13.06.2021 – Brot und Rosen


Rose auf meiner Veranda, in Nasenhöhe. Es gibt verschiedene Arten, den Tag zu beginnen. Man kann ihn sich durch Arbeit versauen oder für einen Moment ins Reich der Sinne fliehen, z. B. durch den Duft einer frisch erblühten Rose, die vielleicht noch betaut ist vom Verschwinden der Nacht. So lässt sich das morgendliche Katastrophen-Update durch den Deutschlandfunk und der Blick auf die Erledigungsliste des Tages –Zoom Sitzung 12 Uhr vorbereiten (Worum geht es da überhaupt? Und: Noch immer keine Socken gekauft!!) – leichter ertragen. Einfach mal der Ästhetik das Zepter des Alltags überlassen. Mitunter reicht auch ein Anblick.

Keine Duft-Rose, dafür eine geradezu barocke kardinale Üppigkeit, an der das Auge schwelgen kann.
Ästhetik dient nicht nur der Kontemplation, sondern auch zum Trost. Und natürlich politischer Bildung und Kampf. Brot und Rosen.
Aber bevor das hier in Politkitsch ausartet, nehmen wir lieber mal die Kurve, zurück in den Seuchen-Alltag, dessen Widrig- und Niedrigkeiten wahrlich genug Anlass für Trostbedarf produzieren. Was war für Sie die bisher unangenehmste Pandemie-Erfahrung?
Da gibt es viele Möglichkeiten: existentieller Natur wie eine Erkrankung, sei es eigene oder im Umfeld, Long-Covid Symptome, materielle Verluste oder Zukunftsängste, oder nachrangiger Natur wie Reiseeinschränkungen etc. pp. Politisch Denkende hadern vielleicht mit dem Verfall gesellschaftlicher Kommunikation und Kultur. Alles bekannt, ich muss hier nicht hinlänglich Feuilleton-Durchgenudeltes wiederkäuen.
Was ich am Ätzendsten fand, ist der Verfall der praktischen Vernunft mitten im eigenen sozialen Umfeld; Verschwörungswahnvorstellungen selbst bei Leuten, die man bis dato für aufgeklärte, eventuell sogar fortschrittliche bis linke Köpfe hielt, die einem vielleicht sogar noch sympathisch waren. Und dann allen Ernstes vom hiesigen Impf-Apartheitsregime delirieren. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Masken-Holocaust.
Dass auch und gerade linke (Un-)Geister unter progredierendem Vernunftverlust leiden, lässt sich aus ideologischer Sicht nachvollziehen. Klassische Linke denken in der Klassen-Dichotomie: Kapital vs. Arbeit. Das ist soziologisch korrekt, auch wenn es heute anders formuliert würde. Diese entpersonalisierte Denkweise in dunklen, irgendwie amorphen Blöcken öffnet Tür und Tor für Verschwörungstheorie, wie z. B: „Das Kapital trifft sich bei der Bilderberg Konferenz und diktiert da der Politik den Kurs.“
Die Grenzen zwischen Verschwörung und Realität mögen mitunter unscharf sein, aber bei Anstrengung der praktischen Vernunft sollte Schwachsinn wie Impf-Apartheitsregime vermeidbar sein. Man kann unserer Politik einiges nachsagen und das tue ich oft und gerne, aber Apartheid?
Ich glaub, ich muss wieder auf die Veranda. Sie entschuldigen mich bitte.

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