Reichsbürger am Brandenburger Tor. Es war mal wieder der Teufel los. Direkt daneben Alt-Kommunisten, die für Solidarität mit Russland warben. Ein paar Schritte neben denen die Falun Gong Sekte, in China heimisch und verfolgt, Motto: Der Kommunismus ist das bösärtigste Virus der Welt. Über allem schwebte intensiver Marihuana-Geruch von der Hanfparade, die am Brandenburger Tor vorbei zum Reichstag zog.
Um das Brandenburger Tor ist normalerweise ein Bogen zu machen, aber derartig skurriles, pralles Demo-Leben, das tiefe Einblicke in den Zustand der Gesellschaft freilegt, gibt es nur da. Ganz schräge Vögel, Reden wie aus Satirefilmen, Impressionen der dritten Art, oft zum Lachen, aber auch brandgefährliche Hinter- und Abgründe wie bei den Reichsbürgern , eine faschistische Fraktion, die die Existenz der Bundesrepublik leugnet und mitunter mit Waffengewalt gegen deren Organe vorgeht.
Am Ende eines solchen Tages weiss man mitunter nicht, ob man Lachen oder ?Weinen soll. Auf Grund der Auswirkungen der nebelartigen Dunstwolke von Marihuana, die über allem schwebte, entschied ich mich für Lachen.
Kriegerdenkmal am Spandauer Rathaus. Ich habe viele Kriegerdenkmäler fotografiert, wollte mal eine Serie daraus machen. Stoff gibt’s genug, allein in Deutschland gibt es über 100.000. Ich hab’s gelassen, der Anblick dieser grauenhaften Monumente zum Gedenken an Killer des Nazikrieges (oder wie im obigen Fall erster Weltkrieg) ist auf Dauer eher unerträglich. In Bronze gegossener oder Stein gemeisselter Faschismus. Meist stählerne, muskulöse, gepanzerte Männerkörper, uniformiert, mit Todesverachtung im auf einen fernen Feind gerichteten Blick, gerne mit Bajonett oder Handgranate in der Faust.
Ich habe noch nie so eins gesehen wie in Spandau, wo die latente, unterdrückte Homoerotik in der Soldatenkaste so offen ästhetisiert ist. Männerbünde, siehe auch Priesterkasten oder Fußballwelten, sind immer durch latente Homosexualität geprägt. Die nie offen sein darf und diese dauerhafte Unterdrückung produziert jene Gewalt, Frauenverachtung und Hass auf Minderheiten, die kennzeichnend sind für diese Männerbünde. Brutstätten von Faschismus.
Und diese Ästhetik prägt unseren Alltag und damit unsere Wahrnehmung und Einstellung mit, nach wie vor, hunderttausendfach. So wie bestimmte Sprachmuster. Sie mussten sterben, damit Deutschland leben kann. Genuines Nazisprech, siehe Höcke, und andere, immer mehr, immer offener.
Wie anders dagegen der Spandauer Soldat oben, nackt, lässig, fast von postcoitaler Entspanntheit gezeichnet, der Faltenwurf des Lakens über dem Schenkel ist nicht umsonst in der Gegend drapiert, prononcierte Brustwarzen, die Gesichtszüge weich, feminin, das phallische Schwert ermattet zur Linken. Im Zwielicht des wolkigen Tages betrachtet: ein Trans-Soldat. Was mich auch irritiert hat, ist dieser schlappe Adler daneben. Nix mit ausgebreiteten Schwingen, auf kriegerische Attacke gebürstet. Da könnte man ja auf ganz schräge Gedanken kommen, beim Anblick dieses Ensembles.
Auf alle Fälle ein schräges Denkmal, bei dem bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, es durch Graffiti umzugestalten. Kein Wunder, ist es doch das eines Trans-Soldaten…
Mäusebunker, so genannte ehemalige Tierversuchsanstalt der Berliner Charité.
Ehemaliges Institut für Hygiene und Mikrobiologie, direkt gegenüber. Beides ikonische Beispiele des Brutalismus, der letzten heroischen Bauphase der Moderne mit Höhepunkt in den Siebzigern. Die heisst nicht so, weil sie so brutal wirkt, sondern weil hier vorwiegend mit Sichtbeton gearbeitet wird. Kommt aus dem Französischen. Wegen Le Corbusier, dem Hauptprotagonisten. War jahrelang schwer verpönt, als alle Welt anfing, Nippes auf dem Flohmarkt zu sammeln und in Altbauwohnungen mit Stuckdecken hauste. Der Brutalismus ist seit einiger Zeit bis in die Popkultur schwer angesagt, es gibt Bands, die so heißen. Herausragende Gebäude aus der Phase werden mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt.
Diese Tatsache hat auch den Mäusebunker vor dem Abriss bewahrt. Während beim Hygieneinstitut nach Ende seiner Nutzung von Anfang klar war, dass es umgenutzt und unter Denkmalschutz gestellt wird, galt das für den Mäusebunker nicht. Zu finster sein Äußeres und seine Geschichte. Mittlerweile hat sich aber rumgesprochen, dass Umnutzung eine erhebliche bessere Energiebilanz als Abriss und Neubau hat. Im Mäusebunker sind 12.500 Tonnen Kohlendioxid gespeichert, eine gigantische Menge, der Lebensbilanz von tausenden Bäumen. Also geht die Tendenz zu Erhalt und Umnutzung. Das Gebäude soll sogar zum Teil geöffnet werden als Rückzugsareal für heimische Wildtiere, also eine faszinierende Symbiose von Natur und Moderne.
Noch fällt man auf, wenn man wie ich diese Gebäude exzessiv filmt und fotografiert, die Stein gewordenen Spuren einer Metropole sind für mich mit ihr Faszinosum. Ich kam darüber mit Eingeborenen ins Gespräch, die dazu Geschichten erzählen konnten. Aber falls es noch sowas wie gedruckte Stadtführer gibt, würde es mich nicht wundern, wenn demnächst Mäusebunker und Mikrobiologie als Geheimtipp da erwähnt werden. Filme werden da schon jede Menge gedreht, wie mir der total bekiffte Pförtner des Hygieneinstituts verriet.
SCHUPPEN 68-Aktion Heimat im Fahrradkorb, HAZ 19.08.2010. Der Gang in die Archive fördert auch Aktionen zutage, die missglückt sind. Gerade bei so einer Aktion, wo es vordergründig um einen Bundespräsidenten, Heimat und regionale Produkte geht, sollte, muss die Satire klar erkennbar. So wie die Aktion da beschrieben ist, steht das, was gesagt wird, auch für das, was gemeint ist, und genau das ist Satire nicht. Sie meint das, was nicht gesagt wird, respektive sagt es so, wie es nicht gemeint ist. Wenn ich der Einzige bin, der etwas als Satire meint und wahrnimmt, ist es keine.
So bleibt mir beim Lesen der fade Eindruck, mir ginge es damals vorrangig darum, mal wieder in der Presse zu stehen. Was per se nichts schlechtes ist, aber bitte immer mit Niveau. Da bin ich mal gespannt, was der Sommerloch-Gang in die Archive, welcher aus zwei Mausklicks besteht, noch zu Tage fördert. Wobei Sommerloch auch nicht mehr das ist, was es mal war. Die AfD hat leider auch da professionell agiert und ihren EU-Parteitag genau ins Sommerloch gelegt. Plan aufgegangen, die Medien sind voll drauf eingestiegen, haben die AfD zu Recht einhellig niedergemacht. Mit dem Trotzeffekt, dass die Wagenburg der Faschisten noch enger geschlossen wird und weitere Frustrierte da rein strömen, die Schnauze voll von den Krisen haben. Was ihnen nix nutzt, weil die Krisen ja nicht verschwinden vom Schnauze voll haben.
Dass die AfD für ihre EU-Feindlichkeit kritisiert wird in den Medien, ist ja schön und gut, aber nur eine frustrierte Pflichtübung, mit Null Effekt, eher gegenteiligem, siehe oben.
Man kann die EU nämlich durchaus kritisieren: Sie ist ein Bürokratiemonster und als Wertegemeinschaft ein Witz. Wie kann jemand, der von Werten spricht, kalten Herzens den Tod von Tausenden an den Außengrenzen in Kauf nehmen. Und: Über eine tatsächlich seit 1961 existierende EU-Sozialrechtscharta redet seit Jahren niemand mehr. Es geht ausschließlich um den freien Verkehr von Kapital, Waren, Dienstleistungen und den Transfer von billigen Arbeitsmarktsklaven aus Südosteuropa ins Herz der Bestie.
Dass alles und noch viel mehr könnte man kritisieren in den Medien. Stattdessen überlässt man aus den falschen Gründen den falschen Leuten ein richtiges Feld.
Ich bin auf die nächsten AfD Umfragewerte gespannt und mache mir in der Zwischenzeit ein paar Gedanken über konkrete Forderungen zur Bekämpfung der AfD. Beschreibung und Analyse ist ja schön und gut, aber irgendwann muss dann der nächste Schritt erfolgen. Action speaks louder than words.
Südwestpresse, 08.10.2010, Die Kunsthausierer Gleitze & Sievers aus dem SCHUPPEN 68 machen in Villingen auf prekäre Beschäftigung und Leiharbeit aufmerksam. Mittlerweile hatte sich das ingeniöse Wirken des SCHUPPEN 68 bis kurz vor Afrika rumgesprochen. Villingen im Schwarzwald ist zumindest für mich, der ich mit Süddeutschland wenig am Hut habe, kurz vor Afrika. Mit unkonventionellen Mitteln Menschen erreichen: Der Chef der dortigen IG Metall hatte seine und unsere Absichten auf den Punkt gebracht. Die Zeitungen berichteten ausführlich und wohlwollend.
Zeitungen, Medien sind immer zentrales Ziel und Bestandteil aller Aktionen. Was nicht in Medien stattfindet, hat überhaupt nicht stattgefunden. Ich habe selber verantwortlich diverse Zeitungen, Broschüren etc. herausgegeben, durchaus in nennenswerter Auflage von mehreren 10.000. Wäre mir in meiner Funktion als Herausgeber ein derartiger Klops wie im gestrigen Blog unterlaufen, hätte ich mich sofort selbst gefeuert. Sowas darf unter keinen Umständen passieren, selbst in einem Blog nicht. Die von mir unter der Überschrift „Nonne trifft Stripperin“ in ein vormaliges SCHUPPEN 68-Kollektiv eingemeindete Nonne Sr. Lioba ist keinesfalls die Lioba, die ich meinte, obwohl die Ähnlichkeit frappant ist und der Name eigentlich singulär. Eigentlich, denn es gibt mehrere Liobas. „Unsere“ ex-SCHUPPEN 68 Lioba ist diese hier im Beitrag der Deutschen Welle „Im Kloster fehlt der Nachwuchs ….“
Sie ist Cellerarin, Finanzchefin, im Kloster Mariendonk und sorgt mittels Börsenspekulation für laufende Einnahmen der selbstständig wirtschaftenden Klostergemeinschaft.
Auf diesen Fehler hat mich dankenswerterweise der SCHUPPEN 68-Generalbevöllmächtigte für Hamburg und angrenzende Nord-Gaue, Peter Popstar, aufmerksam gemacht, dem an dieser Stelle mit der Verabreichung eines Freibiers, ohne Erbsensuppe, bei meinem nächsten HH-Besuch gedankt sei.
Bei Licht, Rotlicht, betrachtet, finde ich die Geschichte mit der Cellerarin noch faszinierender als die mit der Stripperin. Lioba hat aus der, auf der Basis exakter nationalökonomischer Kenntnisse fundierenden, antikapitalistischen, neomarxistischen Ausrichtung des SCHUPPEN 68 gelernt und schlägt nun den Teufel des Kapitals mit eigenen Waffen. Ave Lioba, well done. (Für Interessierte zur Vertiefung: Bei der nationalökonomischen Ausrichtung des SCHUPPEN 68 handelt es sich um heterodoxe Ökonomiemodelle).
Interessant, dass wir es in dieser Causa mit den zwei Sphären zu tun haben, die die Welt beherrschen: Gier und Geilheit, Geld und Eros, Macht und Herrschaft. Mit der Börse kenne ich mich einigermaßen aus und die Anlagestrategie von Sr. Lioba (Im Beitrag ab Minute 2) auf der Basis von ETFs ist solide. Ein DAX-ETF hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt, 10 Prozent Wertzuwachs per anno ist schon mal ne Hausnummer.
Bei Striplokalen ist meine Kenntnis rudimentär. Ich war einmal in einem derartigen Etablissement. Darüber ein andermal mehr. Ich muss erst noch den Klops, siehe oben, noch verdauen.
Hallo Sonntag, 03.05.10, SCHUPPEN 68 Aktion „Bürgerinitiative Landtag privatisieren“. Unsere Utopie: Niedersachsen als Monarchie und als König Ernst-August, der Prügelprinz. Hinweis für Ausländer*innen: Der Esel oben im Logo mit der Blindenbinde ist das abgewandelte Wappentier der Niedersachsen, das stolze Ross. Vermutlich ist die Verwendung der Blindenbinde heutezutage politisch inkorrekt. So what.
Langsam schälte sich ein neues SCHUPPEN 68-Kernkolloktiv heraus, hier mit Hermann Sievers und Harri Müller-Hoeppe. Später gesellte sich noch unsere Frau Dr. dazu, bei unserem Radio Flora-Satiremagazin Ohrensuppe. Bei volatilen Kunst-Kollektiven sollte man/frau übrigens nicht auf Kontinuität setzen, die andere Frau Dr., nämlich Dr. Anna-Maria Kötner-Holz z. B. wechselte schon vorher in ein Kloster, Benediktinerinnen. Den spektakulären SCHUPPEN Aktionen hat sie auch dort nicht ganz entsagt, wie man dem Filmbericht „Nonne trifft Stripperin“ entnehmen kann . Sr. Lioba, falls du das hier liest: Ave Lioba, well done. Frau Dr. Ohrensuppe ist einfach so verschollen. Bei Harri Müller-Hoeppe ist die Situation klarer, der ist tot.
Zustände wie in Griechenland, wo auf Grund der vom Schäuble-Deutschland diktierten Austeritätspolitik nach der EU-Krise ein soziales Netz nicht mehr existiert.
Da ist eindeutig eine Süd-Nord-Wanderbewegung in Sachen Sozialabbau im Gange und es bleibt abzuwarten, wann hiesige Politiker*innen mit ähnlichen Vorschlägen hinter dem Busch vorkommen. Dazu muss man noch nicht mal Faschist sein, sowas kriegen auch demokratische CDU und FDP hin. Nicht zu vergessen: Den größten Sozialraub der Nachkriegszeit mit der Agenda 2010 hat Rotgrün durchgezogen. Muss ja nicht Stütze-Streichung sein, die Streichung der Übernahme der Kosten für Unterkunft reicht auch schon.
Das hält die Verlierer*innen aber nicht davon ab, die AfD zu wählen getreu dem Motto „Die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber“. Jede*r 3. Arbeitslose will AfD wählen, seit dem Rechtsruck der Partei strömen ihr die erwerbslosen Massen zu .
Ich überlege eine nächtliche Plakatklebeaktion in sozialen Brennpunkten: „Die AfD will das Bürgergeld abschaffen“ und „Die AfD will die Zwangsarbeit für Arbeitslose einführen“. Allerdings mehr aus psychohygienischen Gründen, wegen des Gefühls, was getan zu haben. Nutzen wird es nix, denn die Kälber werden weiter bis zur Schlachtbank blöken: Rechts schwenkt.
Das Muster ist klar: Erst sorgt die AfD in einer Koalition (mit CDU/FDP?) für Abschaffung der Stütze und behauptet dann, dass die Ausländer daran schuld sind.
Aber noch ist es nicht soweit. Dauert noch und vielleicht übernehmen auch andere diese Drecksarbeit. Krisen dafür gibt’s genug.
HAZ, 02.06.2009, Weltrekord für die kürzeste Kunstausstellung der Welt. Die HAZ hatte recht in Sachen geniale Öffentlichkeitsarbeit, klang aber wieder mal überfordert.
Wesentlich mehr Verständnis im Lindenspiegel 06/2009. Was daran liegen dürfte, dass der geschätzte Herausgeber unsere PM 1:1 übernommen hatte. Die Liste der Sponsoren ist programmatisch zu verstehen: Brauerei Herrenhausen, Gaststäte Lorberg, Fleischerei Gothe, Bierverlag Vogelmann, Fösse-Apotheke. Die letzten Drei sind den Weg allen Einzelhandels gegangen, sie existieren nicht mehr. Das Gleiche gilt für den Pflegetreffpunkt Linden, der die vom Guinness Verlag für Weltrekorde geforderte medizinische Betreuung leistete.
Medizinische Betreuung im Sinne langanhaltender Sedierung wäre auch bei der AfD angebracht, verstößt aber gegen das Grundgesetz Artikel 2, wonach jede*r das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat. Bis zum Eintreten eines übergesetzlichen Notstands , wenn also Widerstand nicht nur als Recht gilt, sondern zur Pflicht wird, würde ich mich daran halten. Ein weites Feld. Der Erfolg der AfD unterliegt einer Korrelationsspirale. Je erschöpfter die Gesellschaft vom permanenten Krisenzustand ist, bei dem kein Ende abzusehen ist (Krieg, Klima, Migration, Wohnen in Ballungsräumen, Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich), desto mehr Zuspruch für Faschismus, der sich auch deshalb in einer beschleunigenden Erregungs- und Radikalisierungsspirale bewegt. Faschismus ist Dauererregung und Radikalisierung. Filmaufnahmen der alten Nazi-Redner zeigen das: Dauergebrüll, Gegeifer, Erregung. Der Nationalsozialismus radikalisierte sich ständig, in Gesetzgebung, Krieg, Vernichtung, ähnliches gilt auch in abgemilderter Form für den Mussolini-Faschismus. So wie der Faschismus nach innen hohl, leer ist, da er kein Ziel außer Unterwerfung und Vernichtung hat, so sehr ist er auf ständige Bewegung angewiesen, sei es psychopolitisch als gesellschaftliche Erregung oder geopolitisch als Eroberung und Krieg.
Die AfD, gestartet als harmlose EU-Skepsispartei (wer erinnert sich noch an den niedlichen Alfred E. Neumann-Verschnitt Bernd Lucke?), unterliegt nach der Entsorgung der bürgerlichen Elemente einem dreifachen Radikalisierungsmoment: Die CDU rückt immer weiter nach rechts und übernimmt AfD Forderungen, also muss das Original immer noch ne Schippe drauflegen; der Mob draußen, die AfD-SA, sieht sich in seinen dumpfen Phantasien bestätigt, radikalisiert sich angstgetrieben weiter und schaukelt sich mit seiner parlamentarischen AfD-Vertretung gegenseitig hoch; und die AfD selber muss sich mangels Ziel, Programm (siehe EU-Parteitag. Programm? Scheißegal) permanent dauererregend radikalisieren. Das ist wie mit Sucht: Die Dosis muss permanent erhöht werden, um den gleichen Zustand herzustellen, aber Befriedigung tritt nie ein. Sucht ist nie Erfüllung, immer nur Versprechen.
Oje, das war mir in der Ausprägung bis eben auch nicht so klar, die Gedanken verfertigen sich beim Schreiben. Das kann ja heiter werden. Auf die Aussichten muss ich erstmal einen Port nehmen.
Wochenblatt, 01.04.2009. Eröffnung der Witzothek „Poke a Joke“ im Ihmezentrum. Auch das gab wieder Ärger, weil Leute im Ihmezentrum vergeblich nach der Location suchten. Ich könnte mich damit rausreden, dass der Klotz sehr unübersichtlich ist. Die Wahrheit: Eine Lieferung frischer Witze hatte sich verzögert, so dass bei einigen das Verfallsdatum überschritten war. Eine Eröffnung am 01.04.09 war daher nicht zu verantworten.
Eine der intelligenteren Aktionen, da steckte ‘ne Menge drin. Sie war eine Art Skizze für eines der späteren Highlights der zeitgenössischen Aktionskunst schlechthin: Der erste Witze-Verleih der Welt, bekannt durch Presse, Funk und Fernseh.
Vergehen tut einem das Witzemachen beim Blick in die breaking news. Beim EU- Parteitag der AfD zieht die taz das Fazit: Nazis im Höhenflug. Der Artikel beschreibt den Parteitag als eine Mischung aus groteskem Bauerntheater und tragödienhaftem Blick in einen Abgrund. Wenn dieser offen zutage tretende Unrat die Spitze der Partei kennzeichnet, wie verrottet muss dann die Basis erst ein.
Der Reichs-Parteitagssatz Satz von Björn Höcke: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“ ist eine Abwandlung des Spruchs auf dem Hamburger-Kriegerdenkmal, das die Nazis 1936 in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg errichteten: „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“. l
Das ist das Leitmotiv der Nazis: „„Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ Lupenreiner, todessehnsüchtiger Faschismus und wer immer noch daran zweifelt, dass die AfD der parlamentarische Arm des Faschismus ist, ist entweder ein Narr oder ein Brandstifter.
Zur Bekämpfung von Faschismus gehört zuvörderst sprachliche Klarheit. Die älteste Gebrauchsanweisung zur Nutzung von präziser Sprache stammt aus der Bibel und jeder Schreiberling sollte sie an seinem PC kleben haben, Matthäus 5,37: „Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel.“
Wenn ich das peinliche Gelullere und verschleiernde Geschwalle der öffentlichen Verlautbarer*innen hierzulande höre, was die AfD angeht, schwillt mir nicht nur der Kamm, sondern auch die Bürste: „völkisch-national, rechtsextrem, undemokratisch etc. pp. „ Schreibt Euch das hinter die Löffel und dann in die öffentlich-rechtlichen Stammbücher, Ihr Penner da draußen: Das ist Faschismus und das Adjektiv dazu lautet: Faschistisch.
Schön, aber nur wenig tröstlich, der Hass, den das Pack untereinander pflegt, siehe taz-Artikel. Erinnert irgendwie an die Nazis, die, kaum an der Macht, konkurrierende Spießgesellen und ähnlich gesonnenes Pack gleich dutzendweise im Röhm-Putsch ermordeten. Aber wen aus der winzigkleinen demokratischen Restfraktion konnte das 1934 noch groß trösten.
Simulation von Wildnis. Selbst der alternativste Garten hat mit der Natur im Rohzustand nichts mehr zu tun, daher inszeniere ich meinen, inklusive Veranda, bewusst. Seit meiner Aktion zur Umbenennung der Sonnenblume „Goldener Neger“ zieren ein paar von denen, die jetzt Henry Wilde heißen, meine Veranda , und zwar so, dass sie ein Spalier, ein Dickicht bilden; zusammen mit anderen überwiegend legalen Pflanzen und Tieren simulierte Wildnis. Morgens, wenn ich zur Zen-Meditation hinaustrete und nach Regen die Pflanzen ihre Köpfe neigen, muss ich mir einen Weg bahnen, werde naß, und der Anblick versetzt ich in eine andere Welt. In eine jenseits der wachsenden Rohheit der Zivilisation, jenseits von regulativer Zurichtung und normativer Dressur. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ich mit den Fäusten auf meine Brust trommele, laut Uaah brülle und „Ich Tarzan! Wo Jane?“.
Blödsinn. Mach ich natürlich nicht. Wildniskitsch, dem irgendwelche armseligen weißen, alten Männer bei esoterischen Schwitzhütten-Ritualen anheimfallen mögen und so mit einem archaischen, vorzivilisatorischen Männer/Frauenbild der schleichenden Faschisierung unserer Gesellschaft die vom Bäumefällen schwielige Faust reichen. Andere Schlichthirne füllen in ihrer Sehnsucht nach präpotenter, viriler Männlichkeit bei Rammsteins Leni Riefenstahl-Ästhetik die Stadien. Auch das auf der Ebene der Bilder, Projektionen, Phantasien ein ästhetischer Faschisierungsprozess, der sofort an tagesaktuelles Geschehen andockbar ist. Über die Hälfte aller Ostgoten schließt eine Zusammenarbeit anderer demokratischer Parteien mit der AfD nicht aus und es mehren sich reihenweise Stimmen aus der CDU, nicht nur in der Ostzone, die dem „gemeinsamen Gestalten“ – vorerst auf kommunaler Ebene, später gerne überall und auch in Koalitionen – im Sinne des großen Vorsitzenden Mao tse Merz das Wort reden. Bei den nächsten Landtagswahlen in der Ostzone wird es vermutlich noch keine CDU/AfD Koalition geben, aber wie sagt der Italiener: Zeit ist eine langsame Feile.
In der Bürgerpresse fängt schon das Pfeifen im Walde an angesichts der rapide steigenden Umfragewerte der AfD: Das sei nur eine Momentaufnahme, die AfD habe ja jetzt ihr Wählerpotential ausgeschöpft. Als ob Wählerpotential eine festgemauerte Konstante sei. Früher hatte die SPD auch ein Wählerpotential von 40 Prozent und die AfD in ihren harmlosen Gründungsjahren von 5 Prozent. The times they are a changing.
Dass sich die AfD entzaubern würde, säße sie in Verantwortung, hört man übrigens kaum noch, dieses hanebüchen naive Argument der Bürgerpresse hat sich selbst entzaubert.
Als ob dem Wahlmob der AfD irgendwas an mühevoller, konstruktiver, parlamentarischer Arbeit liegen würde. Und die Protagonisten der AfD sind zunehmend seriösere Wölfe im Schafspelz, können schon mal unfallfrei zwei Sätze in die Kamera stammeln, und die gröbsten Verbrecher in der Partei werden langsam aussortiert, wenn sie nicht schon im Knast sitzen.
Aber unsere Zivilgesellschaft bildet doch eine Brandmauer gegen Faschismus? Genau, und der liebe Gott lässt jeden Morgen die Sonne aufgehen ….
HAZ, 14.02.2009. Zähmung der Heuschrecke. Das Ihmezentrum ist eine der größten deutschen innerstädtischen bewohnten Bauruinen, seit vielen Jahren Spekulationsobjekt halb- und vollkrimineller Investoren. Das Muster ist immer ähnlich: Kauf, Mieten einkassieren, große Versprechungen machen, nichts investieren, Weiterverkauf, mitunter nach Insolvenz der Trägergesellschaft. Zurzeit in Händen von Lars Windhorst, der idealtypisch für räuberischen Kapitalismus steht, immer an der Grenze zur Kriminalität, oft darüber, aber nie im Knast, Dank teurer Anwälte, Großspender für CDU und FDP. Der Klotz verfällt rapide. Wenn er umfällt, kommt er wenige Meter vor meinem Garten zu liegen. Das wird ein zig Millionengrab für den Steuerzahler (nicht mein Garten, der Klotz). Ich habe auf Grund meiner Aktionen zum Thema da mittlerweile Hausverbot.
Lindenspiegel, 03/2009. Irgendwann wollte ich den Klotz selber kaufen und für die zu erwartenden innerstädtischen Unruhen bei uns einen Bundeswehr-Truppenübungsplatz draus machen. Das brachte mir einen Shitstorm seitens der Bewohner*innen ein. Was ich verstehen kann. Interessanterweise gibt es da praktisch keinen Leerstand und abgesehen vom baulichen Zustand und der ungewissen Perspektive fühlen sich die Bewohner*innen dort durchaus wohl. Man sollte sich also vor einem arroganten Blick auf die Situation hüten, ähnliches gilt für soziale Brennpunkte. Was die Menschen da oft mit am meisten nervt, sind die respektlosen und kenntnisarmen Zuschreibungen von außen.
Es gibt übrigens durchaus funktionierende Modelle von Großsiedlungen wie das Ihmezentrum. Die „Schlange“ in Berlin, räumlich die Größte in Deutschland, ist so eins . Früher problematisch, zurzeit auf Grund zahlreicher sozialplanerischer und baulicher Maßnahmen kein „Sozialer Brennpunkt“ mehr.
„Heuschrecke“ und „sozial Schwache“ würde ich heute anders formulieren. Heuschrecke ist antisemitisch konnotiert und sozial schwach sind Gangster wie Windhorst, aber nicht zwingend Menschen, die einkommensschwach sind.
Was mich nach wie vor auf die Palme bringt bei Medienberichten, ist deren fundamentale Unkenntnis von stilvollen Kleidungselementen : Das ist kein Anzug, den ich da trage bei Aktionen, sondern ein Smoking. Anzüge werden von Bankangestellten getragen. Smoking ist nach wie vor ein Attribut und Privileg des postmodernen Dandys. Der Klassenkampf hat in jeder Beziehung auf höchstem Niveau stattzufinden.