16.07.2018 – Hört denn dieser Sommer nie auf?


Meine Hood inna Kreuzberg. Ohne Bros und Deine Gang kackst Du da ganz krass ab, Digga.
Davon mal abgesehen war Kreuzberg früher geteilt in einen eher proletarischen Bezirk SO 36, siehe auch der legendäre gleichnamige Club und einen eher gutbürgerlichen Bezirk SW 61. Ein Identitätsgefühl von „Kreuzberg“ als Bezirk entstand erst nach dem zweiten Weltkrieg, und nicht, wie viele Kiezinsassen meinen, parallel zu jenem kleinen gallischen Dorf von Asterix und Obelix zu Zeiten Cäsars, das sich als Metapher für Widerstand schlechthin mehr ins popkulturelle Gedächtnis eingebrannt hat als alle 68er Straßenschlachten zusammen. Der gemeine Kreuzberger, links von dem nur die Wand, früher die Mauer, ist, vergisst oder weiß nicht, dass für den Impuls zur Kreuzberger Identität ein Sozi zuständig war, der legendäre Willy Kressman. Ein scheinbar nicht ganz unsympathischer notorischer Querschläger und Einzelgänger, der in Kreuzberg als Kümmerer auftrat, bevor die Neonazis den Begriff für sich okkupierten.
In den Achtzigern wurde die Kreuzberger Identität vollends zum Mythos nach zahlreichen diversen Straßenschlachten, die später zur 1. Mai Randale Folklore entgleisten. Jetzt ist Ruhe im Karton.
Eine Ansicht, die die geplagten Anwohnerinnen der Szenegegenden nicht teilen. Eigentlich ist dort nie Ruhe im Karton, vor allem Nachts nicht, wenn die Kinder der Kinder von Marx und Coca Cola aus ganz Europa die Reiseschecks (gibt’s sowas überhaupt noch?) ihrer Eltern verbraten, die sich Zuhause als Ministerialrätin, Anwalt oder Zahnarzt für das Wohlergehen der Brut abrackern. Die nichts Besseres zu tun hat, als den Ministerialrätinnen, Anwältinnen oder Zahnärztinnen, die zum Beispiel in der Nähe der Admiralbrücke in Kreuzberg wohnen, durch grauenhafte Straßen-Musik, Flaschenwürfe, Grölen, Kotzen etc. pp. den Schlaf zu rauben und natürlich pissen und scheißen die Söhne und Töchter aus gutem Hause, wo sie gerade gehen und stehen. Irgendwann nahm das derartige Ausmaße an, dass jetzt ab 22 Uhr da Polizeistunde herrscht. Wodurch sich das Problem demokratisch über den gesamten Kiez verteilte.

Weshalb ebenfalls genervte Ex-Revoluzzerinnen die Gegend nicht ganz korrekt (Kohlfurter/Ecke Admiral dürfter eher SW 61 sein) umgetauft hatten, in Anlehnung an das proletarisch-revolutionäre SO 36 in Ballermann 36.
Die Parallele zwischen Asterix und Obelix und Kreuzberg steht hier nicht zufällig. In jenem kleinen Dorf in Gallien gab es bekanntlich einen Clash of Cultures, wobei man bei den Galliern nicht von Kultur sprechen kann. Ihr Alltag war gekennzeichnet von Prügeln, Saufen, Fressen, Drogen, Tiere töten und sobald Kultur wagte, ihr Haupt zu erheben, wurde sie verspottet und ihr Gewalt angetan (Troubadix, der Barde). Die Gallier waren also durch und durch regressiv-reaktionär.
Der Alltag der Römer war gekennzeichnet durch Bäder, Straßen, Kanalisationen, mehrstöckige Häuser, Gelehrsamkeit, Poesie, durch Cicero und Ovids „Ars amandi“ etc. pp. Die Römer waren also der Inbegriff von Kultur und Zivilisation (o.k, die Sklaven und Gladiatoren sahen das vermutlich anders).
Dass Generationen, meine inbegriffen, diesen infantil gezeichneten Asterix und Obelix-Müll regelrecht verehrten, sagt zweierlei:
1. Er hat sich in ihre Matrix derart eingraviert, dass sie den nationalen Widerstand selbst von Barbaren gegen zivilisatorische Einflüsse über alles stellten, Hauptsache: Identität.
2. Brauchen wir nicht. 1. reicht.
Ich aber wandte damals mein Haupt mit Grausen und mich selbst den amerikanischen Underground Comix zu, von denen ich noch diverse Exemplare besitze, was einen Teil meiner Altersversorgung darstellt.
Hört denn dieser Sommer nie auf?

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