘ nennen….“ (aus „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“). Da scheint schon die ganze spießig-miefige Aura des späteren ostzonalen Staatssozialismus auf. Aber politisch korrekt ist die Analyse.

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