Kategorie-Archiv: Schuppen aktuell

07.11.2024 – Rechtsruck 2.0, 3.0, 4.0. Und danach….?

Marx-Riegel gegen Rechtsruck, vor dem Landtag Niedersachsen.


Rechtsruck in den USA, desaströser als befürchtet, auf allen Ebenen. In Deutschland zeichnet sich ebenfalls einer ab, nachdem die Ampel ausgeampelt hat. Bei der Bundestagswahl voraussichtlich am 2. März 2025 (Wahlen in Hamburg, sowas legt man normalerweise zusammen. Aber was ist heute schon normal?) zeichnet sich ein überlegener CDU-Sieg mit einem ökonomisch neoliberalen und soziokulturell ultrakonservativen Friedrich Merz ab. CDU und AfD als zweitstärkste Partei hätten schon da numerisch so gut wie sicher die absolute Mehrheit, auch wenn die CDU dieses Mal noch zögern wird, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Zählt man die paar Prozentchen der FDP dazu, die Verwirrten vom BSW, die Nazis und Spinner der Sonstigen (bei fast 10 Prozent), sind das 70 Prozent der Wählenden, die Rechts zu verorten sind. On Top kommen noch jene ca. 25 Prozent, die nicht zur Wahl gehen werden, und denen ohne allzu große (!) Bösartigkeit unterstellt werden darf, dass sie mehrheitlich schlicht und einfach Hardcore Nazis sind oder dass ihnen die Demokratie am Arsch lang geht. Diese Gemengelage kann nur ignorieren, wer in rotgrün verwalteten Szenevierteln lebt.
Und das ist erst der Anfang eines quälenden Prozesses, mit dem Brandbeschleuniger Rezession und Arbeitslosigkeit als Treiber.
Hält niemand dagegen?
Doch. Einer. (Der Evangelische Presse Dienst epd, unerschütterliche Speerspitze demokratischer Berichterstattung, berichtete vorab .)
Zum Hintergrund zitiere ich aus der PM zur Aktion, die mir aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zugespielt wurde:
„Klaus-Dieter Gleitze vom Künstlernetzwerk SCHUPPEN 68 verteilt im Rahmen einer Kunstaktion bundesweit Marx-Riegel gegen den allgemeinen Rechtsruck in Deutschland. Der Start erfolgt anlässlich des Landtag-Plenums am 8.11.2024, ab 13 Uhr, vor dem niedersächsischen Landtag, Hannah-Arendt-Platz 1, 30159 Hannover.
Klaus-Dieter Gleitze zum Hintergrund der Kunstaktion:
„Wir leben in Zeiten eines allgemeinen beschleunigten Rechtsrucks. Dagegen gilt es, Zeichen zu setzen, politisch, künstlerisch, satirisch. Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus sind bei Wahlen auf dem Vormarsch, die Gesellschaft verroht zusehends, selbst eher linke Parteien wie SPD und Grüne räumen im Rekordtempo eine fortschrittliche Position nach der anderen ab: Sie stehen für verschärfte Sanktionen beim Bürgergeld, menschenrechtswidrige Asylpolitik, Abkehr vom Klimaschutz.
Eine Politik stattdessen für die Überwindung der wachsenden Spaltung zwischen Arm und Reich als Ursache der Demokratie-Bedrohung und für eine gerechtere Umverteilung? Fehlanzeige!
Diese Steilvorlagen für die AfD rufen sogar in den genannten Parteien Widerspruch hervor. Der gesamte Vorstand der Grünen Jugend ist wegen fehlender linker Politik der Mutterpartei aus der Partei ausgetreten und will einen neuen, linken Jugendverband gründen. Kanzler Scholz musste schon mit Rücktritt drohen, um linke Rebellen an die Kandare zu nehmen. Die Linkspartei ist dabei, in der Versenkung zu verschwinden.
Die wenigen noch existierenden fortschrittlichen Politikansätze gilt es zu unterstützen. Linke Politik und Kultur, die ihren Namen verdient, ist mit einem Namen verbunden: Karl Marx.“
Zum Inhalt der Kunstaktion:
Die Marx-Riegel-Verteilaktion hat zwei Mottos, die an Werbebotschaften der Mars-Riegel erinnern:

Marx bringt verbrauchte linke Energie sofort zurück!

Marx macht mobil, bei Arbeit, Klassenkampf und Spiel!


Ziel der Aktion: Zeichen setzen für fortschrittliche Traditionen, gegen rechten Zeitgeist. Linksdruck gegen Rechtsruck.
Die Riegel werden an Abgeordnete, Passanten und Interessierte verteilt und an prominenten Orten niedergelegt. Sie sind als Kunstwerke in einer Auflage von 68 Stück handsigniert, datiert und nummeriert. Die Aktion wird im Blog www.schuppen68.de dokumentiert.
Im Rahmenprogramm gibt es eine Lesung aus dem Kommunistischen Manifest, ein Revolutions-Quiz mit wertvollen Preisen und einen Schluck Rotwein, Karl Marx Spätburgunder 2013, Weingut Erben von Beulwitz

03.11.2024 – Marxriegel?

Marxriegel vor dem Frankfurter Institut für Sozialforschung? Als Zeichen gegen den allgemeinen Rechtsruck?

Wieder eine Aktion des größten und genialsten zeitgenössischen Instituts für Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, vulgo SCHUPPEN 68?


Vermutlich man muss in Zeiten wie diesen von anschwellender Finsternis, Unbildung und Humanismusabwesenheit ein paar Worte über dieses Institut verlieren. Ob ich sie später mal wiederfinde, steht auf einem anderen Blatt.
Das Institut wurde 1923 vom Kaufmann und Mäzen Hermann Weil gegründet. Schwerpunkte der kritischen Forschung dort waren Kapitalismus und seine Auswirkungen, eng verknüpft damit Faschismustheorie und Antisemitismus, Bewusstseinsindustrie und Verblödung der Massen (vornehm wurde das „Verblendungszusammenhang“ genannt), immer verknüpft mit den sozialpsychologischen Auswirkungen auf die Individuen. Das Institut war Heimat dessen, was diesem Land heutzutage vollkommen abgeht: Kritische jüdische Intelligenz. Siehe auch jüdischer Humor, Ernst Lubitsch und Billy Wilder. Heute haben wir Till Schweiger.
Bekannte Protagonisten wie Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Marcuse mussten im Faschismus in die USA emigrieren. Der klügste Kopf des Instituts Walter Benjamin beging auf der Flucht vor seinen Nazimördern 1940 Selbstmord.
Nach dem Krieg wurde das Institut in Frankfurt von Adorno, Horkheimer und anderen wiedergegründet, war mit seiner kritischen Theorie mit prägend für den Diskurs der Nachkriegszeit in einem Ausmaß, das heutzutage für Philosophen, Sozialwissenschaftler*innen und ähnlich gestrickte unvorstellbar ist. Der 68er Aufbruch ist ohne die kritische Theorie nicht denkbar, bevor er sich dann in Sekten, Renegaten, Antisemiten und Idioten zerlegte. Marcuse war mit seinem offeneren Ansatz, heute würde man sagen: diversen, damals ein regelrechter Popstar der universitären und intellektuellen Szene.
Das alles ist hier extrem verkürzt, unzureichend und ideologisch verfälscht dargestellt und eventuell noch existierende Kenner oder gar Anhänger der kritischen Theorie dürften das hyperventilierend zur Kenntnis nehmen. Gut, dass wir mal angstfrei drüber geredet haben. Angesichts des aktuellen extremen gesellschaftlichen Rechtsrucks, einer grassierenden Faschisierung der Gesellschaft, ist mir wichtig an Traditionen zu erinnern, die in sich den Kern einer besseren Gesellschaft tragen, fast Vergessenes im Sinn einer Dialektik aufzuheben, zu bewahren. Sei es mit solchen Blogeinträgen oder direkten Aktionen.
Grundsätzlich muss man zum Institut für Sozialforschung zweierlei sagen: Kennt und interessiert heute kein Schwein mehr. Das erste Google Angebot, wenn ich „Institut für Sozial … “ eingebe, ist: Institut für soziales Lernen mit Tieren, Dorfstrasse 6, 29690 Lindwedel.
Und: Ohne die Traditionslinie Karl Marx ist das Institut nicht denkbar. Alle führenden Köpfe waren Zeit ihres Lebens Marxisten, mal mehr, mal weniger, mal unorthodox, mal konservativ. Insofern haben Marx-Riegel vor dem Institut dialektische, künstlerische, zukunftsweisende und satirisch-metakritische Berechtigung: Linksdruck gegen Rechtsruck.
Details im Laufe der nächsten Tage hier. Bleiben Sie drin, liebe Lesende!
Paralipomena: Nachdem die Nationalsozialisten im September 1930 bei der Reichstagswahl mit 107 Abgeordneten zweitstärkste Partei geworden war, traf das Institut Vorbereitungen für den Rückzug aus Deutschland und transferierte das Stiftungsvermögen 1931 ins Ausland.
Bei einer wann auch immer stattfindenden nächsten Bundestagswahl wird die AfD zweitstärkste Partei ….
– Wenn, passend zum Karnevalsbeginn, die Jecken im Bundestag am 11.11 dem Scholz das Vertrauen im Rahmen einer Vertrauensfrage nicht aussprechen, weil die Ampelmänner nicht mehr weiter rumampeln wollen, kann der Bundespräsident den Bundestag binnen 21 Tagen auflösen. Dann müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden. Das Wochenende für eine Wahl wäre, je nach BuPrä-Entscheid, der 28./29.12.24 oder 04./05.01.25. Dann wäre Anlassbezogen die Republik entweder schon flächendeckend besoffen oder noch verkatert. Passt.

01.11.2024 – Lebenskrise? Geltungssucht? Übermäßiger Konsum illegaler Drogen?

Heimat im Fahrradkorb, August 2010. In zwei Etappen mit dem Rad von Hannover nach Berlin, Bundespräsident Wulff Brötchen überreichen und den damaligen niedersächsischen MP McAllister um Unterstützung bitten? Bei vielen Medienberichten über mich habe ich nicht mehr die geringste Ahnung, wie ich das damals gemeint habe, was mein Motiv war und was die Zielrichtung, die Aussage des Ganzen gewesen sein soll? Was zum Teufel hat mich damals geritten, mich an zwei derart unsympathische Zeitgenossen ranzuwanzen? Das Beste an McAllister ist seine legendäre Trinkfestigkeit und bei Wulff  … äh… hm… fällt mir partout nichts ein.

Hatte ich damals eine Lebenskrise? War es Geltungssucht? Übermäßiger Konsum illegaler Drogen? Bestenfalls kann das damals ein Feldversuch über die Belastbarkeit von Medien gewesen sein, was die Verbreitung von unterkomplexen Zusammenhängen im medialen Sommerloch angeht.

In nächster Zeit werde ich wieder aktiver. Hintergrund und Ausrichtung werden allerdings von einem kritischeren Impuls getragen als 2010. Dafür stehe ich ein. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!“ (Zitat Uwe Barschel, MP, aber von Schleswig-Holstein. Der Mann hatte wenigstens noch Niveau. Im shakespeareschen Sinne, gegen den war Richard III ein Kuschelsoftie. Barschel wurde vermutlich ermordet, war Drogenabhängig und in Waffengeschäfte verwickelt, mit Bargeldübergabe in der DDR.  

Heutzutage läuft das eleganter. Da wird eventuell das VW-Werk in Osnabrück nicht geschlossen, wie geplant, sondern in eine Panzerfabrik umgewandelt. Eventuell. Vielleicht wird auch eine Sozialsiedlung draus. Das glaube ich aber nicht. Sozial ist im Moment sehr out, Panzer sind sehr in. Und was die Konversion der Fabrik angeht, sollte das niedrigschwellig funktionieren. Der Unterschied zwischen heutigen Autos, SUVs, und Panzern ist nur ein gradueller. Das nächste SUV-Modell von Tesla soll in einer Sonderausstattung eine Luke für einen Bordschützen mit MG haben, getarnt als Schiebedach.

Was Osnabrück angeht, unser derzeitiger niedersächsischer MP, Stephan Weil, wird es schon richten. Den lade ich zu meiner nächsten Aktion am 8.11 ein. Der Mann hat mehr Humor als man gemeinhin denkt.

Hier als ehemaliger OB von Hannover bei einer Scheckübergabe durch Mitglieder des verdienten Kollektivs SCHUPPEN 68 aus dem Erlös vom Verkauf von Witzen zur Sanierung des Stadtsäckels.

31.10.2024 – Ohne Mampf kein Kampf

2009, Kabarett bei der IG Metall, in der Bildungsstätte Pichelsee, herrlich gelegen direkt am gleichnamigen Pichelsee in Berlin. Der Name steht für ein Programm, picheln ohne Ende, wo es doch eigentlich heißen müsste: Lieber Hammern und Sicheln statt Jammern und Picheln. Keine Ahnung mehr, was ich da gemacht habe. Ich weiß nur noch, dass hinterher sich eine Kollegin bei mir bedankt hat, weil sie für zwei Stunden ihren zur Zeit stressigen Alltag vergessen hätte. Sowas bleibt in der Erinnerung.

Stress haben zurzeit auch jene IG-Metaller*innen, die bei VW arbeiten. VW hat einen eigenen Tarifvertrag mit der IG Metall, mehr als 90 Prozent der VWler*innen sind in der IG Metall organisiert, dort herrscht bundesweit einmalige Mitbestimmung und von den Gehältern dort können Prekäre wie Amazon-Auslieferer, die in VW-Transportern unterwegs sind, noch nicht mal träumen. So weit weg sind die von ihrer tristen Knochenmühlen-Realität. Den VW-Beschäftigten schlägt aktuell eine Welle von Neid, Missgunst und Häme, auch und gerade von Prekären, entgegen, weil es deren angeblichen Privilegien und Traumverdiensten jetzt an den Kragen gehen soll, auch zwecks Sicherung des Standortes Deutschland.

Häme ist hier unangebracht und dumm. Wenn die Gewerkschaften aus diesem Kampf als Verlierer hervorgehen, und dafür spricht einiges, wird das vielleicht ein paar Arbeitsplätze bei VW retten, aber gewerkschaftliche Gegenmacht noch weiter schwächen als ohnehin schon. VW hat mit einem hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad gezeigt, was Solidarität und kollektive Gegenmacht erreichen kann, mehr Mitbestimmung, höhere Löhne und größere Arbeitsplatzsicherheit. Wenn diese Gegenmacht an dieser Stelle, in diesem Arbeitskampf gebrochen wird, wird das auf anderen gesellschaftlichen Konfliktfeldern negative Konsequenzen haben. All diejenigen, die jetzt mit Häme reagieren, haben dadurch für sich nichts gewonnen außer negativen Gefühlen für ein paar Momente, die das ohnehin angegriffene Gemüt weiter vergiften, und werden dann verlieren, wenn es ihren Interessen an den Kragen geht. Warum soll das Kapital nicht an anderer Stelle den Knüppel rausholen, wenn es an dieser schon erfolgreich war…

Nicht dass mir der ordentlich bezahlte hiesige VW-Facharbeiter-Adel besonders sympathisch wäre. Was den auszeichnet: Wenig Solidarität mit ausländischen Standorten, noch weniger mit hiesigen Prekären, politische Impulse gehen von der IG Metall im Gegensatz zu früher überhaupt nicht mehr aus, das Führungspersonal ist ähnlich charismatisch wie ein Glas Wasser ohne Kohlensäure und der Mobanteil, also die, die jetzt schon da AfD wählen, wächst überdurchschnittlich. Aber man muss sie ja nicht lieben. Es reicht nüchtern, und sei es am Pichelsee, zu analysieren, was die Konsequenzen wären, wenn dieser Kampf verloren geht. Dass das weiteres braunes Wasser auf die Mühlen der AfD wäre, muss ich meinen Leser*innen, die zu den Klügsten der Republik, ach, was sag ich, des Universums, gehören, nicht weiter erklären. Wer im Lüneburger Raum Zeit und Lust hat, mich als Erklär-Bär zu erleben, kann zum Grünfutter-Frühstück der dortigen Grünen kommen, am 2.11., ab 10 Uhr, Details hier

Ohne Mampf kein Kampf. Alte Gewerkschaftsweisheit. Wobei es bei Betriebsratssitzungen früher immer Feuerwehrmarmelade gab. Meint: Mett. Mt Zwiebeln. Und Bier. Ob’s das beim Grünfutter gibt?

Ich hab da so meine Zweifel…

28.10.2024 – Im ewiggleichen Rhythmus der zyklischen Krisen

Hartz-IV auf dem Silbertablett. November 2019. Immer, wenn die Konjunktur schwächelt, geht die Hatz auf Hartz-IV (heute Bürgergeld) Empfänger*innen los und die Jagd wird dabei immer mit großem Halali vom Zentralorgan für Niedertracht eröffnet. Jede Krise braucht einen Sündenbock.

Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland 1992 bis 2023. Quelle: Destatis.

2018 schwächelte die Konjunktur leicht nach einem außergewöhnlichen 9-Jahre Dauerhoch, und im zweiten Quartal 2019 gab es dann erstmals wieder einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts BIP, um Bruchteile eines Prozentes. Zuverlässig eröffnete daraufhin im vierten Quartal 2019, nach der Sommerpause, unser Zentralorgan die Jagd. Es zerrte irgendeine erbärmliche Wurst in die Schlagzeilen als Beweis dafür, dass Sozialleistungen grundsätzlich den „Schmarotzern“ ein Leben in „spätrömischer Dekadenz“ ermöglichen würden.

Den Ausdruck „spätrömische Dekadenz“ münzte der damalige FDP-Chef Westerwelle 2010 auf Hartz-IV Bezieher*innen.

Westerwelle erkannte in dieser Sozialleistung, von der man und frau – und Kind erst recht –  damals schon nicht leben konnten, „sozialistische Züge“. Kein Wunder, dass der Sozialismus nicht überlebt hat. Westerwelle befand sich 2010 keinesfalls im Delirium, wie Unbedarfte vermuten könnten. Er bewegte sich mit seiner Hetztirade im ewiggleichen Rhythmus der zyklischen Krisen. 2009 hatte es als Folge der Bankenkrise und Lehman Pleite tatsächlich einen dramatischen Konjunktureinbruch gegeben, den größten nach der Weltwirtschaftskrise 1929. (Den Sonderfall Konjunktureinbruch Corona 2020 lassen wir hier mal außen vor).

 Der Blick zurück lässt für die Zukunft von Armen und Sozialtransferbezieher*innen nichts Gutes ahnen. Kaum gab es 2002 einen minimalen Rückgang des BIP, betrieb 2003 die rotgrüne Koalition mit der Agenda 2010 den größten Sozialraub der Nachkriegsgeschichte. Kein Wunder, dass angesichts der minimalen aktuellen Konjunkturrückgänge das Zentralorgan schon länger wieder die Jagd eröffnet hat und die interessierten Fraktionen der veröffentlichen Meinungen und Politiken eine neoliberale Agenda 2030 fordern.

Was soll man da denn noch kürzen, sagen Sie, liebe Leserinnen, einem nackten Mann könne man doch nicht in die Tasche greifen? Das vielleicht nicht, aber man kann ihm das Fell über die Ohren ziehen.

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie sich die Dinge wiederholen und kaum jemand mal in den Rückspiegel schaut. Was sich geändert hat, ist der Jammerton A. Noch nie ist eine Stagnation der Wirtschaft – und mehr ist es nicht, was im Moment stattfindet; wir haben hier nicht 1929 – mit derartig düsteren Weltuntergangstönen orchestriert worden. Was übrigens an nationalökonomischer Dämlichkeit nicht zu überbieten ist, da sich Wirtschaft zu 80 % aus Psychologie speist. Und welcher Metzger, der noch bei Trost ist, stellt sich vor seinen eigenen Laden und brüllt lauthals auf die Straßen: Achtung, Leute, bei mir ist alles Scheiße, alles geht den Bach runter, mein Laden ist nicht mehr konkurrenzfähig…?!

So blöd kann doch kein Metzger sein. Aber die Ampelmänner schon….

Die alten Klageleiern, die jetzt mal wieder abgenudelt werden, heißen: Deutschland, der kranke Mann im Universum. Und: Alle Firme wollen sofort abwandern. Sie wissen nur noch nicht wohin, Nordkorea oder Sudan.

So deprimierend langweilig diese ständige Wiederkehr des ewig gleichen Untergangssounds ist, so wirksam ist sie. Der Mob tutet nämlich ins gleiche Horn und wählt sich der Einfachheit halber seine Metzger gleich selber, was das Fell-über-die-Ohren-ziehen enorm erleichtert. Vor der nächsten Bundestagswahl kann einem nur gruseln.

What’s left? Die Zahl der Milliardäre in Deutschland von 2001 bis 2023 ….

27.10.2024 – Was wäre, wenn …?

Frankfurt, Skyline.

Eine der schönsten Fragen, die wir uns in Mußestunden stellen können, und die Thema zahlreicher Filme, Bücher etc. ist, lautet: Was wäre, wenn …?

Beim Flanieren durch Frankfurt (Dank für die vorzügliche Führung an Chris. War Welt!) ging mir durch den Kopf, was wohl aus Berlin geworden wären, wenn Frankfurt heute Hauptstadt wäre.

Dazu ein Blick in den Rückspiegel: Die Abstimmung zwischen diesem unsäglichen Provinzkaff Bonn und Berlin als Hauptstadt nach der Annexion der Ostzone war denkbar knapp, mit 338 zu 320 Stimmen für Berlin.

Ursprünglich sollte nach dem Krieg statt Bonn natürlich Frankfurt Hauptstadt der BRD werden. Berlin kam damals auf Grund des Viermächte-Status nicht in Frage. Frankfurt war zentral gelegen und hatte, was Bonn nicht hatte: Mit der Paulskirche das demokratische Symbol der BRD schlechthin, eine vielfältige Kultur- und Wirtschaftstradition und eine halbwegs funktionierende städtische Infrastruktur.

Da der damalige Bundeskanzler Adenauer aber keine Lust auf die weiten Reisen nach Frankfurt hatte (er wohnte in der Nähe von Bonn und war damals schon fast 100), wurde die vorhandene parlamentarische Mehrheit für Frankfurt durch Lügen, Intrigen und Bestechung umgedreht. An hundert Abgeordnete flossen insgesamt 2 Millionen DM. Sehr, sehr schön und regelrecht erhaben in seiner filigranen Dreistigkeit ist der Satz im Wikipedia-Eintrag dazu: „Wie das die Abstimmung tatsächlich beeinflusste, ist nicht bekannt.“

Dann ist ja alles gut. Was in der damaligen Ostzone zu jener Zeit der stalinistische Druck besorgte, regelte bei „uns“ in der BRD der diskrete Charme des Bestechungsgeldes. Weshalb unser System dem anderen überlegen war.

Im Eintrag des Bundestages über die Hauptstadtfrage findet sich zu dieser Angelegenheit übrigens kein Wort . Nichts gesagt ist auch gelogen.

Normalerweise wäre also Frankfurt Hauptstadt der BRD geworden. Und es auch geblieben. Mittlerweile war es eines der Finanzzentren der „freien“ Welt geworden, eine bunte Metropole, mit perfekter Infrastruktur, der größte Flughafen der BRD, immer noch zentral gelegen, und keinesfalls wie Berlin der drohende Vorposten eines möglichen Wiedererstarken des preußischen Militarismus, gegen den Osten. Soviel Bestechungsgeld hätten die paar Berliner Hanseln und Greteln gar nicht zahlen können, um die völlig verrotteten Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Mitte und das Türkenghetto Kreuzberg zur Hauptstadt der Republik zu machen. Was ja auch mit einem gigantischen Kosten- und Bauaufwand verbunden wäre: Der Hauptbahnhof, der BER, das Regierungsviertel, die Unterkünfte für das politische Personal und jahrzehntelang müsste man die Mainstream-Kulturszene (Drei Opern!) pampern, damit die Hauptstadt der Welt etwas anderes zeigen kann als die verrottete Punk- und Tekknoszene der Nachkommen der Bundeswehrflüchtlinge.

Frankfurt also. Heute sicher eine Millionenstadt, urbanisiert bis in die Höhen des Taunus, noch unbezahlbarer als ohnehin, als Finanzzentrum noch vor London und eine gigantische Skyline am Main.

Und Berlin? Einfach wunderbar. Bezahlbare Mieten, überall noch Spuren des zweiten Weltkriegs, Brachland am Potsdamer Platz, das Regierungsviertel unbeseelt, Mitte, Prenzlau und Fuckhain dämmern vor sich hin, mein Bergmannstrassen-Kiez wäre eine halbwegs ruhige Chillzone für die Locals, und SO 36 würde nicht überflutet von saufenden, kotzenden Billigflieger-Prolls aus aller Welt.

 Und ich würde mit ein paar Gleichgesinnten im Hades, dem türkischen Imbiss in unserem Haus, radikale Alternativkultur aushecken.

Es ist, wie es ist. Was soll’s. Muss ja.

25.10.2024 – Anlageberatung für vermögende Leserinnen

SCHUPPEN 68-Aktion zum Ihmezentrum, seit Jahrzehnten Spekulationsobjekt diverser Gauner und Halunken, zuletzt von Lars Windhorst. Den Begriff Heuschrecke würde ich heute nicht mehr verwenden, da er als antisemitisch verstanden werden kann. Details zur damaligen Heuschreckendebatte hier.  Das Hausverbot damals wurde von finsteren Security-Schergen überwacht, die in mir jeden Anflug von zivilem Widerstand im Keim erstickten

Man lernt halt nie aus. Was aber lernt uns die derzeitige ökonomische Situation in Bezug auf ihre politischen Auswirkungen? Da bin ich etwas ratlos. Fangen wir mal normal an. Der Goldpreis schwingt sich von einem Allzeit-Hoch zum nächsten, allein im letzten Jahr hat er um 40 % zugelegt. . Normal, Gold ist eine Krisenanlage und wir leben im Zeitalter von Polykrisen, kein Ende abzusehen. Wenn Kriege, Seuchen, Katastrophen, Inflationen herrschen und Aktienkurse und Immobilienpreise einbrechen, flüchtet alle Welt (na ja, die, die Kohle hat) in Gold. Gold wird immer einen Wert haben, weil es einen Mythos hat, über den globale Übereinkunft herrscht, und es ist als materieller Wert nicht beliebig vermehrbar. Bisher galt eine Regel: Wenn die Wirtschaft brummt, steigen die Aktienkurse und der Goldpreis sinkt. Und umgekehrt. Diesem Gesetz zufolge müssten die Aktienkurse seit einem Jahr im Sinkflug sein. Und was macht der DAX, der Deutsche Aktien Index? Schwingt sich seit einem Jahr von einem Allzeit-Hoch zum nächsten. Hat allein im letzten Jahr um 30 % zugelegt. So ein Frechdax. Hält sich nicht an die Regeln.

Das ist eine blödsinnige Formulierung. Es gilt das oberste Gebot des Kapitalismus: Der Markt hat immer recht. Also folgt der DAX einer, wenn auch spekulativen, Gesetzmäßigkeit. Aber welcher? Die Wirtschaft ist im Keller, wir haben Rezession, Massenentlassungen, Firmen wandern ab, Auftragseingänge brechen ein, die Stimmung ist verheerend (nicht bei denen, die Gold besitzen!), die Politik ist in einem schrecklichen Zustand und die einzig realistische Perspektive, Zukunftsaussicht: Schlimmer geht immer. Da sich der DAX-Kurs nicht aus der gegenwärtigen oder gar vergangenen ökonomischen Situation ergibt, sondern immer aus den Zukunftsaussichten der Unternehmen, bin ich etwas ratlos. Weiß der DAX etwas, das ich nicht weiß?

Dem DAX geht es ausschließlich um die Gewinne der Konzerne, für die gesellschaftliche Situation ist er ebenso blind wie für die Konsequenzen am Arbeitsmarkt oder die Arbeitsbedingungen, hier oder weltweit. Wer es mit Moral hat, soll in die Kirche gehen.

Also ist die einzige Erklärung, die ich für den bisherigen Kurs des DAX habe: Der Markt schätzt die Profitaussichten der Konzerne trotz Krisenzeiten gut bis blendend ein. Digitalisierung, Rationalisierung, Senkung der Lohnkosten durch Massenentlassungen, erwartete Steuersenkungen, erhöhte staatliche Subventionen, Abbau von Sozialleistungen und Lohnnebenkosten und – über allem: verstärkter Einsatz von KI, ein vermutlich monströser Arbeitsplatz-Vernichter und extremer Profitbooster.  Das alles scheint (!) den DAX zu beflügeln.

Aber sicher bin ich mir da auch nicht. Ich bin ja nicht der Markt. Nur bei einem bin ich mir ziemlich sicher: Wenn sich die Anzeichen für eine Wiederkehr der Massenarbeitslosigkeit weiter verdichten, wird das ein massiver Treiber für Faschismus. Siehe 1929 bis 1933/45. Was dem Markt moralisch egal ist. Siehe Aktie der Waffenschmiede Rheinmetall, die sich in nur einem Jahr fast verdoppelt hat. Wer Rheinmetall im Portfolio hat, kann sich glücklich schätzen. Sonniges Wochenende, liebe Leserinnen und Portfoliobesitzerinnen.

24.10.2024 – Kriegstreiberei.

Rosen im Herbst.

In München steht ein Hofbräuhaus. Und in Rostock demnächst ein Nato-Hauptquartier. Während ersteres nur ein Verbrechen gegen den guten Geschmack darstellt, ist letzteres ein Bruch des Völkerrechts und ein Akt der Kriegstreiberei. Zu den Fakten: Der Zwei plus Vier-Vertrag vom 12. September 1990 regelte die deutsche Wiedervereinigung und stellte als Ersatz für einen Friedensvertag das Ende des 2. Weltkriegs dar. Dort heißt es in § 5 : „Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands (der ehemaligen DDR, d. A.) weder stationiert noch dorthin verlegt.“

Die Installation eines Nato-Hauptquartiers mit Angehörigen von Streitkräften der Nato-Mitglieder in Rostock verstößt eklatant gegen diesen Vertrag. Das ist ein Bruch des Völkerrechts durch die Nato, wie auch schon die Luftangriffe der Nato im Jugoslawienkrieg es waren.

Putin, man kann es nicht oft genug sagen, ist ein Imperialist und gehört vor ein Kriegsgericht, nach seinem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine. Aber so zu tun, wie es hier in breiten Teilen der veröffentlichten Meinung geschieht, als sei auf der Gegenseite die Nato eine Mischung aus Caritas und Greenpeace, mit einer Generalsekretärin Mutter Teresa und die Speerspitze der Friedensbewegung, ist eine Mischung aus Dummheit und Zynismus.

Je mehr ich von dieser Wagenknecht Truppe BSW, dieser Wiedergeburt leninistischer Kaderparteien, mitkriege, desto unsympathischer wird die mir. Aber in Sachen Frieden haben die recht. Seit dem Scheitern der Istanbul-Gespräche, mitverschuldet von Mitgliedern der Nato, vorneweg der unzurechnungsfähige Politclown Boris Johnson,  torpediert die Nato dringend notwendige Initiativen für einen Frieden in der Ukraine und forciert stattdessen die Konfrontation, siehe Rostock und die geplante Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland. Eine Stationierung hinter der Elbe wäre übrigens ein weiterer Bruch des Völkerrechts.

Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte. Es war nach der Wiedervereinigung völlig unstrittig, dass sich die Nato nicht nach Osten erweitern dürfe. Zitat:

„ … hat Genscher am 31. Januar 1990 in einer großen Rede bei der prominent besetzten Veranstaltung zur Zukunft der beiden Deutschlands, u. a. mit Willy Brandt und Günter Grass,[91] in der Evangelischen Akademie Tutzing beispielsweise von der NATO gefordert: „Sache der NATO ist es, eindeutig zu erklären: Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben. […] Der Westen muss auch der Einsicht Rechnung tragen, dass der Wandel in Osteuropa und der deutsche Vereinigungsprozess nicht zu einer Beeinträchtigung der sowjetischen Sicherheitsinteressen führen dürfen.“[92]

Seit Jahren nun aber steht die Nato, auch das ein Bruch völkerrechtlicher Verfahrensweisen, an den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion.

Man muss Putin nicht mögen, aber zumindest versuchen ihn zu verstehen, sollte man schon. Wer das nicht tut, muss sich fragen lassen, was für ein Interesse er vertritt. Fazit: Der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist auch bei uns wieder ein Stück näher gerückt nach Rostock. Schritt für Schritt ….

 Gegen die Stationierung amerikanischer Pershing 2 Raketen demonstrierten in der BRD in den Achtzigern Millionen. Ich bin gespannt, wie viele es dieses Mal werden, wenn es soweit ist. Ein paar Tausend vermutlich. Was tröstend bleibt, ist der Anblick und Geruch von Rosen, die immer noch üppig aufblühen. Ich glaube, die Menschwerdung war erst in dem Moment abgeschlossen, als der erste Mensch lernte, die Schönheit einer Rose zu genießen. Von da ging’s bergab….

22.10.2024 – Armut, Medien und Eitelkeiten

Kegel-Aktion gegen Sparpolitik, Landesarmutskonferenz Niedersachsen in der City von Hannover, zum Weltarmutstag am 17.10. Details hier in der dpa Meldung bei der Süddeutschen.

Die Aktion war gegen 14 Uhr beendet. Die Meldung ging via dpa bundesweit um 14.24 Uhr viral. Im Foto oben rechts ist der dpa Fotograf zu sehen, wie er während der Aktion seine Fotos per Handy an die dpa-Redaktion schickt. Der Text dort war auf Basis unserer PM vom 11.10.2024 vorformuliert. Text und Foto wurden dann noch während unserer Aktionen an alle Redaktionen bundesweit gemailt.

Die übernehmen das, je nach Interesse, direkt und unbearbeitet aus dem dpa-News-Kanal. Deshalb ist der Goldstandard einer Pressemitteilung, sie so zu formulieren, dass sie bei der dpa, der Deutschen Presse-Agentur, auf Interesse stößt. Gleiches gilt für den epd, den Evangelischen Presse-Dienst, der der Thematik der Landesarmutskonferenz mit am nächsten steht. Der hatte bereits am 11.10 auf die Aktion hingewiesen

Wenn andere Medien noch größeres Interesse haben und die Aktion nach guten Bildern und Erzählungen aussieht, schicken sie eigene Vertreter*innen, wie oben in der Bild-Mitte rtl und links SAT 1 mit ihren Kamerateams. Hier der Film. Wenn Sie, liebe, Leserinnen, also für ein Anliegen via Medien werben wollen und auf einen Schlag damit Millionen erreichen wollen, erzählen Sie eine gute Geschichten und produzieren starke Bilder, die Ihr Anliegen sofort auf den Punkt bringen. Ob das was nützt, ist eine andere Frage. Aber erfolgversprechender als ein Info-Tisch mit Hundert Büchern und Millionen Flugis ist es allemal.

Es war also alles wie üblich in den letzten Jahren am Weltarmutstag, Aktion, Medien, auch der Sozialminister war gezwungen, öffentlich Stellung zum Thema zu beziehen. Er war nach besten Kräften bemüht ….

Eins war anders

Ich war nur im Hintergrund. Das erste Mal war mein Nachfolger verantwortlich. Hat er excellent gemacht, er hat ja auch den besten Coach der Welt…. Ich war gespannt, wie sich das für mich anfühlen würde, das erste Mal, dass ein anderer bei sowas sein Gesicht in die Kameras der Welt hält. Ich schätze den Rummel mit Medien durchaus – und das ist noch untertrieben. Beruhigt stellte ich fest, dass sich meine Eitelkeit auf ein Normalmaß reduziert hat. Es war mir egal, dass ich nicht den Welterklärer spiele. Hauptsache, Fabian, mein Nachfolger, macht es gut. Und das macht er. Da spielt natürlich auch eine Rolle, dass wir befreundet sind und auch so zusammen abhängen, obwohl uns Jahrzehnte trennen. Ich vermute, einen Idioten hätte ich von der Kamera weg gemobbt, nach dem Motto: „Von Dir Loser lasse ich mir mein Lebenswerk nicht kaputtmachen“.

Bei aller Egowahrnehmung aus gegebenem Anlass hatte ich aber vor Ort den Blick nach außen nicht ausgeschaltet. Wir stehen dort immer am gleichen Ort, direkt neben einem Abfallbehälter. Früher kamen während einer Aktion immer zwei, drei Leute vorbei und durchsuchten den. Mittlerweile ist das ein steter Strom, einer nach der anderen …. Vielleicht sollte sich der Sozialminister mal ein, zwei Stunden dazu stellen.  Auch an den Abfallbehältern entscheidet sich die Entwicklung der Demokratie…        

19.10.2024 – Über das Prekariat oder: Wie der Schriftsteller Clemens Meyer einmal den Mond anheulte

Der sehr erdnahe Mond leuchtete neulich den Garten hell aus, fast unheimlich.

Fast unheimlich ist auch die Existenz eines riesigen Prekariats in Deutschland, einem der reichsten Länder Erde. Ein einziger Mensch, der Unternehmer Kühne, besitzt so viel Vermögen wie der gesamte Etat des Landes Niedersachsen für 2025, 44 Mrd. Euro. Wahrscheinlich hat er noch viel mehr. Nichts ist so schlecht ausgeleuchtet wie die Vermögensverhältnisse der Superreichen. Fast genauso schlecht ausgeleuchtet in Deutschland sind die Lebensbedingungen des Prekariats, das an die Stelle der Arbeiterklasse getreten ist. Mit allen politischen Konsequenzen, die auf der Tagesordnung stehen.

Rund sieben Millionen Erwerbstätige arbeiten in Deutschland in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, also zum Beispiel nicht in Vollzeit oder unbefristeter Anstellung. Das sind 20,9 Prozent der insgesamt 33,4 Millionen abhängig Beschäftigten, die in Leiharbeit, Teilzeit, Minijobs, Befristung arbeiten. Und oft arm trotz Job sind. Dazu kommen noch kleine Selbstständige, die an der Armutsgrenze lavieren, und Hunderttausende Scheinselbstständige bei Lieferdiensten oder in der Fleischindustrie. Die Fleischindustrie, Schwerpunkt Schweinegürtel in Niedersachsen, gleicht einer Mafia. Dort werden die Menschen, mehrheitlich osteuropäische Arbeitssklaven, bis aufs Blut ausgebeutet (von den Tieren ganz zu schweigen) und wer dagegen seine Stimme erhebt, wird beschimpft und bedroht. Hier erreicht die „christliche“ Union noch zuverlässig absolute Mehrheiten, zum Wohle der Schweinebarone dort. Böse Zungen behaupten, in den Schlachthöfen der Gegend würden die falschen Schweine zerlegt. Nicht gerade christlich formuliert, aber der Zynismus liegt mehr in der Realität dort vor Ort als in solchen Worten.

Zum Prekariat müssen wir noch die klassischen Armen, Arbeitslose rechnen, und jene, die ein Normalarbeitsverhältnis haben und mit ihrem Niedriglohn trotzdem am Ende des Monats einen leeren Kühlschrank haben. So dass es nicht Wunder nimmt, dass ca. 40 Prozent aller Haushalte in Deutschland keine Rücklagen für eine Notsituation haben, nicht mal eine Woche überbrücken können. Zustände, von denen weder die politische Klasse noch die gutverdienenden Eliten und Funktionsträger eine Vorstellung haben. Und auch keine wollen.

Das Prekariat besitzt kein Klassenbewusstsein wie die Arbeiterklasse früher, keine politische Organisation wie z. b. eine Partei oder Interessenvertretung wie Gewerkschaften, keinen medialen Einfluss, natürlich keine Führungspersönlichkeiten, wie z. b. Klimabewegungen sie haben, keine Bündnispartner in der Zivilgesellschaft. Das, was das Prekariat hat, ist Hoffnungslosigkeit, Angst, Verzweiflung, Wut. Preisfrage: Was kommt bei einem derartigen Cocktail wohl politisch am Ende hinten raus? Mit Sicherheit nichts Grünes ….

Zum Prekariat gehören in der überwältigenden Mehrheit auch Kulturschaffende der Republik. Wie der Schriftsteller Clemens Meyer. Der kriegte auf der Frankfurter Buchmesse einen Wutanfall, weil er den Buchpreis nicht kriegte, obwohl er darauf gehofft hatte. Wie seine Mitbewerber*innen auch. Meyer heulte daraufhin die Konkurrenz, den Kulturbetrieb und den Mond wie folgt an, und verließ tobend die Veranstaltung: „  … Schande für die Literatur, dass mein Buch den Preis nicht bekommen hat. Und dass es eine Scheiße ist, eine Unverschämtheit.  .. Wichser … etc. pp …“

Meyer hat Schulden, die er mit dem Preis hätte tilgen können, eine teure Scheidung am Laufen und, laut Wikipedia : „ … Er ist leidenschaftlicher Fan und Förderer des Galopprennsports. Ihm gehörten mehrere Rennpferde … „

Von einem gesellschaftlichen Engagement zur Verbesserung der Lebensverhältnisse des Prekariats hierzulande seitens Herrn Meyer, der mit Preisen bisher überhäuft wurde, ist nichts bekannt.

Wenn Sie, liebe Leserinnen, wissen wollen, warum ich hier mitunter gegen jene Fraktion des Prekariats, nämlich die Kulturschaffenden, wüte, hier haben Sie es hier präzise auf den Punkt gebracht. Meyer, eine erbärmliche, bewusstseinslose Wurst, ein niveauloser Jammerlappen, wie er im Buche steht. Mein Rat an Kollegen Meyer: Versuch’s doch mal mit Arbeit.