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10.03.2024 – 300

Nicht in Berlin und mehr als 300.

In Berlin sind laut Spiegel knapp 300 Menschen auf die Straße gegangen, um ihre Sympathie für die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette und ihre Komplizen auszudrücken.

Wenn die Medien über jede Demo in Berlin mit 300 TN berichten würden, kämen sie zu nichts anderem. In Berlin, und das ist das sympathische an der Stadt, kriegt man für jeden obskuranten Blödsinn Dutzende, Hunderte zusammen. Eine meiner Lieblingsseiten ist die tägliche polizeiliche Auflistung der Aufzüge in Berlin. Hier ein paar Beispiele: „Der Schlüssel zur Versöhnung mit Gott“ – Jesus Christus“ über „Volksdemo Halt Stop Es reicht!“ bis „Mindestpreise für appbasierte Mietwagen, funktionierende Verwaltung“ und natürlich mit meiner regelmäßig wiederkehrenden absoluten Lieblingsdemo in der Stargader Str. von 17.30 -20.30 Uhr: „der garten, da jesu verraten wart. hier gedenken wir, dass auch michael & peter von hanselm & hendrik abfielen.

300 sagt in Berlin gar nichts aus über gesellschaftlich real verankerte Quantitäten. Es gibt keine Solidarität mit der RAF. Die RAF ist ein Zombie, ein Untoter, der von interessierten Medien beschworen wird, wodurch leider von den realen Schweinereien und Problemen für Millionen abgelenkt wird. Es gibt keine reale radikale Linke mehr und also auch keine Perspektive eines wie auch immer gearteten revolutionären Kampfes gegen das System. Es gibt nur noch eine bürgerliche Demokratie, die es bei allen Bedenken gegen den Faschismus zu verteidigen gilt.

Solidarität ist eine ethisch-politisch begründete Haltung der Verbundenheit und Unterstützung von Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Von diesen ist in der BRD 2024 im RAF-Sinne nichts existent. Was es gibt, ist vielleicht sowas wie Sympathie und Empathie mit Klette, Staub und Garweg als Individuen. Gefühle, die sich eher aus popkulturellen denn politischen Quellen speisen dürften. Bilder, Mythen, Legenden aus der Bibel wie „David gegen Goliath“, aus Western wie „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ und aus den damals allgegenwärtigen und den heute noch funktionierenden grundsätzlichen Mythos von „Sex and Drugs and Rock’n Roll“ oder „Live fast and die young“. Mythen, die nach Leben und nicht nach Moral fragen.

Wie stark der Mythos von David gegen Goliath zu Hochzeiten der RAF wirkte, beschrieb der Nobelpreisträger Heinrich Böll in seinem Essay von 1972 über die damals herrschende Terrorhysterie „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ wie folgt: „Kein Zweifel – Ulrike Meinhof lebt im Kriegszustand mit dieser Gesellschaft. Es ist inzwischen ein Krieg von 6 gegen 60 Millionen, ein sinnloser Krieg.“

Der Aufsatz liest sich in seiner Solidarität mit der RAF heute schräg, aber so wurde zigfach in der linksliberalen Öffentlichkeit von Kultur, Medien, Unis etc. in einem heute unvorstellbaren Ausmaß gedacht und mitunter auch gehandelt.

Die Reaktion des Staates: „Der Staat hat im Grunde die Fassung verloren. Wir sind den Terroristen auf den Leim gegangen.“ Gerhart Baum (FDP), 1972 parlamentarischer Staatssekretär im Rückblick.

Das Scheitern der Einen damals, der revolutionären Gewalt, ist der Erfolg des Anderen heute, der Möglichkeit und Praxis von Überwachungstechnologie des Staates und seiner Nachfolger, der multinationalen Techgiganten.

Nachtrag 1: Der Mythos von David gegen Goliath ist übrigens ein falsch konstruierter. Goliath hat in dieser Geschichte niemals eine Chance, weil er sich auf veraltete Militärtechnologie stützte, das Nahkampf-Schwert. David muss sich niemals auf den Nahkampf einlassen mit der neuesten Technologie, einer Lenkwaffe: der Schleuder.

Nachtrag 2: „300“ ist der Titel eines gewaltverherrlichenden Films mit faschistischen Tendenzen , der den Mythos vom heldenhaften Widerstand einer winzigen Zahl von Griechen (Spartaner!) in der Schlacht an den Thermopylen gegen eine Übermacht der Perser verherrlicht. Abendland gegen Asylantenfluten. Der Film war 2007 ein überwältigender kommerzieller Erfolg.

08.03.2024 – Hunde, die letzten Freunde der RAF

Fukamushicha. Erst hab ich Fukushima gelesen, nach dem AKW-GAU. Toll, ein Name wie ein Tsunami, dachte ich, der Tee überrollt einen förmlich. Dann habe ich als Linguist das mir unverständliche Wort in seine Bestandteile zerlegt. Von hinten anfangen: Cha heißt Tee. Klare Sache. Beim Rest kam ich ins Grübeln. Anyway, schmeckt sehr lecker, intensiv, langer Nachklang und Abgang.

Vom Flachen ins Tiefe, in die Tiefe der Gemütslage der Nation. Warum ticken große Teile der Nation so? Also im Prinzip tickende Zeitbomben. Bis unter die Halskrause mit Hass auf alles Andersartige. Andersartig, bunter, schöner als ihre eigene Erbärmlichkeit, die sie ahnen, bei sich selbst und ähnlich Tickenden förmlich riechen. Das nennt man Stallgeruch. Wer früher bei den Sozis keinen Stallgeruch hatte, als Proletarier oder ähnliches, der hatte es schwierig auf dem Weg von links unten nach rechts oben. Heute sollten die SPD-Rest-Karrieristinnen lieber nach Lehrerzimmer riechen.

Der Hass gründete also vermutlich, genau weiß ich es nicht, man steckt halt nicht drinnen und das ist auch gut so, in der Ahnung der eigenen Erbärmlichkeit und damit der Abwehr, Verdrängung und Fremdprojektion dieses Zustandes. Erleichternde Umkehraggression, dem Fremden wird all das unterstellt, was man in sich selber fühlt: Gewalt, Niedertracht, Verrohung, Vergewaltigung.

Das allein reicht natürlich nicht. Es braucht zusätzlich Leute, die zwar ebenso niederträchtig sind, aber das auch noch zu Papier bringen dürfen, auch wenn sie nicht schreiben können, und mit ihrem ehrlosen Handwerk Millionen Zeitbomben Schritt für Schritt mannscharf zurichten: Fass den Fremden, Bello. Oder Blondie. So hieß Adolfs vielgeliebter Schäferhund, den er vor seinem Selbstmord vergiften ließ.

Einer dieser furchtbaren Zurichter nennt sich Wagner und erbricht sich regelmäßig im Fachblatt für Lügen, so am 3.3 über die, was sonst, RAF, wie folgt:

„Post von Wagner. Hunde, die letzten Freunde der RAF

03.03.2024 – 22:24 Uhr

Die gefasste Ex-Terroristin Daniela Klette hatte einen, auf den Fahndungsfotos nach ihrem Komplizen sehen wir den Terroristen Burkhard Garweg mit drei Hunden. Sind die RAF-Terroristen tierlieb geworden? Tierlieb war Hitler auch. Ich glaube, ohne Hunde hätten die Terroristen auf der Flucht nicht überlebt. Selbst der Kaltblütigste braucht Nähe. Ein Hund, das ist das Wichtigste, kann nicht sprechen. Ein Hund verrät mich nicht. Mit einem Hund bin ich nicht allein. Die Hunde wissen nichts von mir.

Es heißt, Hunde sind die besten Freunde der Menschen. Es fällt auf, dass so viele Obdachlose Hunde haben. Man muss es wirklich sagen, es ist das Letzte, was sie haben. Die RAF, kann man jetzt sagen, ist auf den Hund gekommen. Was ich den Hunden raten möchte, ist: Lauft jaulend weg. Sie haben Maschinengewehre, Bomben und ihr habt nur eure treuen Augen.

Herzlichst, Ihr Franz Josef Wagner“

Tierlieb war Hitler auch. Es war eben nicht alles schlecht von Hitler. Nur der Mord an Blondie, das war echt ne Schweinerei.

Aus der 40 qm Wohnung von Daniela Klatte holt das LKA Niedersachsen nach vielen Tagen immer noch Kisten und Tonnen mit Beweismaterial raus. Gerade frisch gefunden. Unter anderem einen Störsender. Was man halt so braucht als Terroristin im 30jährigen Ruhestand. Jede Wette, am Wochenende kommen die da aus der Wohnung mit einem Panzer rausgefahren. „Chef, den haben wir gerade unter der Spüle gefunden“.

06.03.2024 – Am Ende der Jagd steht das Recht. Oder: Die Russen in Prag.

Ackerwinde im Vorkeimer. In Pflanzanleitungen werden oft noch veraltete Vegetationsperioden angegeben, die Vegetationsphase beginnt auf Grund des Klimawandels bei uns mittlerweile bis zu drei, vier Wochen früher. Das teste ich gerade aus, indem ich den oft empfohlenen Auspflanzzeitpunkt vorziehe. Willkürlich gewählte Pflanzen, alles selbst erzeugte Samen, aus dem Vorkeimer wie Ackerwinde, Marihuana, Quitte, Sonnenblume „Goldener Neger“ kommen in einem Feldversuch vier Wochen vor der Zeit ins Freie. Nur die Harten kommen in den Garten. Und nur die ganz Harten kommen da auch wieder raus.

Vorkeimer = irgendein Behältnis mit Erde oder Watte, anfeuchten, Samen rein, Plastikbeutel drum, auf die Heizung, fertig ist das Treibhaus.

Der Zeitpunkt zur Legalisierung von Marihuana ist vom Oberdrogi Lauterbach mit dem 1. April gut gewählt, da können die Jungs problemlos vorgekeimt und danach rausgesetzt werden. Nennenswerter Frost vor den Eisheiligen gibt es kaum noch und in Städten schon gar nicht. No risk, no fun.

Selbst gekeimten Pflanzen bei Wachsen zuzusehen, hat etwas transzendent-kontemplatives. In diesen rasenden Zeiten einem uralten Naturprinzip beim Werden beizuwohnen, wirkt zumindest bei mir sedierend, mit einer Art von Zärtlichkeit, die meinen allgegenwärtigen Groll auf diese Welt am Abgrund mildert. Bis zu dem Breaking News. Dann kommt die Hasskappe wieder drauf.

Es gibt etwas, das über uns hinausweist, eben Transzendenz. Nichts Göttliches, sondern etwas Kreatürliches. Diese Vorstellung nennt man übrigens Pantheismus . Die einzige Form von Theismus, der ich was abgewinnen kann.

In der Natur gibt es keine Gerechtigkeit, sondern Evolution. In der Welt hingegen streben wir nach Gerechtigkeit, und Revolution, also der qualitative Sprung über mehrere Stufen organischer gesellschaftlicher Entwicklungen hinweg, ist ein praktiziertes Mittel in der Zivilisationsgeschichte. Unabhängig davon, wie das normativ bewertet wird. Am Ende der Jagd auf die noch zwei gesuchten Angehörigen der Dritten Generation steht das Recht. Es wird zu einem Prozess kommen. Inwieweit das Recht dann der Gerechtigkeit genüge tut, ist eine weitere Frage.

Wenn es etwas in unserem Staat gibt, dem ich vertraue, dann ist es die Justiz. Wir haben zwar eine Klassenjustiz, die grundsätzlich die Interessen der Herrschenden vertritt. Aber die Justiz ist keinesfalls ein kohärentes Wesen, sondern in sich widersprüchlich, besteht wie die Gesellschaft aus diversen Schulen, Fraktionen, Interessen. Eine jüngere Richterin aus Berlin wird in einem Vergewaltigungsprozess das Recht anders interpretieren als ein Richter kurz vor der Pension aus Oberbayern. Ein konservativer Richter mit Aktienvermögen und Hausbesitz wird das Recht in einem Mietprozess anders interpretieren als eine linke Richterin, die in ihrer Freizeit auf Antifa-Demos unterwegs ist. Richter*innen sind subjektive Wesen, Emotionen und Ideologien unterlegen, auch wenn unserer Rechtsphilosophie fälschlicherweise als Grundlage der Idealfall einer über allen subjektiven Faktoren schwebenden Objektivität zugrunde liegt. In diesem ambivalenten Spannungsfeld liegt die Chance auf Gerechtigkeit im Prozess gegen Klette, Staub und Garweg.

Auf diesen Prozess bin ich gespannt. Unter anderem, weil dort auch die Schießerei zwischen GSG 9 und RAF in Bad Kleinen eine Rolle spielen wird. Was da passierte und immer noch im Nebel der Verschleierung liegt, toppt jeden Krimi.  

Kannste Dir nicht ausdenken. Zeugen haben gesehen, wie ein GSG 9 Angehöriger den wehrlos am Boden liegenden RAFler mit Kopfschuss ermordeten. Das haben sie später widerrufen. Warum? Zitat: „Es ist bis heute umstritten, ob er sich den Schuss selbst in auswegloser Lage zufügte oder – so die Eltern und Unterstützer Grams’ – ob nacheilende GSG-9-Beamte, möglicherweise aus Rache für den sterbenden Kollegen Michael Newrzella, Grams bereits auf dem Gleis liegend dessen Waffe entwanden und ihn erschossen.“

Versöhnlicher Schluss: Unsere ermittelnden Jungs vom LKA Niedersachsen führen sich in Berlin bei der Jagd auf wie, Zitat: „Die Russen in Prag“

Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen.

05.03.2024 – Ab jetzt bleibt nur zu hoffen, dass die Jagd unblutig endet.

Impression am Meer. Alles im Nebel.

Jeder Tag, den die beiden Protagonisten der nebulösen Dritten Generation bei der Jagd auf sie durchhalten, ist ein kleiner Triumph über das System. Wer Bilder des famosen Westerns Butch Cassidy and the Sundance Kid“ im Kopf hat, weiß, wem die Sympathien gehören . Robert Redford und Paul Newman bildeten in dem Film von 1969 als Outlaws auf der Flucht vor dem Gesetz ein liebenswertes Duo, dass als Gegenpol zum albernen Affen und Halbfaschisten John Wayne jede Menge Westernstereotypen quasi im Vorbeiflanieren dekonstruierte. Das Ende: Der Kugelhagel des Repressionsapparates.

Ein ähnlicher Kugelhagel, nur viel chaotischer, fand beim legendären Shootout am Bahnhof in Bad Kleinen 1993 statt, beim Zugriff der GSG 9 auf Angehörige der Dritten Generation. Auch hier ist die zugängliche Quellenlage zweifelhaft, nebulös, wie bei allem über die Dritte Generation., Vergleichbar vom Legendenstatus ist die Ballerei mit der Schießerei am OK Corral , bei der Wyatt Earp, eigentlich Sheriff, aber ein ganz normaler Gauner, mit seiner Bande drei Mitglieder einer anderen Bande erschoss. Einziger Unterschied der beiden Shootouts: Die GSG 9 stellte sich wesentlich dämlicher an, verballerte erheblich mehr Munition, brauchte mehr Zeit, hatte mehr Unbeteiligte angeschossen und eigene Verluste.

Western sind nicht so mein Ding, zu viel dicke Hose und humorbefreite Machoattitüde. Einen realen Westernhelden dagegen schätzte ich früher durchaus, den an der Schießerei am OK Corral beteiligten Doc Holliday. . Für mich war er der Walter Benjamin des Wilden Westens, beide Außenseiter, Desperados, gemacht durch ihre Umstände, und „Grenzlandvagabunden, Philosophen, Spieler“. So Wyatt Earp über Doc Holliday. Das gilt aber auch für Walter Benjamin, den genialsten linken, radikalen Kulturphilosophien des 20. Jahrhunderts. Auf seinen Schultern steht der staubtrockene Spießer Adorno. Benjamin hingegen war manischer Zocker, rauchte, drückte, schluckte alles an Drogen, was damals erreichbar war, hier die Haschisch- und Mescalinprotokolle,  entdeckte Ibiza 30 Jahre vor den Hippies. Über seine Frauengeschichten decken wir lieber den Mantel der Verschwiegenheit, weil er wohl ein veritables Arschloch war.

Wenn es einen Mitbegründer der mäandernden Erkenntnissuche gab, dann ihn.

Ich bin hier im Kleinen (Siehe oben, Scherz, hahaha) etwas mäandernd auf Erkenntnis- und Geschichtswegen, weil nur so ein Versuch möglich ist, Mythen und Legenden zu rekonstruieren. Auf welchen verschlungenen, untergründigen, nicht sichtbaren Pfaden und Verknüpfungen, Rhizomen, hängen moderne Erzählungen voneinander ab. Wo entscheidet sich, ob jemand ein Held, eine Ikone für Generationen wird oder als Loser im Nebel der Geschichte verschwindet. Aus welchen Geschichten der Vergangenheit wird das Lagerfeuer der Zukunft?

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass unsere beiden Flüchtigen nicht so enden wie Butch Cassidy und Sundance Kid.

04.03.2024 – Über Verschwörungserzählungen oder: ://about blank

Autonomendisko „://about blank“ Markgrafendamm 24 in Berlin. Nebenan in der Bauwagensiedlung am Markgrafendamm hielten sich angeblich die zwei aufrechten Zinnsoldaten der RAF Volker und Burkhard auf.

Man muss kein Verfassungsschutz-Genie sein, um die Zeichen an der Wand des ://about blank zu decodieren. Autonome, Bolzenschneider, Widerstand etc. pp.: Von hier geht militanter Widerstand aus. Hintergrund: Die Verlängerung der A100 nach Berlin hinein, mitten durch Friedrichshain, über den Markgrafendamm, dem Spot für alternative Clubs und Spots wie der Bauwagensiedlung. Wobei solche Siedlungen grundsätzlich Orte von Aussteiger*innen für ein anderes, radikales Leben sind.

Das Irrsinnsprojekt der Berliner Automafia ruft seit langem radikalen Widerstand hervor, die ganze Gegend da ist gepflastert mit Transpis voller Militanz. Für die Clubs da geht es um die Existenz, die werden geräumt. Ende Gelände. Wenn der Bau da losgeht, ist die Kacke am dampfen. Die gesammelte Berliner Militanz wird dann zum Mili-Tanz aufrufen. Zumal es ja keine Hausbesetzungsszene mehr gibt, wo die sich austoben könnten. Dass der Verfassungsschutz hier vom ersten Tag des beginnenden Widerstands zwei Augen drauf geworfen hat und zwar Tag und Nacht, dürfte klar wie die legendäre Kloßbrühe sein.

Und dabei hätten die Schlapphüte nicht mitbekommen, dass unter ihren Augen die zwei seit Jahrzehnten meistgesuchten Männer der Republik in der Bauwagensiedlung ein – und ausgehen?

Die Beantwortung dieser Frage gemäß des neulich hier verhandelten Plausibilitätsprinzips überlasse ich Ihnen, liebe Leserinnen.

Um es klar zu sagen: Ich will hier keinen Verschwörungserzählungen Vorschub leisten, wie: Alles ein Konstrukt der Geheimdienste, aus welchen Motiven auch immer. Verschwörungserzählungen (das sind ja nie Theorien, das ist immer nur Gemunkel und Geraune, Blablabla) sind die kleinen Brüder des Antisemitismus und mir schon deshalb zuwider. Ich weise nur auf Schwachstellen in der aktuellen Logik hin. Angesichts des medialen Hypes um die Hatz auf zwei alte Säcke im Ruhestand fragt sich der Verstand eh andauernd: Sind da draußen alle verrückt? Die Jagd wurde ja im Minutentakt online aktualisiert und nimmt langsam Züge von Menges legendärem Millionenspiel an .  

Die drei Angehörigen der Dritten Generation sollen ja auch für Millionenschwere Überfälle verantwortlich sein. Ohne Frage kriminell und aus Sicht des Staates unbedingt fahndungswürdig und zu sanktionieren.

Hier stellt sich für mich die Frage des Maßverhältnisses von staatlichem Verhalten bei Kriminalität. Nicht alle hier werden Hanno Berger kennen. Er ist der Haupt-Verantwortliche für den Cum-Ex-Skandal, in dem eine hochkriminelle Gang von vermutlich Hunderten Bankern und Anlagespezialisten, im Verbund mit Politikern, den Staat um mindestens 30, vermutlich wesentlich mehr, Milliarden Euro betrogen hat. Nur die Kurzversion auf Wikipedia liest sich wie schon ein Film . Ein viel üblerer Film als die Slapstickklamotte um die aktuelle Volker und Burkhard-Schnitzeljagd nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen“. Was ist eine Million im Vergleich zu 30 Milliarden!?

Ich empfehle dem staatlichen Repressionsapparat und den angeschlossenen Medien, mal einen Bruchteil ihrer Energien auf die wahre Bedrohung unserer Demokratie zu lenken, auf die größte derzeitige kriminelle, terroristische Vereinigung, die sich eine perfekte Tarnung zugelegt hat: Maß-Anzüge, im Bankenviertel von Frankfurt. Da das Leben immer mehr in einen irren, wirren Film ausartet, arbeite ich zur Zeit an einem Skript, dass sich ästhetisch an schnellen Schnitten zum Takt von Hiphop orientiert, im Wechsel mit langen, ruhigen Totalen: Direkter Szenenwechsel von Bauwagen Markgrafen zu Bankenviertel Frankfurt. Hin und Her.

What’s left? Dieser Club an der Ecke Markgrafen, die Renate:

Bildgewordene männliche Verschlingungsängste ….

03.03.2024 – Theorie und Praxis

Aufgeblüht. Japanische Blutpflaume am 1. März im Garten.

An dem Tag verkündete auch der Messias der Love and Peace-Kiffer, Karl der salzlose Lauterbach , die Generalmobilmachung des deutschen Gesundheitswesens für den Krieg. Ob das auch in den Curricula für das Medizinstudium Berücksichtigung findet, was die Triage angeht, entzieht sich meiner Kenntnis. Triage meint keine Dreiecksbeziehung, die läuft auch in Friedenszeiten öfter katastrophal, sondern das Aussortieren von Schwerverletzten im Katastrophenfall (Atombombe z. B.), wenn nicht genug Kapazitäten zur Behandlung vorhanden sind.

Natürlich müssen Verantwortliche für denkbare Fälle vorsorgen, das ist nicht der Punkt. Es geht mir nur darum, fürs Protokoll festzuhalten, wie sich der Prozess des Denkbaren sukzessive ausdehnt und damit ein mählicher Prozess der Gewöhnung auch an das Undenkbare einsetzt. Die Hornhaut, die die Emotionalität der Insassinnen der BRD in diesem Prozess sukzessive ausbildet, reagiert auch stumpfer auf anderes Undenkbare. Alles wird möglich.

Logisch und konsequent wäre in Krisenzeiten wie den unsrigen eigentlich (Was bedeutet das Wort „eigentlich“ eigentlich?) folgendes: Linke Theorie und Praxis erleben eine neue Blüte, um die vielfältigen Krisen des Kapitalismus im Interesse der Millionen Betroffenen zu lösen.

Theorie: Die edelsten Denker*innen der Nation grübeln und diskutieren im Austausch mit der Öffentlichkeit über neue Strategien, z. B. um bisherige Leerstellen in der Theorie des Sozialismus praxistauglich zu füllen: Wie werden die Freiheitsrechte der Einzelnen im Sozialismus geschützt? Wie funktioniert grundsätzlich überhaupt Demokratie im Sozialismus? Wie funktioniert eine sozialistische Produktion als ökologisch Nachhaltige? Mit reiner Verstaatlichung kommt man da nicht groß weiter…

Praxis: Das Berliner Regierungsviertel wird permanent von Demos mit einem roten Fahnenmeer geflutet, Basisinitiativen zur fortschrittlichen Krisenüberwindung gründen sich, eine extreme Linke geht in den Untergrund, Tarnname „Vierte Generation“, und bombt Nazis wie Höcke und Antisemiten wie Aiwanger zur Hölle.

Liest sich wie das Exposé für einen Satirefilm.

In der Praxis spielt linke Theorie keine Rolle mehr. An edlen Denker*innen haben wir statt Adorno Precht und statt Hannah Arendt die notorische Antisemitin Judith Butler, aus Deutschland fällt mir da grad kein Name ein, was ja bezeichnend ist. Massendemos haben wir zwar, aber das hat sich bald erledigt, ist halt das Bürgertum, hat mit links wenig zu tun. Und Terror mit Mord und Totschlag gibt’s von Rechts.

Wir haben es also mit der aus logischer Sicht skurrilen Situation zu tun, dass die Blütezeit linker Theorie und Praxis zu einer Zeit, 68ff., herrschte, die mit Krise im Vergleich zu heute so wenig zu tun hatte, wie ich mit einem Lehrstuhl in Mathematik. Es gab damals zwei strukturelle Krisen, die erste Wirtschaftskrise 66/67  mit ein paar Arbeitslosen , bald überwunden mit Vollbeschäftigung, Aufschwung, Friede, Freude, Eierkuchen und die Verabschiedung der Notstandsgesetze 68, als Folge einer großen Koalition. Das war’s an Krisen, danach die fortschrittlichste Phase der BRD, bis zum Deutschen Herbst 77. Und in diese Phase hinein explodierten linke Theorien, mit massenhafter (naja) Akzeptanz. Und die Bomben der RAF.

Und heute, wo wir für die Krisen von damals dankbar wären, was haben wir da an fortschrittlicher Theorie und Praxis? Schon skurril.

Nachtrag zum aktuellen Fahndungsfoto von Burkhard Garweg, den sie nun wohl auch bald haben werden und damit ihrem Rechtsfrieden wieder näher kommen: 1992 hatte der damalige Innenminister Kinkel eine Versöhnungsinitiative der Bundesregierung mit der RAF gestartet. Details hier

Kann man ja mal denken, sowas ….

29.02.2024 – High sein, frei sein, Terror muss dabei sein.

Rio-Reiser-Platz, SO 36.

Das Biotop für Gammler, Terroristen und Haschsüchtige, die alles bestreiten, nur nicht ihren eigenen Lebensunterhalt. Wieso gehen die nicht nach drüben, wenn es ihnen hier nicht passt. Mit Sicherheit sitzen die gesuchten Garweg und Staub jeden Abend im „Goldenen Hahn“, der wohl legendärsten Kneipe in SO 36, wo wirklich die schrägsten Vögel dieses Biotops sitzen.

Eine negative Kollateralwirkung des ganzen Terrorrummels: Jetzt kommen noch mehr vergnügungssüchtige Dorfdeppen nach Kreuzberg auf der Suche nach irgendeinem Kick („Vielleicht treffen wir ja einen Terroristen“) und scheißen den Eingeborenen nach ihren Partyexzessen die Hauseingänge zu. Die mit Abstand größten Terroristen in Kreuzberg sind die Touristen.

Der Spruch in der Überschrift ist mir als Klospruch einer Szenekneipe erinnerlich. Mit dem Aufkommen von Graffiti in Deutschland ab den Siebzigern hielten auch mit Edding geschmierte Sprüche auf den Klos von Szenekneipen Einzug. Erst politisch, dann Nonsens, Scherz und dummes Zeug. Die Phantasie war an der Macht. Und von da leider nicht mehr zu vertreiben. Die Post68er waren die Zeit des Terrors, des Rock ‘n Roll, der entfesselten Kreativkräfte und der subversiven Intelligenz. Davon hatten die ersten beiden Generationen der RAF weniger, sie agierten teilweise kriminaltechnisch unterkomplex und hinterließen Spuren bei ihren Taten wie ein Hamster im Kornspeicher. Ihre Ideologie, ihr Leben, alles war offen wie ein Buch und lieferte Stoff für Bücher, Filme, Bilder, Mythen. Dass eine derart begrenzte Zahl von Menschen einen derart breiten und tiefen Strom sowohl im kollektiven Unterbewusstsein als auch in der realen Rechts- und Geistesgeschichte der BRD hinterließ, dürfte einmalig in der Nachkriegszeit sein.

Vollkommen anders dagegen die „Dritte Generation“. Über sie ist praktisch nichts bekannt. Interneteinträge über sie zeichnen sich durch eins aus: Formulierungen, die mit der Stange in der Nebel stochern wie: „vermutlich“, „liegt nahe“ , „ führen zur Annahme“ , „unzureichende Erkenntnisse“, „ gehen davon aus“ ziehen sich wie ein roter Faden durch die komplette Geschichte der Dritten Generation. Kurzes Beispiel der dürre Eintrag über Daniela Klette . Der über Ulrike Meinhof ist dagegen zehnmal so lang, ein detailliertes Buch. Ich bin mal gespannt auf den Prozess gegen Klette, wie viele urteilsfeste individuelle Tatbeteiligungen ihr da nachgewiesen werden können.

Als ich die Bilder in der rbb Abendschau gesehen habe, wie da kiloweise Kriegswaffen und so viel Munition aus ihrer Wohnung in SO 36 abtransportiert wurden, dass man damit die BuWe-Fregatte im Roten Meer ausstatten könnte, bin ich vor Lachen aus dem Bett gefallen. Diese Frau ist ja offensichtlich ein kriminaltechnisches Genie über Jahrzehnte gewesen. Unsichtbar, wie ein Phantom, ach, was sag ich, wie ein Elektron im Universum ist sie 30 Jahre dem Fahndungsdruck des bestausgerüsteten Polizeiapparates der Welt entkommen, die intelligentesten Profiler des Universums kamen ihr nie nahe, an jeder Mülltonne klebte ihr Gesicht auf Fahndungsplakaten. Aber erst Facebook Fotos machten ihr den Garaus, als also im Prinzip die ganze Welt wissen konnte, wer und wo sie war. Und dieser Ausbund an Intelligenz, krimineller Energie, Kreativität bunkert tonnenweise Kriegswaffen in der eigenen Wohnung? Wo schon die Deppen der Ersten Generation für sowas Erdbunker in Wäldern hatten?

Sie, liebe Leserinnen, werden verstehen, dass ich heute Morgen noch Bauchschmerzen von Lachkrämpfen gestern auf dem Fußboden hatte, als eigener Bettvorleger.

Im § 243 der Zivilprozessordnung ist der sogenannte gerichtsfeste Plausibilitätsbeweis geregelt, Zitat:
…. Der Plausibilitätsbeweis ist eine Alternative zu Beweisen im engeren Sinne. Er gibt keine Gewissheit, sondern besagt lediglich, dass eine bestimmte Aussage hinsichtlich einer bestimmten Tatsache plausibel ist.“ Und zur Verurteilung führt. Der Plausibilitätsbeweis wird z. b. in Vergewaltigungsprozessen angeführt. Die meisten Vergewaltigungen finden in Beziehungen statt, wo es keine Zeugen gibt. Hier greift die Plausibilität.

Hausaufgabe für nächste Woche: Die Anwendung der Plausibilität auf die Causa Klette, unter der besonderen Berücksichtigung der Funde von Kriegswaffen in ihrer Wohnung.

Darüber schreiben wir eine Klassenkampfarbeit, die Eingang in Ihre Noten findet!

29.02.2024 – Die 4. Generation

BILD

Erbsenkraut. In diesem Stadium sollte es geerntet werden, kann natürlich auch eingefroren werden. Es empfiehlt sich, immer zwei Kulturen in Arbeit zu haben, um ein paar Tage phasenverschoben, dann gibt’s regelmäßig Frischzeug.

Die RAF übt offensichtlich auch als Untote noch Faszination aus. Vielleicht gerade in Krisenzeiten wie diesen, weil ihr Ansatz der Versuch einer Krisenintervention war, und wir mittlerweile am vorläufigen Ende einer demokratischen Fortschrittserzählung angekommen sind. Der Gewalt-Ansatz der RAF war ein untauglicher. Dazu ist eigentlich in den letzten Jahrzehnten alles gesagt worden. Nur noch nicht von mir. Und weil eventuell einiges vergessen ist, Jüngeren vieles nicht bekannt und das Meiste eher untaugliches Mainstream- Blabla, hier eine kurze Aktualisierung mit Bezug auf Heute:

 Der RAF-Gewaltansatz war politisch fasch, weil die BRD damals kein faschistischer Staat war. Er war ethisch falsch, weil er Unbeteiligte traf und in seinem Antizionismus antisemitische Elemente hatte. Er war gesellschaftlich falsch, weil er keine Unterstützung in der breiten Bevölkerung hatte und mit dem deutschen Herbst 77 eine Phase gesellschaftlichen Rollbacks einleitete. Der Staat reagierte auf die Gewalt mit massivem Ausbau von Überwachung und Polizeistrukturen, es war ein, Zitat „nichterklärter Ausnahmezustand“.

Parallel zur Zunahme von Repression endete das „Goldene Zeitalter“ des Kapitalismus“ mit deutlichen Lohnsteigerungen, Ausbau des Sozialstaates und der individuellen Freiheitsrechte. Es begann die Zeit der bleiernen Stagnation und der Nachrüstung der Achtziger, bevor in den Neunzigern der grenzenlose Siegeszug des Neoliberalismus begann. Der allgemeine Fortschrittsglaube war auf gesellschaftlicher, ökonomischer und technologischer Ebene (mit dem Atomunfall von Harrisburg 79 zeichnete sich für alle sichtbar das Atommenetekel ab) nachhaltig erschüttert. Die Geschichte der RAF ist Teilbestand dieser Entwicklung, die man bei der Auseinandersetzung mit ihr mitlesen sollte.

Bleibt die Frage, wann ist Gewalt im politischen Raum legitim. Unstrittig ist der Tyrannenmord, also Attentate auf Hitler, Mussolini, Franco. Was wäre mit Putin? Erdogan sicher nicht, weil, bei aller klammheimlichen Freude, wenn den jemand in die Luft jagen würde: Der Mann wurde demokratisch gewählt und bei allen Beschränkungen, das ist noch immer eine Demokratie, er kann wieder abgewählt werden. Die Demokratie müsste also formal und real abgeschafft sein, der Staat mit Terror auf die Bevölkerung, Minderheiten reagieren, also Konzentrationslager, willkürliche Ermordung Einzelner und Angriffskriege beginnen. Die Crux dabei: In dem Zustand wäre ein faschistisches System wahrscheinlich schon so stabil, dass Gegengewalt sinnlos wäre. Ein klassisches ethisches Dilemma und allein aus dem Grund muss die Demokratie, auch in diesem Zustand, erhalten werden.

Die Frage einer vierten Generation stellt sich also zur Zeit eher auf ökologischer Ebene, ob Gewalt zum Erhalt des Planeten legitim ist. Da kann ich nix zu sagen, ist nicht mein Gebiet, ich fliege.

Zumal auch bestimmte Umstände um die 3. RAF-Generation merkwürdig sind. Über die weiß man im Gegensatz zu den anderen Generationen oder ähnlichen Gruppen im Ausland wie den Roten Brigaden extrem wenig. Fast nichts.

Mindestens die Morde am Treuhandchef Rohwedder und Deutsche-Bank Boss Herrhausen ließen Verschwörungserzählungen ins Kraut (kein Erbsenkraut!) schießen, über eine Beteiligung der Stasi, der Geheimdienste, im Fall Herrhausen radikaler Vertreter des Kapitals, weil er für einen Schuldenschnitt für den globalen Süden plädierte.

Ich glaube das nicht. Es ändert ja auch nichts am Schicksal der Beteiligten und am Gang der Geschichte. Aber überraschen würde mich nichts. Ich traue allen Genannten alles zu. Das allerdings ist nicht justiziabel.

Was bleibt: Eine klammheimliche Vorfreude auf meinen nächsten SO 36-Dokumentationsgang zu Soli-Bekundungen für Daniela Klette und den Rest der Gang. Phantasievoll sind die da ja …

28.02.2024 – Klammheimliches Bedauern

Zu früh. Japanische Blutpflaume, Blütenbeginn. Ein zauberischer Anblick im Garten, wenn das zart weißrosa Blütenmeer in ein paar Tagen seine blendende Helligkeit ausbreitet, inmitten der noch trostlos gräulichen, nur vom ersten Rosengrün und den allfälligen Krokussen besprenkelten Restvegetation.  

Zu spät ist es für den Staat hingegen nie. Mit eiserner Härte klebt er an den Resten der dritten Generation der RAF und hat nun Erfolg, wohl nach der TV-Oberpetze-Sendung „Aktenzeichen XY“. Daniela Klette wurde im SO 36 Teil von Kreuzberg festgenommen.

Als ich die Meldung las, war mein erstes Gefühl: Schade. Dient das jetzt noch substanziell dem Rechtsfrieden?

Ein klammheimliches Bedauern. Diese Codierung muss ich für die nach 1965 Geborenen erklären. „Klammheimliche Freude“ empfand der sogenannte Göttinger Mescalero in einem Artikel angesichts der Ermordung des damaligen Generalbundesanwaltes Siegfried Buback durch die RAF, ohne diesem Mord zuzustimmen und gegen derartige Terrorakte argumentierend.  Also durchaus differenzierend. Zitat:  „Der Göttinger Mescalero war der pseudonyme Autor des Textes Buback – Ein Nachruf, der 1977 die Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback durch die Rote Armee Fraktion (RAF) in einer Weise kommentierte, die in der Öffentlichkeit vor allem als Zustimmung zu dem Mord gewertet wurde, obwohl der Autor in Wirklichkeit gegen solche Terrorakte argumentierte. Die Mescalero-Affäre führte zu einer kontrovers geführten, öffentlichen Debatte über Sympathisanten und das Verhältnis der extremen Linken zum Terrorismus der RAF. „

Die RAF besaß damals im juste milieu der radikalen Linken und darüber hinaus durchaus in bürgerlich-liberalen Kreisen eine nicht geringe Zustimmung und auch Unterstützung. Es galt für die, die Gewalt auch in der bürgerlichen Demokratie im Prinzip als Widerstandsmittel legitim hielten: Gewalt ist illegal, aber legitim. Die Grenze für die Meisten bildete Gewalt gegen Personen. Diese Grenze überschritten nur wenige.

In der Theorie waren sich alle weitgehend einig: Wir leben in einer Klassengesellschaft (richtig). Der Staat ist lediglich demokratische Fassade und Handlanger des Kapitals (halbrichtig). Das Kapital beutet die elenden Massen weltweit erbarmungslos aus (fast richtig). Die Gesellschaft, das Volk (!, oje, völkischer Alarm) wird verdummt und verblendet, muss nur aufgeklärt und agitiert (vor dem Werkstor) werden und wartet bloß auf ein revolutionäres Terror-Fanal der kämpfenden Avantgarde, um loszuschlagen (entsetzlich falsch). Vor dem Werkstor gab’s auf die Fresse beim Flugi verteilen und der Mob wollte nur eins: Häuschen, Auto, Urlaub, Bild und Glotze.

Der hier beschriebene Gegensatz Staat – Gesellschaft existiert nach wie vor noch. Nur haben sich die Vorzeichen radikal geändert. Sollte damals die aufzuklärende Gesellschaft gegen ein als faschistoid denunzierten Staat in Stellung gebracht werden, sieht die Realität heute so aus: Der bürgerliche Staat ist bei aller Kritik mit seinen verrechtlichten Institutionen (Justiz) eine der letzten Brandmauern gegen den grassierenden Faschismus in der Gesellschaft. Und so schwer es allen Staatsskeptikern (wie mir) auch fallen möge, ist dieser Staat und damit die Restdemokratie, zu verteidigen. Gegen seine Insassen. The times they are a changing.

Nichtsdestotrotz habe ich nach wie vor Sympathien für den reflektierten Ansatz der RAF, natürlich nicht für Desperados und Faschisten wie Baader und Horst Mahler, aber für Ulrike Meinhof , stellte er doch das Verhältnis Staat – Gesellschaft – Individuum in der BRD vor neue Fragen, wie: Wann wird Widerstand nötig, gar zur Pflicht. Gemäß dem Diktum: Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Die Realität da draußen, jenseits meines Kopfes und meines Schreibtischs, wird immer surrealer. Wie ein Film. Und in diesem Film hätte ich es als versöhnlich empfunden, wenn Daniela Klette hinaus in die untergehende Sonne geritten wäre und der Sheriff im Saloon zu seinen Marshals geflucht hätte: „Verdammt, wieder entwischt. Die kriegen wir nicht mehr“.

Und so gilt meine klammheimliche Sympathie den beiden flüchtigen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Straub. Jungs, haltet durch. Und macht einen Bogen um SO 36.

27.02.2024 – Blick in die Zukunft: Eskalationen.

DEMOKRATIE IN PROGRESS. 2023. Ein köstlicher Witz, aber nicht so gemeint. Was das alberne Denglisch an der Stelle soll, weiß ich nicht. Das hier abgebildete Futurium  Berlin ist der einzige Neubau im Umfeld des Hauptbahnhofes, der keine architektonische Vollkatastrophe ist. Für den Rest da wünscht man sich einen Berliner Nero, der ja damals Rom abfackelte. Oder besser noch einen Georgi Dimitroff und Marinus van der Lubbe .

Ein Blick ins reale Futurium, ob I oder II, lässt nichts Gutes ahnen. Unter der Überschrift „Eskalation“ genügt ein kurzer Blick in die Schlagzeilen der letzten Stunden. Fangen wir mit plattem Symbolismus an: Der Februar wird der mit weitem Abstand wärmste Februar seit Wetteraufzeichnungen. In der Referenz-Periode 1960 bis 1990 lag die Durchschnittstemperastur bei 0,6 Grad, zurzeit liegt sie bei 7,1 Grad, das entspricht eher einem April. Ich finde das sehr angenehm, objektiv ist das eine Katastrophe.

Der Rest der Eskalationen ist sehr unangenehm und ebenfalls katastrophischen Charakters:

Macron schließt den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus. Die Nato ist Russland da um das Fünffache überlegen . Wie wird der Russe, man kennt ihn ja, den Russen, da wohl reagieren? Ratehinweis: Der einzige Militärsektor, wo zwischen Nato und dem Russen ungefähr Gleichgewicht herrscht, sind Kernwaffeln.

Eskalieren wir mal weiter: In Brüssel flippten die Bauern gestern völlig aus. Eine wunderschön rhythmische Überschrift des BR beschreibt das stinkende und brennende Szenario: Brände, Gülle, Pyro . Das wird der Titel meiner nächsten LP: Brände, Gülle, Pyro. Es gibt zurzeit mehrere Fraktionen bei den Bauern: Ultrareaktionäre, Demokratiefeinde und Faschisten. Dass die in Biberach Autos die Scheiben einwarfen und die Absage einer Grünenveranstaltung erzwangen, weil Leib und Leben der Beteiligten nicht mehr zu schützen waren, ist schon fast vergessen. Unter diesem Link auch weitere Eskalationen.  Gerade erst wurde das Haus eines SPD-Lokalpolitikers in Thüringen von Faschisten abgefackelt …. Im bayerischen Wahlkampf warf ein Mann einen Stein in Richtung des Spitzenduos Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Anfang des Jahres versuchten einige aufgewiegelte Protestierende in Schlüttsiel, eine Fähre zu stürmen, auf der der grüne Vizekanzler Robert Habeck unterwegs war …. Wenn man sich bei den Grünen umhört, erfährt man von Angriffen, die nicht öffentlich werden sollen. Man hört Geschichten von Rechtsextremen, die ein Büro gestürmt haben und von Planungen fürs Exil, für den Fall der Fälle. Usw, usf. Eine endlose, eskalierende Folge von nicht nur faschistischen Übergriffen. In Bautzen haben am Sonntag rund 1400 Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert . Ohne Schutz der Polizei geht das nicht. Denn rechte, aggressive Jugendliche warten an jeder Ecke. In der Ostzone ist antifaschistischer Einsatz brand(siehe oben)gefährlich, eine völlig andere Situation als in BRD-Städten. Demokratie in progress? Hahaha ….

Den Blick in eine mögliche Zukunft versteht man besser mit einem in die Vergangenheit. Im Vorfeld der Reichstagswahlen von 1932 kamen bei Straßenschlachten fast 100 Menschen zu Tode. Höhepunkt war die Straßenschlacht des Altonaer Blutsonntags, an dem zwei Nazis durch Polizeikugeln starben und im Verlauf 16 weitere unbeteiligte Personen von Polizisten erschossen wurden. Der Blutsonntag war eine Folge der Provokation von Nazis, im Zusammenspiel mit der Altonaer SPD-Führung . Es ging dabei gegen das mehrheitlich kommunistische Altona, in Fachkreisen „Klein-Moskau“ genannt. Am Ende dieser Eskalation stand 6 Monate später das Ende der Demokratie. Demokratie on fire.

Da kann man nur froh sein, dass es keine Kommunisten mehr gibt und die Sozis heute völlig anders drauf sind: Nämlich so, wie die größte Pfeife in ihrer Nachkriegsgeschichte, ein gewisser Herr Steinbrück. Dieser SPD-GRÖLOS, der größte SPD-Wahlloser aller Zeiten, rammt seinem Kanzler Scholz schon mal präventiv das Messer in den Rücken , wie unter anderem im Fachblatt für Dreck & Unrat zu lesen ist. Eine Krähe hackt der anderen auch schon mal beide Augen aus, vor allem, wenn sie am Boden liegt.

Und das ist dann mal zum Schluss eine Eskalation, bei der ich herzhaft lachen musste.