13.06.2024 – Neues aus der Fanzone

Der Kunstrasen vor dem Brandenburger Tor in der Fanzone

Man kann die Fussball EM herbeisehnen, sie ignorieren oder für überflüssig halten, so wie ich, aber eins kann man nicht: Leugnen, dass das ein gesellschaftliches Grossereignis ist, wie es nur alle Jubeljahre stattfindet. Milliarden Umsätze, Millionen Menschen, Hunderttausende in den Fanzonen, ganze Städte werden ummöbliert, die Republik ist für einen Monat im Ausnahme Zustand und ihre Hauptstadt ganz besonders.

Natürlich ist das alles ätzend, die Preise auf der Fanmeile grotesk, Currywurst mit Pommes 11 Euro und die zu erwartenden Gröhl-, Kotz- und Prügelorgien spotten jedem kulturellen Mindestmaß. Fussball, Sport der einfachen Leute? Ach, wenn die Leute den einfach mal ignorieren würden, wäre der Spuk im Handumdrehen erledigt und die Currywurst gäbe es für zweifummsich.

Aber dieses Grossereignis einfach zu ignorieren, wäre naiv und fahrlässig und daher treibe ich mich gerade auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor rum und döse auf dem Moosweichen, Strandwarmen Kunstrasen. Ein herrliches Gefühl, es ist leer hier und ein einzigartiger Anblick

Es ist der utopische Blick, den dieses Objekt in eine bessere Welt wirft, in eine Stadt, die von Autos befreit ist. Eine Stadt, die der Ruhe, der Entschleunigung, der Muße, der Begegnung dient, also dem Individuum und nicht dem Auto. Hier, wo sonst zehntausende stinkende Blechlawinen jeden Tag die Stadt zu einem Unort machen, wird für einen Moment ein Blick in eine Utopie jenseits des Kapitalismus aufgemacht.

Deshalb hat ein Dummkopf wie Jens Spahn ausnahmsweise mal was begriffen, als er dieses Environment kritisierte, und auf das Tempelhofer Feld wünschte. Er ahnt, dass sowas ein Sehnen, ein gefährliches Begehren in den Menschen freisetzen kann.

Und genau aus diesen Zusammenhängen halte ich diese Installation, hier in der Wärme der Fanmeile, für bedeutsamer als die Christo Verhüllung des Reichstages. Sie ist ein erfahrungsgesättigter Ermöglichungsraum.

Aber gefährlich ist sie nicht, da braucht der Dummkopf keine Angst zu haben, da ist die Currywurst vor. Anschläge sind hier allerdings leicht umsetzbar. Ich mach mich dann mal vom Acker und halte Sie auf dem Laufenden.

10.06.2024 – Lieber Mittelmeer als Fahnenmeer

AfD Obernazi Chrupalla im Fahnenmeer

Mittelmeer

Das Schöne an der Berichterstattung zur EU-Wahl gestern: Nach einer halben Stunde konnte man beruhigt wegschalten, alles geklärt, alles erklärt. Es wurde von allen alles gesagt, nur noch nicht von mir, daher dieses, was mir eben auf dem Klo durch den Kopf, aber nicht nur da, ging. Die BRD-Braunen haben völlig überraschungsfrei große Gewinne erzielt, auch bei den Kommunalwahlen in der Ostzone, wie sie überhaupt dort bereits jetzt flächendeckend auf allen Ebenen in der Mehrheit sind. Ein paar Mal hat eine Allparteienkoalition dieses Mal noch die Nazi-Kandidaten am Sieg bei Oberbürgermeister- oder Landratswahlen verhindert. Vermutlich zum letzten Mal. Eine CDU/AfD Koalition hätten bereits jetzt überall rechnerisch die absolute Mandats-Mehrheit und nichts und niemanden wird den Marsch der Opportunisten der Macht durch die Institutionen stoppen. Nazis werden in ganz Europa normal, so auch hierzulande.

Neoliberale, Rechte und Faschisten in Gestalt von FDP, CDU/CSU und AfD und den zahlreichen Kleinparteien wie ÖDP, Basis, Familie, Heimat etc. pp. haben jetzt erstmalig amtlich bestätigt eine ca. 60prozentige Mehrheit im Wahlergebnis. Rechnet man dazu die Stimmungslage bei den Nichtwählerinnen, ergibt das eine Gesinnungslage im Volk, vor der einem nur gruseln kann. Ohne den Nichtwählenden, vor allem in sozialen Brennpunkten, zu nahe treten zu wollen (faustdick gelogen, diese Phrase): ein erheblicher Teil von denen dürfte derartig Demokratieverdrossen, verschwurbelt, Angstgetrieben und bis zur Halskrause Aggressionsgefüllt sein, dass hier eine charismatischere Hitler-Wiedergeburt als der Malermeister Chrupalla oder die Krampfhenne Weidel ein Erlösungswilliges Heer von zu allem bereiten Volksgenossinnen vorfände. Dem Nichtwahl-Rest ist sowieso alles egal, Hauptsache Fernsehen, Fitness, Feierabend, Fußball, Ficken, Freibier. Mir würden noch mehr Fs einfallen, aber das wäre schon zu viel Zuwendung an die Folksgenossen.

Bei all den Ergebnissen und Entwicklungen zu einer Faschisierung in Gesellschaft, Politik und allmählich auch im Staat bis hin zu den Wahlen im Herbst gilt zu beachten: Wir haben noch keine tiefgreifende, nachhaltige Rezession! Wenn es einen Faschismustreiber par excellence gibt, dann sind es Rezessionen, mit Arbeitsplatzverlusten. Was wir hatten und haben, sind kleine Dellen in der wirtschaftlichen Entwicklung und am Arbeitsmarkt, harmlose Lüftchen.

Niemand, selbst ich nicht, weiß, wann die nächste heftige Rezession kommt, wieviel Arbeitsplätze sie kostet und welche Ursachen sie haben wird: Den strukturellen Wandel hin zu KI, Kriege, Seuchen, politische Unsicherheiten, Nachfrageeinbrüche, wachsender Nationalismus mit Abschottung der Märkte, Klimawandel und Mega-Migrationen etc. pp. Mir würden noch mehr potentielle Auslöser einfallen, die sich überlagern und verstärken können, aber nachher komme ich selber noch schräg drauf und das ist das Letzte, was ich mit diesem Blog bezwecke. Dabei habe ich einen Aspekt noch gar nicht beleuchtet, ich kleiner Leuchter, ich: Da der Faschismus absehbar seinen Siegeszug in die Mitte der Gesellschaft, hin zu kultureller Hegemonie, fortsetzt, wird sich bald ein Riesenheer von Lemmingen in Bewegung setzen. Die normalen Opportunisten, die Millionen Diederich Heßlings in unserer Gesellschaft . Die auf Karrieren welcher Art auch immer, und sei es nur ein kleines Pöstchen bei der Partei, im Landratsamt, in der Verwaltung, in Aufsichtsräten etc. pp, auf Ticket der AfD setzen, oder die einfach nur bei den Siegern sein wollen.

Wenn ich mir vor diesem nur ansatzweise Skizzierten das schwanzrotgoldene Fahnenmeer vorstelle, dass die Republik im Falle eines Erfolges der Ostgoten bei der EM überfluten würde, können Sie, geneigte Leserinnen, vielleicht verstehen, warum mich ein heftiger Fluchtreflex in Richtung Mittelmeer beutelt.

Das aber wäre Feigheit vor dem Feinde, und demzufolge werde ich mich in Berlin auch auf der „Fan“meile und anderen Orten des Fußballgrauens zwecks Dokumentation rumtreiben.

Ich halte Sie auf dem Saufenden.

08.06.2024 – Scheisse am Hacken

Der Aufkleber „Atomkrieg? Ja Bitte“ vom Juli 2022 auf meiner Veranda ist in der Sonne arg verblasst, wie der frische daneben zeigt.

Das Lindener Künstlernetzwerk SCHUPPEN 68 hatte damals angesichts der Entwicklung rund um den Ukraine-Krieg die Initiative „Atomkrieg? Ja bitte“ gegründet. Aufkleber mit dem Motto der Kampagne wurden deutschlandweit an zahlreichen Orten gut sichtbar verteilt. Das verdienstvolle Organ der Arbeiterklasse und des hiesigen hannöverschen Kiezes, der Lindenspiegel, berichtete darüber . Den Lindenspiegel gibt es leider nicht mehr, den Krieg schon noch.

Kein Mensch weiß, beim Überschreiten welcher roten Linien seitens der NATO in der Unterstützung der Ukraine der Russe Atomwaffen einsetzen würde.

Eskalation spielt sich auf drei Ebenen ab: Sprache, Symbole, Handlungen. Vielleicht gibt es ja irgendwo eine grafische Darstellung der Eskalationsspirale seit dem Beginn des Ukrainekrieges, aus der auch die Dynamik der Eskalation hervorgeht, wie schnell dreht sich die Spirale. Man nimmt es kaum noch wahr, der Mensch gewöhnt sich an alles, an die Klimakatastrophe, in zwei Wochen redet niemand mehr über die Fluten in Süddeutschland. Der Mensch gewöhnt sich an Armut und Ausgrenzung und nimmt die Demütigungen des mörderischen Kapitalismus demütig-resignierend als eigenes Versagen hin. Morgen wird er mal kurz an der Wahlurne aufmucken und Nazikreuze machen, das war’s dann aber auch. Erstmal. Der Mensch gewöhnt sich an Krankheit, den Ehepartner, und den eigenen Tod. Natürlich auch an Krieg und Drohung eines Weltenendes. Bisher ist doch alles gutgegangen, sagte der Mann beim Sturz aus dem 19stöckigen Hochhaus im 18. Stock.

Um es nochmal deutlich zu sagen: Der Aggressor nicht nur in diesem Krieg ist Putin, ein durchgeknallter imperialistischer Nationalist, der jetzt noch zunehmend in religiös-orthodoxe Wahnvorstellungen abdriftet, was diese Zeitbombe auf zwei Beinen vollends unberechenbar macht. Das tragische Dilemma in dieser Menschheitsfrage ist: Wie weit pokert der Westen, die Nato in dieser irren Eskalation mit? Bis zum bitteren Ende?

Die Frage ist: Für welche Werte wären Sie bereit, liebe Leser*innen, in den Krieg zu ziehen? Für ein paar Quadratkilometer geheiligten Boden des Vaterlandes? Für die Freiheit? Und wenn ja, für wessen Freiheit? Für Konsum? Urlaub? Sind so viele Fragen …

Die hier unsortiert und spontan gestellten Fragen schossen (sic! Kriegsrhetorik!) mir durch den Kopf angesichts der aktuellen Meldung, dass der Franzose, allen voran ihr Schutzmann Schneidig Macron, Militärberater im Rahmen eines Bündnisses in die Ukraine entsenden will, also Nato-Soldaten in ein Kriegsgebiet. Die US-Regierung ließ sofort wissen, man werde sich dem Bündnis nicht anschließen.

Die werden wissen, warum. So fing der Vietnamkrieg an, der mit der verheerenden Niederlage der Amis endete. Mit Entsendung von „Militärberatern“ nach Vietnam zur Bekämpfung des Aggressors. Das war übrigens die Lichtgestalt Kennedy, der diese geniale Idee hatte.

Das zeichnet die klassische griechische Tragödie aus: Du kannst machen, was Du willst, am Ende hast Du immer Scheiße am Hacken. Der Unterscheid zu früher: Nach dem Ende dieser Tragödie ist niemand mehr da, um welche zu schreiben.

05.06.2024 – Und so zerbröselt der Keks nun mal

Seit mich bei einem EXPO-Projekt in Hannover eine Duftrose Jayne Austen mit ihrem Geruch im Vorbeiradln förmlich festgenagelt hat, bin ich Rosenfreund. Im Laufe der Jahre haben sich im Garten ca. 20 verschiedene angesammelt, zufällig, unsystematisch, von den meisten kenne ich die Sorte gar nicht, manche mit betörendem Duft, einige von strahlender, üppiger Pracht, wie die oben. Könnte Roter Brokat sein, bin mir nicht sicher. Namen sind Schall und Rauch, was zählt, ist Schönheit als Trösterin in düsteren Zeiten. Das Versinken in den Anblick einer betropften Rose ist eine Meditation.

 Die Nachrichten im DLF hinterher vertreiben ruckartig die schöngeistigen Flausen. Die Welt gleicht einem zerbröselnden Keks. Die politisch-öffentliche Debatte ist gezeichnet vom wachsenden Hysteriespiegel der Gesellschaft, wie aktuell in der Migrationsdebatte nach dem Attentat von Mannheim, bei dem ein offensichtlicher Islamist mehrere Menschen verletzte und einen Polizisten tötete.

Politiker*innen aller Couleur überbieten sich in Abschiebephantasien, getriggert durch einen Einzelfall. Dabei ist die Rechtslage klar: So barbarisch die Tat des religiösen Fanatikers auch ist, es gilt der Rechtsstaat, der Mann muss für diese Tat hier verurteilt werden und darf nicht nach Afghanistan abgeschoben werden (wo man ihn vermutlich eh als Helden feiern würde, dort ist auch der letzte Rest Zivilisation verschwunden).

Man kann zweierlei tun: Die Rechtslage ändern. Das ist wahrscheinlich und wird der AfD in die Hände spielen. Und man kann eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte darüber führen, warum immer mehr Extremismus unterschiedlicher Couleur die zivilgesellschaftlichen Grundlagen unserer Gesellschaft bedroht und was dagegen nachhaltig zu tun wäre. Diese Diskussion wird nicht stattfinden, weil sie unser Geschäftsmodell in Frage stellen müsste und die daran beteiligten Akteure von einem hysterischen Wutsturm von der Debattenfläche gefegt würden.

Es ist naiv, zu glauben, ein Symptomdoktern wie „Alle abschieben“, Grenzen dicht, Schießbefehl auf Flüchtlinge etc. würde die Gesellschaft in irgendeiner Form befrieden (Das mit dem Schießbefehl hat ja schon mal prima funktioniert…) Solche Maßnahmen würden im Gegenteil die Hysterieschraube immer weiter drehen.

Wenn wir den Klimawandel nicht nachhaltig bekämpfen und die Lebensbedingungen im Süden nicht nachhaltig verbessern, kommen sie. In Massen. Immer mehr, immer schneller.

Es wird nichts geschehen und deshalb werden wir am Ende in einer Gesellschaft landen, wie sie der excellente Film „Children of men“ skizziert, den ich gestern zum dritten Mal gesehen habe. Die Welt ist von Gewalt und Chaos geprägt; Umweltzerstörung, Terrorismus, Hysterie und staatliche Unterdrückung bestimmen das alltägliche Leben. Der Film von 2006 spielt im Jahr 2027 und ist ein besserer Kommentar zur aktuellen Situation als mein ganzes Geschreibsel hier.

Die Alternative muss nun nicht sein, dass man sich resignierend in seinen Garten zurückzieht, die Welt den Idioten und Barbaren überlässt und nur noch an seinen Rosen schnüffelt, weil ja eh nix zu ändern ist. Letzteres ist nur eine Vermutung und kein Naturgesetz. Auch Linke, so sie es noch gibt, müssen schwierige Debatten führen, über Antisemitismus in ihren Reihen zum Beispiel, und über den Umgang mit religiösen Fanatikern und migrantischen Extremisten. Und das sind nach Lage der aktuellen Dinge hierzulande in der Mehrzahl islamistisch geprägte Menschen. Ich habe in den letzten Jahren hier im Blog immer wieder den Vorschlag gemacht, „inspiriert“ von rechtsfreien Räumen in Neukölln, dem antisemitischen, homophoben, frauenverachtenden Mob aus der migrantischen Community gerne einen Flug zum Minenräumen in Syrien und Irak zu spendieren, wo sie ihre überschüssige Energie austoben können. Immer mit dem Verweis darauf, ihre Geistesbrüder im Faschismus, die hiesigen Nazis gleich mitzunehmen. Satire, gewiss.  Aber wenn in Satire kein Kern Realität steckt, ist sie keine, sondern nur blablabla. Es geht also im Kern darum, wie wir mit denen umgehen, die die Grundlagen unseres Zusammenlebens bedrohen. Das hätte seit Jahren zu einer linken, antifaschistischen Diskussion auch gehört, das zum Thema zu machen und nicht den alternativen Schleier der romantischen Verklärung über eine Community zu legen, die weder mit Sozialarbeit noch Integrationsbeauftragten zu erreichen ist. Wer’s nicht glaubt, kann gerne mal mit einer Kippa und in rosarotem Tuntenfummel über die Neuköllner Sonnenallee flanieren….

„Und so zerbröselt der Keks nun mal.“ Jim Carey in „Bruce Allmächtig“

04.06.2024 – Wie lange hält ein Kohlrabi im Ernstfall?

Hibiskus

Kohlrabi

Der Kohlrabi deckt ein individuelles Grundbedürfnis ab: Essen. Ohne Essen, Trinken, Schlafen kein Leben.

Der Hibiskus deckt ein sekundäres Bedürfnis ab: Sehnsucht nach Schönheit und Poesie.

Um Interessen geht es in den bevorstehenden Wahlen. Es gibt verbindende Interessen, wie das Überleben der Gattung Mensch und des Planeten, nur die Wege zur Realisierung sind umstritten. Es gibt antagonistische Interessen, unversöhnlich. Reiche Menschen im Norden wollen ihren Besitzstand bewahren, den Reichtum vermehren, koste es, was es wolle und wenn es das Leben von Millionen im Süden, aber nicht nur da, ist. Arme Menschen wollen überleben. Wer behauptet, unter den Bedingungen des Kapitalismus sei eine Lösung dieses Interessenkonfliktes möglich, lügt oder ist dumm.

Interesse ist eine allgemeine politische Kategorie der Verortung von Zielen und Wünschen von sich in Kollektiven und Gruppen organisierenden Individuen.

Bedürfnis ist eine psychologische Kategorie im individuellen Erleben der Sehnsucht, einen Mangel zu beheben. Der Mangel kann objektiv-existenzbedrohend sein, wie Hunger, oder falsch-pathologisch, wie im Bedürfnis, andere zu quälen oder zu töten.

Die Beschäftigung mit den Wechselwirkungen der Kategorien Interesse und Bedürfnis ist gleichzeitig eine mit denen von Demokratie und Kapitalismus und insofern eine existentielle.  

Bedürfnisse können gelenkt, gesteuert, verfälscht, geweckt werden. Unsere Konsumgesellschaft und damit der Kapitalismus würde ohne diese Prozesse nicht existieren. Davon lebt nicht nur die Werbeindustrie, sondern die ganze Bewusstseinsindustrie. Medien, sozial oder nicht, Literatur, Kunst, Popmusik, Kino produzieren jeden Tag Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen in uns. Am Ende z. B. das Bedürfnis, einen glattrasierten, gestählten, gepimpten, gedopten Körper zu haben, der im alltäglichen Überlebenskampf die besseren Chancen nicht nur auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, sondern auch im Konkurrenzkampf um Jobs, Kohle, Einfluss, Macht hat.

In Krisenzeiten, wenn Ängste zunehmen und Orientierungen verloren gehen, kippt das individuelle Bedürfnis, bei der Suche nach Gemeinschaft, Halt, Sinn, in ein vermeintlich objektives Interesse. Die so zugerichteten Individuen orientieren sich an den Machtgruppen, Parteien, die ihre individuellen Bedürfnisse als vermeintlich kollektives Interesse bündeln und artikulieren. Der Volkskörper entsteht.

Beispiele für den geschilderten Prozess: Konsum als höchster Fetisch, Wettbewerb und Konkurrenz als Religion, der Beibehaltung des Status quo, koste es, was es wolle. Man schaue sich nur die nichtexistierende Rolle von Klimapolitik im EU-Wahlkampf an. Vertreter dieser reinen Lehre wie CDU, FDP, AfD mit dem Zusatzmerkmal der rassereinen Nation, Teile der SPD und Grünen und fast alle Kleinparteien werden bei den nächsten Wahlen ein überwältigendes Wahlpotential von mehr als 70 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, die Mehrheit der Nichtwählenden kann man noch dazu rechnen.

So kommt es, dass am Ende die arme Wurst aus einem sozialen Brennpunkt, die sich täglich in einer Muckibude für das Rattenrennen da draußen pimpt, begeistert AfD wählt, eine AfD, die den gesäuberten Volkskörper predigt, Volksgesundheit, reines Blut und deren Männer- und Frauenbild dem des für den Krieg gestählten SS-Mannes oder der blond-drallen, allzeit gebärfähigen BDM-Maid gleicht. Die Wurst wählt AfD, obwohl deren unmenschliche Politik ihn mit als erstes im Ernstfall Faschismus als asoziales Element in einem KZ verwursten würde.

 Fazit:

Mein Interesse:

Botox inne Fresse?

Ich werde mich jetzt mit handfesten Fragen beschäftigen: Wie lange hält mein Kohlrabi im Ernstfall? Aktuelle Schlagzeilen legen eine derartige Beschäftigung nahe:

Keller statt Bunker – wo die Deutschen im Kriegsfall Schutz suchen. sollen  

Und die oberste Flakhelferin der Nation, Marie-Agnes Flak-Zimmermann, will 900.000 Reservisten mobilisieren.

Also mein Interesse ist das nicht….

03.06.2024 – Interesse und Bedürfnis in Zeiten kollabierenden Weltgeschehens


Hängt in der Bar Galander bei mir um die Ecke im Kreuzberger Yorckkiez. Schöner Text, hätte es genauso geschrieben. Diese Klage über ex-linksalternative Spießer, die früher auf Demos Steine geworfen haben, das linksradikale Maul über alle Ohren aufgerissen haben und heute reaktionäre, kriegstreibende Ex-Außenminister sind, die in ihrem schicken Altbau-Kiez nur noch eins haben wollen: Sicherheit durch Ruhe, Recht und Ordnung, stammt keineswegs von einer Radaulokalität wie dem „Trinkteufel“ oder dem „Jodelkeller“ aus SO 36, sondern aus dem stilvollen, schicken, gentrifizierten Teil Kreuzbergs, SW 61. Das Galander hat ein exklusives Getränkeangebot in einem überaus charmanten und eleganten Ambiente. Übrigens keinesfalls überteuert, ein Kessler Hochgewächs Chardonnay Sekt für 8 Euro gibt von der Preisgestaltung keinen Grund zur Klage. Auf dem Karneval der Kulturen mussten für einen Proll-Aperol schon 9 Ocken abgelatzt werden, eine Unverschämtheit. Wir können beim Galander also davon ausgehen, dass dort keinesfalls Horden grölender und Flaschenwerfender Punks bis ins Grauen des Morgens auf dem Bürgersteig die Nachbarschaft peinigen.
Und trotzdem gibt es auch dort schon Klagen von einer Nachbarschaft, die besser auf den Zentralfriedhof passt. Natürlich ist das nicht mein Stammlokal, das ist und bleibt bis zum bitteren Ende der „Hades“ bei uns im Haus, Flasch Bier einsfuffzich und Pizza 8 Euro. Ich weiß nicht, ob im Galander Wohlstands-Nazis aktuelle Deutschland Klassiker grölen. Ich war zweimal drin, nach dem Motto: Über den eigenen Glasrand zu schauen, kann nicht schaden, und kann die Klientel nicht wirklich beurteilen, aber die beredte Klage oben im Schaufenster spricht für sich und könnte so auch in vielen anderen Kiezen der Republik hängen.
Die hier skizzierte Entwicklung ist nicht neu und Teils eines umfassenden und uralten Generationenkonfliktes. Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.
Eine – offene – Frage für mich dabei: Wie wirkt sich das aktuelle jahrelange Dauerkrisen-Geschehen auf diesen Konflikt aus, wie prägt es das nachbarschaftliche Zusammenleben? Wenn allenthalben über die Verrohung der Gesellschaft geklagt wird, eine Entzivilisierung, dann hat das nicht nur mit dem politischen Rechtsruck, der Faschisierung zu tun, sondern auch mit Mikroprozessen, in der Psyche der Beteiligten, in der Kleinstruktur der Kieze, in den Wohnungen, Kneipen, auf den Plätzen.
Und wir haben es bei diesem Galander-Konflikt mit einem klassischen Widerspruch von Bedürfnis und Interesse zu tun. Die Anwohnenden dort haben ein ausgeprägtes Ruhebedürfnis. Das existiert, unabhängig davon, ob das ein „falsches“ oder „richtiges“ Bedürfnis ist. Aber ist es auch ihr Interesse, dass irgendwann keine Kneipe, kein Italiener mehr im Kiez existiert, weil alle wegen Lärm dicht gemacht wurden?
Ich habe z. b. aktuell das Bedürfnis, in den Süden zu fliegen, dieser nasskalte Dauerregen aktuell ist schön für den Garten, aber nicht für mein Gemüt. Mein Bedürfnis ist Sonne, Licht, Wärme, Meer, Luft, etc. pp., die ganze Palette, die es hier nicht gibt zurzeit. Und nein, ich habe nicht das Bedürfnis, am hiesigen Meer in den zwei Sommermonaten, die es hier gibt, mit Milliarden Ostgoten in der Ponybar auf Sylt oder sonst wo auf Rügen das deutsche Liedgut zu pflegen, nur weil ich da mit der Bahn hinkomme. Eine Zugreise nach Korfu dauert mehrere Tage. Bleibt der Flieger. Also ist mein Bedürfnis ein „falsches“, weil es aus ökologischer Sicht kontraproduktiv ist? Wer befindet in letzter Instanz darüber, was „richtige“ und „falsche“ Bedürfnisse sind und was passiert, wenn „falsche“ Bedürfnisse staatlich und gesellschaftlich sanktioniert werden? Wenn also Fliegen teurer wird, unbezahlbar für Millionen, die schon jetzt ihren Haushalt, ihren Urlaub auf Kante genäht haben? Das wird eine Veranstaltung, bei der ich unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen nicht dabei sein möchte.
Aus dem Bedürfnis-Dilemma kommen wir nur raus, wenn wir die Kategorie des „Interesse“ einführen. Im konkreten Fall sollte also das Überleben des Planeten, eine gesündere Umwelt in meinem Interesse sein und ich sollte mich meinem Interesse gemäß verhalten.
Eine sehr schöne Vorstellung. Eine ähnlich schöne Vorstellung wäre eine Gesellschaft, bei der die Menschen bei den folgenden Wahlen ihrem Interesse gemäß wählen werden.
Schaun mer mal.
An diesem kleinen Beispiel, einem klassischen Dilemma, entfaltet sich die ganze düstere Pracht meiner dystopischen Weltsicht. Bleibt die Frage, ob es eher meinem Bedürfnis oder meinem Interesse entspricht, demnächst im Hades diverse Biere für einsfuffzich zu verklappen, bis Weltschmerz und Ekel in Heiterkeit und Frohsinn sich wandeln.

31.05.2024 – Tipps für den Alltag.

Gras mit Mulch: Mulch schützt Pflanzen vor Witterungseinfluss, hält Unkraut klein, speichert Regen und düngt. Die Pflanzen gedeihen besser. Der Effekt macht nach einer Versuchsreihe von mir mit gemulchtem und ungemulchtem Kohlrabi unter sonst gleichen Bedingungen ca. 30 Prozent.

Selbstgemachte Tomatenmarmelade sollte in keinem Haushalt fehlen: 500 Gramm Tomaten kreuzweise einritzen, ca. 5 Minuten überbrühen, Haut abziehen, Tomaten pürieren, mit ca. 220 Gramm Gelierzucker 1:2 aufkochen und unter ständigem Rühren ca. 5 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Kurz vor dem Abgießen in luftdichte Gläser (die Menge reicht für ca. 2 Honiggläser) kleingeschnittenen Basilikum, einen Schuss Gin und Curry nach Geschmack hinzufügen.

Heute lassen wir die böse, böse Politik mal außen vor.

29.05.2024 – Europameisterschaft und Europawahlen

Fußball EM, die Fans sind schon völlig aus dem Häuschen und können ihre Begeisterung kaum zügeln, wie dieser hier. Überall werden Freudengesänge angestimmt: Deutschland den Deutschen …. Unvorstellbar, wenn Deutschland Europameister werden würde. Erinnerungen an 1990 werden wach, der WM-Titel ….

Ab 1990 nahmen die Übergriffe auf nach Deutschland geflohene Menschen deutlich zu.

Nach dem Anschluss der DDR an die BRD und dem WM-Titel 1990 nahm der nationale Größenwahn bedrohliche Ausmaße ein. Leitmotiv: Deutschland, Deutschland, über alles.

2024, 30 Jahre später, klingt das Leitmotiv eher nach: Deutschland den Deutschen, Ausländer raus. Nicht mehr der nationalexpansive Größenwahn von 1990, der bei Nachbarstaaten ungute Erinnerungen an 33ff. und Eroberungs-Ängste hervorrief, ist die Grundlage für Herrenmenschengehabe, sondern die tiefe Krisenverunsicherung eines Kapitalismus im Übergang zur Barbarei ruft bei den Volksgenoss*innen eine hasserfüllte Sehnsucht nach einem ethnisch reinen und vermeintlich sozial gerechteren Deutschland hervor: Unsere Leute (also arisch reinblütige Kartoffeln) zuerst. Dann gibt es für uns mehr vom Kuchen ab. So die groteske Hoffnung des Mobs auf einen sozialeren Kapitalismus im Rahmen einer nationalen Endlösung aller Überfremdungsängste. Als ob die Kartoffeln in den sozialen Brennpunkten auch nur einen Cent mehr kriegen würden, wenn alle Ausländer raus wären.

Die Vorstellung eines schwarzrotgoldenen Fahnenmeeres nach einem BRD-Sieg bei der EM hat also etwas Bedrohliches, angefangen von einem Stimmungsschub für die AfD-Nazis bei den Wahlen in der Ostzone im September bis hin zu wachsenden Überfällen und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, Synagogen, Ausländer, Juden, Diverse etc. pp.

Ich werde jedenfalls darauf hoffen und wetten, dass Deutschland in der Vorrunde rausfliegt. Wie schon bei der WM 2018 setze ich auf einen fetten Reibach bei einer Quote von 20:1, als die Ostgoten gegen Südkorea in der Nachspielzeit verloren und Letzter wurden. Ich weiß noch, wie ich sofort mit meinem Wettschein in das dubiose Wettbüro in Kreuzberg aufbrach und hoffte, unbehelligt mit den Scheinen ins süße Glücksgefühl des Gewinners eintauchen zu können. Was dann auch der Fall war. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Was also tun? Zum Beispiel bei der EU-Wahl nächsten Monat?

Gregor Gysi neulich in Hannover. (Mit dem Vorsitzenden der Linken, Martin Schirdewan.)

Gysi ist älter geworden, wer nicht, aber zum Schluss kam er noch in Fahrt. Schirdewan war mit Power dabei. Ich teile deren Positionen (ohne große Begeisterung) zumindest soweit, dass ich der Empfehlung meines Wahl-O-Mat-Ergebnisses zur EU-Wahl folgen und für die Linke stimmen werde. Eine leninistische Kaderpartei mit Führerinnen-Prinzip wie beim Bündnis Wagenknecht kommt für mich nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass, wer links blinkt und rechte Ideologie im Kofferraum hat wie dieses Bündnis, in der Regel irgendwann endgültig rechts abbiegt.

Blick in den Rückspiegel: alle linken, antiimperialistischen Befreiungsbewegungen früherer Jahre von den Sandinistas über ANC bis PLO etc. sind in einem Sumpf aus Nationalismus, Korruption, Diktatur und Faschismus, siehe Hamas, versunken.

Noch weiter zurück und radikaler: Die NSDAP besaß einen großen sozialrevolutionären, antikapitalistischen Flügel. Dessen führende Mitglieder wurden in den parteiinternen NSDAP-Machtkämpfen und Mordaktionen 1934 alle ermordet.

What’s left: Wer wenigstens den Gedanken an eine emanzipatorischere, solidarische Gesellschaft nicht völlig auf dem Misthaufen der Geschichte verschwinden lassen will, sollte die Linke wählen. Es wird real nicht viel bewegen, aber ein kleines rotes Licht sollte am Flackern erhalten werden, damit spätere Jahrgänge das Feuer nicht wieder komplett von vorne erfinden müssen.

Ich muss jetzt los, ins Wettbüro….

27.05.2024 – Das Leben ist weder ein Wunschkonzert noch ein Ponyhof.

Ausstellung „Iconic“, VW Museum, Berlin, Unter den Linden.

Polaroid SX 70. Ich besitze immerhin ein noch funktionierendes Modell des Nachfolgers Polaroid 600, was damals für jede Menge Spaß sorgte. Einträglicher wäre es, ein Nachfolgemodell des obigen Porsche zu besitzen, aber das Leben ist weder ein Wunschkonzert noch ein Ponyhof. Dieses Gefühl über das Leben im Allgemeinen, die AfD im Besonderen und den Faschismus im Speziellen scheint allerdings in breiten Teilen des bürgerlich-öffentlichen Spektrums zu herrschen. Wenn ich da so die ersten Einschätzungen der Kommunalwahl von gestern in Thüringen zur Kenntnis nehme, frage ich mich, ob ich vielleicht in einem Paralleluniversum lebe: Erleichterung darüber, dass der AfD kein Durchmarsch an die Macht geglückt ist, so ein weitverbreiteter Tenor, der allerdings kein Heldentenor ist. Unter „normalen“, dieses Wort ist nur noch in Anführungszeichen zu benutzen, Umständen müsste die AfD nach einer unablässigen Folge von Skandalen, kriminellen Handlungen, einer völligen Abwesenheit von irgendwelchen konkreten Politikansätzen und seien sie auch noch so abstrus, nach Dauerhassattacken untereinander, nach purem Politirrsinn, vollkommen pulverisiert sein, im Promillebereich sowohl bei den Wahlanteilen als auch bei ihren verzweifelten Mitgliedern sich bewegen. Aber nichts dergleichen. Die Champagnerflaschen sind schon kaltgestellt bei denen für das Ergebnis bei der Europawahl. In Thüringen sind sie in 9 von 13 Stichwahlen und im aktuellen Wahltrend zur EU-Wahl https://dawum.de/Europawahl/ mit fast 17 Prozent liegt die Partei stabil auf Platz 2.

Für den Wahlmob der AfD scheinen drei Varianten der Wahrnehmung zu herrschen: Die Skandalmeldungen über die Partei erreichen den nicht, weil er mittlerweile vollkommen außerhalb der „normalen“ klassischen medialen Landschaft lebt, nur noch in seinen Filterblasen, er kennt die Skandale zwar, aber sie sind ihm egal, weil er sich „normalerweise“ genauso verhalten würde, also bestechen lassen, oder er kennt sie und hält die Berichterstattung darüber für eine linksgrünversiffte Hetzkampagne der Eliten gegen die wahren Deutschen.

Eine Brandmauer gegen Rechts existiert nicht mehr, sie verhält sich real wie unsere symbolische aus Pappkartons vom 23.05 in der City von Hannover. Auf den ersten Blick stand sie stabil und solide, aber sobald ein Windstoß kam und wir sie nicht fixierten, zerlegte sie sich in Einzelteile, was mehrfach passierte. Bei der Aktion sorgte das für ordentlich Gaudi, in der realen Gesellschaft würde ich nicht so fröhlich drüber lachen.

Bereits jetzt kursieren in Kommentaren vermehrt Einschätzungen, man könne „Rechts“ in Deutschland nicht länger ignorieren, das sei ja jetzt „normal“ wie im Rest Europas, müsse die „vernünftigen“ Teile der AfD einbinden, die ja auch eine Protestpartei sei, und in der Regierungsverantwortung entzaubern.

Entzaubert werden am Ende jene dummen Kommentar-Auguste, die offenbar Zuhause noch nicht mal ein zweiseitiges Geschichtsbuch besitzen. Zur Erinnerung: Franz von Papen, vorletzter Reichskanzler vor Hitler, hatte einen genialen Plan vor dessen Machtergreifung, Zitat: „ …  Papens Plan war es, Hitler „einzurahmen“, ihn und seine Stimmen zu kaufen und in Wirklichkeit selbst die Macht auszuüben. Er soll dazu geäußert haben: „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht!“ …“

Papen überlebte die Mordaktionen Hitlers nach der Machtergreifung nur, weil er von Göring unter Hausarrest gestellt worden war.

Natürlich wiederholt sich Geschichte nicht in gleichen Mustern, aber ein bisschen lernen könnte man schon, gell…

Papen wurde im Rahmen der Entnazifizierung 1947 zu 8 Jahren Arbeitslager verurteilt. 1949 wurde er freigelassen und seine Vermögenseinziehung rückgängig gemacht. Er starb 1969 mit 90 Jahren.

Normal.

Ohne Anführungszeichen.

24.05.2024 – Immer noch tragbar.

Screenshot Hallo Niedersachsen, NDR, 23.05.2024, 19.30 Uhr.

Wenn ich aus Berlin kommend in Hannover in die U-Bahn steige, ziehe ich immer automatisch den Kopf ein, so niedrig sind hier die U-Bahnstationen. So eng, so provinziell. Mitunter möchte ich am liebsten umkehren und zurück in die Metropole. Riefe da nicht die Pflicht, die Rettung des Grundgesetzes, der Demokratie, des Vaterlandes, mit einer Aktion in der City. Zitat NDR:

„Die „Aktion Brandmauer“ stellt AfD-Aussagen Grundgesetz-Artikel gegenüber. In Hannover ist zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes eine symbolische Brandmauer gegen Rechtsextremismus aufgebaut worden. Ausschnitte des Grundgesetzes wurden AfD-Aussagen gegenübergestellt.

Die Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK) wollte mit der Aktion am Donnerstag am Kröpcke ein Zeichen gegen Extremismus setzen. „Die Demokratie ist so bedroht wie nie zuvor nach dem Krieg“, sagte Fabian Steenken von der LAK. Hauptursache für die Zunahme von Rechtsextremismus sei die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich.

Zitate zeigen, wie AfD Grundgesetz missachtet. Die „Brandmauer“ der LAK besteht aus Pappkartons, auf denen Zitate von AfD-Politikern zu lesen sind. Auf der Rückseite sind die ersten 19 Artikel des Grundgesetzes abgebildet, die unveräußerlichen Grundrechte. Damit will die Landesarmutskonferenz zeigen, dass die AfD mit ihren Aussagen unser Grundgesetz missachtet, sagt Organisator Fabian Steenken.

Quiz: Brandmauer aufbauen oder beschädigen?

Passantinnen und Passanten konnten mitmachen und Fragen zum Grundgesetz beantworten – bei einer richtigen Antwort wurde die Mauer durch einen zusätzlichen Stein stabilisiert und bei einer falschen wurde ein Stein herausgeschlagen.“

Wenn mir das vor Krisenzeiten, vor 10 Jahren meinetwegen, jemand prophezeit hätte, dass ich mich mal auf die Straße stellen und für Demokratie im Lande und das BRD-Grundgesetz mobilisieren würde, hätte ich dem einen Vogel gezeigt. Nicht dass ich das Grundgesetz und unsere Demokratie verachtet hätte oder geringgeschätzt, aber beides hätte ich damals, na, sagen wir mal, noch für so ausbaufähig gehalten, dass ich meine Energien und Zeit für besseres, kreativeres investiert hätte. Denn eine Brandmauer gegen Rechts ist sicher nicht der Gipfel der Originalität. Aber der Wurm muss ja dem Fisch, also den Medien, und nicht dem Angler, also mir, schmecken. Die Medien kamen, die Demokratie war gerettet.

 Für dieses Mal wenigstens. Und zurück bleibt der schale Geschmack der Erkenntnis, wie sehr sich doch die Zeiten geändert haben. Dramatisch verändert, wie die EU-Wahl zeigen wird. Denn wahrscheinlich geht der ideellen AfD-Gesamtwählerin die Tatsache, dass die anderen Nazis in Europa unsere Nazis für zu sehr Nazi halten, sowas von am Arsch lang, dass sie trotzdem ihr (Haken)Kreuz an der rechten Stelle machen werden. Am doitschen Wesen soll die EU genesen.

Schön an der Aktion allerdings unsere Tragetüte, in der die Passanten ein Exemplar des GG nach einer Quizfrage mit nach Hause tragen konnten. Aufschrift der Tüte: „75 Jahre Grundgesetz – Immer noch tragbar“. (Aus dem Hause Sievers/Kupas) .

Das war dem NDR ein Extralob wert. Und auf dem LAK-Instagram-Account gab es einen Extra-Award für über 25.000 Klicks für einen Reel. So sieht die Bilanz des gestrigen Tages trotz Rücksturz in die Provinz einigermaßen passabel aus.