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Die Kunst ist käuflich. Aus dem Archiv. Screenshot des hiesigen ÖPNV-Fahrgastfernsehens. Die Kunsthausierer des SCHUPPEN 68 bei einem früheren hannöverschen Zinnober Volkskunstlauf, einem jährlichen lokalen Event der hiesigen Kunstszene. Schöne Erinnerung, wie der Kollege Hermann S. (vollständiger Name Sievers der Redaktion bekannt) und ich nach der Aktion mit der S-Bahn nach Hause fuhren und uns die Fahrgäste anstarrten. Irgendwann merkten wir, dass über unseren Köpfen auf den Fahrgastbildschirmen die ganze Zeit der Clip mit unserem Auftritt lief. Heroes just für one day.
Die Kunst ist käuflich, muss sie sein, aber wo ist die Grenze? Harald Schmidt, ex Possenreißer für die höheren Stände und Leute mit Notabitur, kennt keine Grenzen. Er posierte auf dem Fest der rechten Zeitung Weltwoche, fröhlich grinsend mit seinen Buddies Hans-Georg Maaßen, Verschwörungsfantast, und Matussek, religiös-homophober Kulturkampffanatiker. Alle drei stehen für die Erosion und Verrohung von Teilen des Bürgertums und ermöglichen mit ihren braunen Hemdkragen dessen Andockung an den mörderischen Faschismus der Straße. Eigentlich müsste man sich an einem abgehalfterten Narren wie Schmidt nicht die Hände schmutzig machen, wäre da nicht die Aussage in seinem Zeitinterview: „Haltung zeigen kostet gar nichts. Null.“
Abgesehen davon, dass er noch nicht mal in der Lage ist, und auch nie war, Haltung zu zeigen, selbst wenn sie umsonst ist, ist das eine niederträchtige Beleidung für all die, die Haltung zeigen, nicht nur in der Ostzone, und dafür von Nazis mit dem Tod bedroht werden. Das bleibt am Ende des Tages von einem Zyniker übrig: Eine armselige Wurst.
Man erträgt sie kaum noch, diese Altmännerfressen (Zugegeben, mein Spiegelbild heute morgen war auch nicht ganz taufrisch). Wie den jetzt im Triumpfmarsch durch bayerische Bierzelte ziehenden Aiwanger. Eine gruselige Vorstellung. Wie viele Schritte es wohl von diesen bayrischen Bierzelten, in denen der nackte Antisemitismus dampft und brodelt, bis zu Nürnberger Reichsparteitagen sind?
Dazu ist vieles geschrieben und gesagt. Eins allerdings kommt mir bei diesen ganzen Leitartikeln, Kommentaren über das schmutzige Geschäft von Macht und Politik zu kurz: Die Perspektive der Opfer, der jüdischen Bevölkerung im Land. In unserer Gesellschaft wird ein Stein nach dem anderen aus der Brandmauer (Achtung, Phrasenalarm) zwischen Zivilisation und Barbarei gebrochen. Für die jüdische Bevölkerung, nicht nur für sie, aber besonders für sie, ist die Situation bedrohlicher denn je in der Nachkriegszeit. Die jüdische Publizistin Marina Weisband betont mehrfach in einem DLF Interview, dass sie sich hier zunehmend nicht mehr sicher fühlt und Vorfälle wie mit Aiwanger da als Brandbeschleuniger (meine Formulierung) wirken.
Das muss im Mittelpunkt stehen, nicht austauschbare Charaktermasken wie Söder, Aiwanger, Schmidt, Matussek, Massen etc. pp.
Das alles sind Alltagskulturelle Erfahrungen, Momentaufnahmen, die Haarrisse produzieren in einem vermeintlich sicheren Behälter, unserer Gesellschaft, bis irgendwann ein Ermüdungsbruch eintritt. Kleine Mosaiksteine, die sich im Lauf der Jahre zu einem großen, braunen Gesamtbild zusammensetzen können. Können, nicht müssen. Gesellschaftliche Entwicklungen sind keine zwangsläufigen Naturgesetze. Aber es wäre nicht nur dumm, sondern grob fahrlässig, diese Möglichkeit nicht auszuschließen.
Und was ist mit Mussolini?