28.08.2020 – Das kann ja Eiter werden


Klaus-Eiter Gleitze. Aber die Forderung nach einer Landeswohnungsbaugesellschaft ist richtig und das Foto ist auch recht flott. Ich sehe darauf noch durchaus rüstig aus. Heiter stimmen mich auch Mails von Kulturschaffenden mit der Anrede „Liebe Freunde der Kunst“. Schon in der Anrede trennt sich bei Kulturschaffenden die Spreu vom professionellen Weizen. Die Anrede „Liebe Freunde“ unterschlägt die Hälfte der Bevölkerung, das ist unhöflich und, viel schlimmer: unprofessionell. Kein Mensch schreibt ja heutzutage im Behördenverkehr „Sehr geehrte Herren“, sondern „Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren“, aus professionellen Gründen.
Diejenigen, die die Anrede „Liebe Freunde“ verwenden, sind meist nicht erfolgreiche, gescheiterte Existenzen. Erfolgreiche, professionell Arbeitende benutzen selbstverständlich sowas wie „Liebe Freundinnen und Freunde der Kunst“. Aus meiner leidvollen Erfahrung setzt sich mangelnde Professionalität bei Kulturschaffenden in alle Bereiche fort: Verlässlichkeit, Struktur, Pünktlichkeit usw. usf. So überaus angenehm die Kooperation z. B. mit den Improkokken war im Rahmen von Flüchtlingstheaterprojekten, so sehr grenzte mitunter diejenige mit bildendenden Künstler*innen derartig an Körperverletzung für mich, dass ich mir sowas in diesem Leben nicht mehr antue.
Die Trennlinie verläuft auch oft zwischen denen, die entweder in bürgerlichen Erwerbsberufen arbeiten oder gearbeitet haben und denjenigen, die nur auf die Karte „Kunst“ gesetzt haben. Erstere haben zumindest eine Ahnung davon, dass man bei Terminen wenigstens den richtigen Tag einhalten sollte, von der richtigen Stunde will ich gar nicht reden.
Falls Sie, liebe Leserinnen, Vorurteile gegenüber Künstler*innen haben, was bürgerliche Tugenden angeht, seien Sie Sie versichert: Die Realität übertrifft Ihre Vorurteile mitunter um Längen.
Was obig erwähnte Anrede angeht, ist das natürlich angesichts der Pandemie, angesichts der Covidioten, von Donald Trump, der Klimakatastrophe etc. pp. eine Petitesse und natürlich ist Gender-Pay-Gap das erheblich größere Problem als geschlechtersensible Sprache. Aber wer immer noch nicht begriffen hat, dass irgendwo angefangen werden muss, dem ist nicht zu helfen.
Auf Dauer wird sich das Gendersternchen * durchsetzen. Wer ein bisschen vom Wissenschaftstransfer in die Praxis von Behörden, Verbänden und letztlich auch Unternehmen versteht und ein Gespür für Sprachprozesse in der Praxis hat, weiß das und richtet sich allein aus professionellen Gründen drauf ein.
Zum Schluss ein mea culpa. Mater peccavi, auch ich habe gesündigt. Vor Jahren hinterließ ich in Veröffentlichungen den Hinweis: „Aus Gründen der Leserlichkeit wird die männliche Form verwendet. Frauen sind natürlich immer mit gemeint.“
Das ist an Überheblichkeit und Dämlichkeit kaum zu überbieten.
In zehn Jahren hat sich das Thema eh erledigt, siehe Einführung der Gurtpflicht und das Rauchverbot in Restaurants. Um sowas wurden mal Glaubenskriege geführt, als ob der Untergang des Abendlandes bevorstünde. Niedlich.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen (die Männer sind natürlich immer mit gemeint), ein putziges Wochenende.

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