
Was mir beim Flanieren so in die Agen fällt: Parteibüro der KPD/RZ. Kommunistische Partei Deutschlands/Rote Zelle? Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum . Irgendwo in Kreuzberg, lange verlassen. Vor Jahren ist diese Partei mit der Satirepartei „Die Partei“ fusioniert. Die KPD/RZ war nach der von mir gegründeten Partei „SCHUPPEN 68“ die zweite Satirepartei, die bei einer Wahl in Deutschland antrat, 1995 in Berlin, und erhielt in Kreuzberg 2,8 Prozent, 1.472 Zweitstimmen. Die Partei SCHUPPEN 68 trat 1991 zur Wahl in Hannover an und erhielt im Komplementärbezirk zu Kreuzberg, Hannover-Linden, 0,9 Prozent, 470 Zweitstimmen.

Eine der notorischen linksradikalen Postillen der damaligen Zeit, Spezial, würdigte unseren Wahlerfolg dahingehend, dass wir der von denen geschmähten Linken Liste die für einen Wahlerfolg nötigen Stimmen weggenommen hätten. Was uns wiederum von der Linken Liste kommunistische Prügelandrohungen einbrachte.
Wahl-Forderungen der KPD/RZ: »Rauchverbot in Einbahnstraßen« und »Ausgehverbot für Männer bei Temperaturen über 30 Grad«. SCHUPPEN 68 profilierte sich mit „Freibier und Erbsensuppe“, „Verbot des Tragens von nassen Hüten“ und zum Wahlkampf prangte mein Arsch auf Plakaten mit dem Slogan „Sie können uns kreuzweise“, mit den drei Wahlkreuzen des Wahlzettels. Genial ist noch untertrieben. Das war aus unserer Sicht nicht mehr zu toppen, beendete unsere parlamentarische Karriere und wurde so auch zum Mythos in Fachkreisen. Unlängst stellte mich der Moderator einer überaus ernsthaften Podiumsdiskussion auch mit den Worten vor:“ … und war unter anderem Gründer der ersten Satirepartei Deutschlands.“ Was mich zu Tränen rührte. Und die Erwartungsmesslatte im Publikum in schwindelerregende Höhen schraubte.
Während Reste von uns sich nach 1991 Aktionskunst, Perfomance und Kabarett hingaben, war die KPD/RZ noch mehrere Jahre parlamentarisch erfolgreich. Wenn man sich die Namen der Unterstützer der Partei durchliest, macht das die Maßverhältnisse zwischen Kreuzberg und Hannover-Linden deutlich: Bela B., Wiglaf Droste, Norbert Hänel, Bommi Baumann, Thomas Kapielski. Manche Hausgemeinschaften, vorher eher dem bürgerlichen Wahlzirkus abgeneigt, im legendären Teil-Bezirk SO 36 sollen komplett die KPD/RZ gewählt haben. Damit lässt sich arbeiten.
In Hannover-Linden hingegen fehlte es an kritischer Masse, um eine parlamentarische Kernschmelze einzuleiten. Dann gab es erste Todesfälle in unserem Kernteam, die legendäre Frau Dr. Anna-Maria Kötner-Holz, Entdeckerin des Holzweges und Namensgeberin des hiesigen Kötnerholzweges , wechselte in ein Kloster und unser Superstar, Peter Popstar, ein begnadeter und auf der Bühne allzeit volltrunkener Komödiant, zog weg.
Herrliche Zeiten.
Wir wandten uns der Kunst zu. Auch dort dem Mainstream um Jahre voraus.
Später erntete die Satirepartei „Die Partei“ die Früchte der Arbeit von KPD/RZ und SCHUPPEN 68. Das ist das Los der Avantgarde: Ruhm, Mandate und Kohle ernten die Nachgeburten. Dies gilt es sine ira et studio festzuhalten.
Und ich zehre ja noch heute davon. Als ich das obige Parteibüro beim Flanieren entdeckte, ploppten skurrilste und berührenden Erinnerungen ebenso wieder hoch wie ein paar Tage später bei der Vorstellung des Moderators. Bei dem ich mich unbedingt noch bedanken muss.
Aber das war schon eine merkwürdige Koinzidenz der Ereignisse. Die mich zum heutigen Blog veranlasst hat. Eigentlich wollte ich was über den Ukrainekrieg schreiben. Aber da fiel mir die Wahl nicht schwer.