01.06.2023 – Karneval Nachlese

Die Teilnehmenden am Karneval der Kulturen arbeiten das ganze Jahr auf diesen einen Tag hin. Da gibt es keine Folgekonzerte oder Auftritte, nur diesen einen Tag. Heroes just for one Day. Dieses Gefühl vermittelt sich auch den Zuschauerinnen. Na ja, nicht allen. Natürlich gab es einen gigantischen Haufen Müll, eine Riesensauerei sowas. Aber wo immer mehr Menschen ihr Leben nicht im Griff haben unter den immer schlimmer werdenden Verhältnissen, wie sollen die da ihr Abfallproblem in den Griff kriegen. Und hier beim Karneval haben sie endlich mal das Gefühl, nicht ausgeschlossen zu sein, Teil von etwas Großem, Schönen zu sein, etwas, das über sie hinausweist und für einen Moment den Blick auf eine mögliche, bessere Welt freilegt. Also ja, zuviel Müll. Aber das ist es die Sache wert und die Mädels und Jungs von der Mülle, so ihre Selbstbezeichnung, machen jeden Karneval einen phantastischen Job. Direkt nach dem letzten Karnevalswagen setzen sich Reinigungs-Kolonnen in Bewegung und ein paar Stunden später ist nichts mehr vom Spektakel der Hunderttausende zu ahnen. Schön auch die Gesundheitsbilanz: Es gab laut Presse gerade einen Kreislaufkollaps. Ich habe nicht einen Volltrunkenen oder Drogenüberdosierten gesehen.

Bergmannstr., Zentrum Kreuzbergs und Einflugschneise zum Karneval, am Tag des Umzugs. Alles dicht.

Arndtstr. gleicher Zeitpunkt, Parallelstr. 50 Meter weg.

Das Phänomen kennen Sie vielleicht aus gut besuchten Urlaubsorten. Im Zentrum ist der Teufel los, zwei Straßen weiter Leere, beschauliche Stille. Der Herdentrieb. Bei sowas von Schwarmintelligenz zu sprechen, scheint mir vermessen. Ich würde eher von Schwarmblödheit reden. Mir soll’s recht sein. War schön auf der Arndtstr. , mit Blick auf die Bergmann…

31.05.2023 – Im Rausch des Karnevals

Emily Intsiful, Souljazz, afrikanische Rhythmen, mit klassischen Koloraturen.

Ein außergewöhnliches Musikerlebnis beim Karneval der Kulturen, sollte die junge Dame mal in Ihrer Nähe gastieren, nichts wie hin. Traumwetter, fantastische Musik allenthalben, entspannte Stimmung, sattbunte Impressionen aus aller Welt , die durch Corona entwöhnten Sinne konnten sich vollsaugen. Später kamen wir mit einer jungen Bulgarin mit charmantem Schweizer Dialekt ins Gespräch, über Gott und die Welt. Sie bot uns von ihrem Gras an, mit so umwerfender Wirkung, dass ich froh war, gerade mal zu sitzen. Ich weiß noch, dass sie mich fragte, ob die Gedanken sich ändern, wenn man älter würde, ob man vergesslicher würde. Im Nebel des Grases schien mir die Frage von epochaler Bedeutung. Ich grübelte nach einer fundamentalen, alles ergründenden Antwort. Die Zeit deeeehnte sich, endlos. Ich versuchte, zu lächeln und hoffte, dass es nicht nach einer Gesichtslähmung aussah. Dann sagte ich, nach mehreren Jahrhunderten : „Äh, wie war Deine Frage nochmal?“

Irgendwann ist auch die schönste Fiesta mal vorbei. Mein Begleiterin blieb in einem U-Bahn-Fahrstuhl stecken und musste von der Feuerwehr befreit werden. Eine schöne Geschichte für spätere Lagerfeuer, aber wer die mitunter paranoid machende Wirkung von Gras kennt, weiß, dass das weniger lustig sein kann, als es sich liest.

Spät, früh, der Morgen würde demnächst grauen und mir auch, sass ich noch vor dem türkischen Imbiss in unserem Haus, WG-intern Hades genannt , und der Ex-Dealer aus dem 4. Stock erzählte Einzelheiten von seiner Verhaftung. Wie er von 12 Leuten vom SEK mit vorgehaltenen Waffen nächtens aus dem Bett geholt wurde, nachdem sie die Tür mit einem Rammbock geöffnet hatten. Ich kriegte vor Lachen Bauchmuskelkrämpfe. Er mit. Damals war es nicht so lustig.

Der Karneval der Kulturen war schön. Aber jedes Wochenende wär mir das zu anstrengend. Ich freute mich dann schon auf die nächste Ausstellung. Hugo van der Goes, Niederländer, Renaissance in Vollendung, ein Rausch der ganz anderen Art.

29.05.2023 – Karneval der Kulturen: Jung und Alt, Bunt und Divers.

Der Karneval existiert seit 1997 und bietet den über 500.000 Berliner*innen aus 140 Nationen die Möglichkeit, ihre Kulturen und Identitäten zu präsentieren. Er war unter anderem eine Antwort auf die rassistischen Brandanschläge, die als Folge der Wiedervereinigung bundesweit grassierten.

Ich flanierte durch die Sammelzone, wo die Wagen Aufstellung nahmen zum Start. Es war nicht so voll wie an der Umzugsstrecke , eine flirrende Atmosphäre voller Spannung und Vorfreude, die Akteure probten letzte Schritte, Trommelrhythmen, legten nochmal Hand an die Kostüme. Der erste Wagen war eine Sambaschule, gertenschlanke dunkelhäutige Berlinerinnen , die aus Kreuzberg ein Rio de Janeiro machten, umlagert von Fotografen, teils mit riesigen Objektiven . Diese Dinger haben was ziemlich phallisches. Ich fand’s einen komischen Anblick. Grundsätzlich gilt für den Karneval: Jung und Alt, Bunt und Divers.

Eingeladene Gäste aus dem Bundesgebiet: Die Freien Schnappviecher aus Recklinghausen , ein Kulturzentrum. Die Wagen sind unterschiedlich groß, kleine werden mittlerweile per Fahrrad gezogen. Das Wetter ist ideal, auf dem Festplatz rund um den Blücherplatz läuft heute noch die bunte Fiesta mit Rhythmen und Kulinaria aus aller Frauen Länder, an jedem zweiten Späti im Umfeld spielt ein DJ sein Programm, Kreuzberg im Ausnahmezustand. Der türkische Imbiss in unserem Haus, intern Hades genannt, macht den Umsatz des Jahres. Dazu später mehr, ich muss noch ne Runde chillen. Kraft tanken für den Endspurt.

27.05.2023 – Ich und der Karneval der Kulturen laufen uns langsam warm

Karneval der Kulturen, Kreuzberg, Festplatz rund um die Heilig Geist Kirche.

Der pfingstliche Verkehr in Berlin ist noch irrer als eh, auch die Radler rasen, als ob es kein Morgen gäbe. Mittlerweile trage ich den Helm, in Hannover eher sporadisch, selbst wenn ich das Veloziped schiebe. Vielleicht wirft der Karneval der Kulturen nach dreijähriger Coronapause ja seine fiebrigen Schatten voraus, beschwingt die Gemüter, lässt Herz und Trittfrequenz auf dem Radl schneller werden. Vom Geheimtipp hat sich der Karneval im Laufe der Jahre zu einem Megaevent entwickelt, vermutlich mit Bildern in der Tagesschau vom großen Umzug am Sonntag. Trotz Fülle herrscht aber eine vollkommen andere Atmosphäre als bei Fussball und ähnlichem, friedlich, beschwingt, kommunikativ, die Leute sind meist zu bekifft für Aggression.

Man erhält die Gelegenheit, den Feinheiten der Küchen aus Usbekistan, Georgien und dem Spreewald auf die Spuren zu kommen und wird beim flanieren über den Festplatz von einem Musikteppich zum anderen getragen. Gen Abend wirds allerdings voller. Dann werd ich allerdings auch meist träger. Wenn man immer diese Marihuana Schwaden mitinhaliert, das bleibt ja nicht ohne Folgen. Passivrauchen tötet. Früher oder später. Peace. Ich muss los. Der Karneval ruft.

26.05.2023 – Der Textilarbeiterstreik von Crimmitschau

Irgendwo in Kreuzberg. Autos interessieren mich so viel wie ein Betonpfosten in Oer-Erkenschwick, aber da hab ich schon mal hingeguckt. Zumal der laut Zettel hinten dran noch fahren soll. Der Besitzer befindet sich in einem erbitterten Krieg mit dem Ordnungsamt, dass das Ding weghaben will. Versuch sowas mal in Kreuzberg durchzusetzen.

Noch älter als diese famose Karre ist der Textilarbeiterstreik von Crimmitschau, eine Ikone unter den Streiks der daran nicht armen Arbeiterbewegung. 1903 geführt gegen unmenschliche Arbeits- und damit Lebensbedingungen: 11-Stunden-Tag, Hungerlöhne, die zum Leben nicht reichten und menschenverachtende Arbeitsbedingungen

Da die Arbeiterbewegung damals ständig am wachsen war, Gewerkschaften und SPD wurden immer stärker und einflussreicher, entwickelte sich der Streik über Monate zu einem „No pasaran“ seitens des Kapitals. Die Unternehmer wussten, wenn sie sich selber nicht organisierten und gegenhielten, würde ihnen eines Tages etwas drohen, was der erst ein paar Jahre zuvor verstorbene Karl Marx im „Kommunistischen Manifest“ prophezeit hatte: „Ein Gespenst geht um in Europa! Das Gespenst des Kommunismus…“

Und dieses Gespenst würde ihnen das Leichentuch weben.

Also schlossen sich die Unternehmer in Arbeitgeberverbänden zusammen, sammelten Geld gegen den Streik, mobilisierten Politik, Polizei, Presse, selbst die Pfaffen wetterten von den Kanzeln gegen die Streikenden, die dort unter Risiko ihrer Existenz um eine Verbesserung ihres erbärmlichen Lebens kämpften. Mit Erfolg.

Nach sechs Monaten brach der Streik zusammen, eine schwere Niederlage der Arbeiterbewegung, die allerdings für zukünftige Kämpfe als Fanal bewahret wurde und insofern positives hatte: Kein zweites Crimmitschau. Soweit in Kürze die Geschichte.

Mit einer kleinen Korrektur: Wenn Sie sich das Foto im Artikel des Links anschauen, sehen Sie: Alles Frauen. Es war ein Textilarbeiterinnenstreik. Anders als das männliche Genus uns vorgaukelt, waren es eben keine schwieligen Arbeiterfäuste, die sich da im Blaumann dem Klassenfeind trotzig entgegenstellten. Das ist, und jetzt kommen wir zur Nutzanwendung der Geschichte durchaus nicht trivial im albernen Sinne eines „Ach, die Frauen sind doch immer mit gemeint“.

Das durchweg maskuline Genus früherer Jahre bei allen Beschreibungen fand und findet natürlich Eingang als Datengrundlage in jene Algorithmen, die im Rahmen von KI auf der Basis der Vergangenheit über unsere Zukunft bestimmen. Da Algorithmen im Zweifel wissen, dass es – mindestens – zwei Geschlechter gibt, sie aber fast ausschließlich in männlichen Kategorien agieren und also auch maskulin zentrierte Entscheidungen treffen, die die Anwender*innen meist kritiklos übernehmen, kann das schon mal lebensgefährlich werden. Wenn nämlich Algorithmen medizinische Diagnosen und Therapien erstellen, deren Medikationen am männlichen Körper orientiert sind.

Weniger lebensgefährlich, aber diskriminierend: Personalentscheidungen auf KI-Basis, wenn die Arbeitswelt nach Daten-Basis ausschließlich bis überwiegend als eine männliche erscheint, werden natürlich sofort alle Frauen im Vorfeld automatisch aussortiert, wenn’s besonders dämlich läuft. Und KI ist, anders als der Name sagt, immer besonders dämlich, nämlich genauso dämlich wie die Menschen dahinter.

Die Geschichte kann sich zwar digital, durchaus fortschrittlich Marx folgend, als eine Geschichte von Klassenkämpfen darstellen, aber nach Algorithmen eben als eine von Männern geführte. Was das im individuellen aber auch kollektiven Unterbewusstsein, und in Schulbüchern, Feuilletons etc., für Bilder und Ressentiments produziert und tradiert, brauche ich Ihnen, meine Leserinnen, nicht zu sagen. Dem Rest der Welt schon.

Und deshalb gehe ich in diesem Blog gerne spielerisch mit der Frage der geschlechtersensiblen Sprache um und verwende oft die rein weibliche Form. Ich gehe davon aus, dass Sie, liebe Leser, dass nicht krummnehmen. Sonnige Pfingsten.

24.05.2023 – Ich find das lustig

Dosenöffner, gesehen neulich in einem Etablissement für Sporttreibende. Ein fetter, unfreundlicher Wirt, vermutlich im Dienstleistungsgewerbe in der Ostzone groß geworden, im Sanitärbereich Gemeinschaftsduschen und das Essen zum Kotzen, genau das Biotop, in dem solche Getränke gedeihen. Würde man dem Wirt sagen, dass sowas sexistisch ist und frauenfeindlich, würde er verständnislos die Schulter zucken: „Nö, ich find das lustig.“ Natürlich können frauenfeindliche, rassistische, etc. Witze, Satiren, Texte so sein, dass auch mal Menschen drüber lachen (müssen), die nicht frauenfeindlich oder rassistisch sind. Satire, Texte haben immer auch etwas mit Handwerk zu tun und wer sich da an gewisse Regeln hält, erzielt Wirkung auch mit Scheisse. Was aber immer bleibt neben der Oberflächenstruktur eines Textes, also dem Handwerk, ist natürlich die Tiefenstruktur. Die ist dann unter Umständen frauenfeindlich, rassistisch etc. Um das zu realisieren, braucht es aber ein Gefühl, eine Erkenntnis dafür, sei es durch Betroffenheit, Sozialisation, Empathie, Intellektualität, Belesenheit, Gespräche, was der Instrumente von Einsicht und Erkenntnis immer auch sein mögen.

Wer das nicht hat, wird immer sagen: „Nö, ich find das lustig.“ Da haben auch Argumente keinen Sinn, da fehlt der Resonanzboden, durch eine Mauer an Ressentiments kommen Sie nie mit Argumenten durch.

Lassen Sie mal einen Tischtennisball und einen Lehmklumpen nebeneinander auf den Boden fallen, dann werden Sie hören, was ich meine: Toktoktoktok, Resonanz ohne Ende. Und Lehm: Plopp.

Falls Ihr „Nö, ich find das lustig“-Gegenüber aus anderen Gründen so antwortet, besteht eine Chance auf Einsicht, nämlich dann, wenn der Betreffende aus der Scham des Ertappten so antwortet, der das nicht eingestehen will. Und/oder aus Trotz, nach dem Motto: „Er hat recht, aber von dem Penner lass ich mir nix sagen.“

Da können Sie auf Langzeitwirkung hoffen. Für das oben erwähnte Etablissement mit samt seinem (Lebend-)Inventar galt aber für mich von der ersten Sekunde Dantes Inferno:

„Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“.

Ich vermeinte förmlich, den Schweiß von Legionen von Dumpfbacken zu riechen, die nach getaner Fron in der Gemeinschaftsdusche …

Hier versagt mir die Sprache.

23.05.2023 – Bienen fliegen ziemlich CO2 neutral

Biene im Anflug auf Mohnblüte. Leider kriege ich mit meinem Smartphone keine besseren Aufnahmen von sowas hin. Aus dem Mohn produziere ich ein bekömmliches Schlafmittel. Wie heißt es doch in Vergils Metamorphosen so treffend: „„Jetzt erscheinet die Nacht, mit Mohn bekrönet die sanfte Stirn; es folget ihr nach schwärzlicher Träume Gebild.“

Bienen fliegen ziemlich CO2 neutral, was ich von mir nicht behaupten kann. Fliegen ist eine ökologische Schwerstsauerei, die mit Abstand klimaschädlichste Form der Fortbewegung. Zitat aus Spiegel Artikel, leider Bezahlschranke: Wer in den Urlaub fliegt, gefährdet das Überleben auf diesem Planeten.

Das ist natürlich Öko-Blödsinn. Das Überleben auf dem Planeten wird auch nach einer Klimakatastrophe jenseits einer 4 Grad Erderwärmung nicht gefährdet sein. Es ist nur die Frage, für wen. Für welche Individuen und welche Spezies. Im Zweifel werden es eher Reiche im globalen Norden sein. Die Frage ist, ob das wünschenswert ist.

Mir ist das ziemlich egal. Wütend macht mich das nicht, es sind eher Kopfgeburten, die da in mir walten, keine Emotionen. Es sind die konkreten, akut drohenden gesellschaftlichen Konsequenzen, die mich interessieren, nicht das abstrakt-ferne, idealistische Ziel einer Weltenrettung. Weltenrettung ist Romantik und die, das wissen wir spätestens seit der Vollendung der Romantik im Nationalsozialismus, ist der Vorort der Hölle

Reisen, also auch Fliegen, entspannt, erweitert Horizonte, verbindet, baut Ressentiments ab, ist Bildung, identitätsstiftend, sorgt für Distinktion, Mehrwert an sozialem Status. Das allerdings reduziert sich zunehmend im Zeitalter von Flugscham. Mit einem Reise per Hundeschlitten durch Meck-Pomm dürfte man eher Distinktionsgewinne erreichen.

Wer reist, ist auf der Suche nach dem Glück und sich selbst. An Menschen, die nicht reisen, geht ein wesentlicher Teil des Lebens vorbei. Deshalb gehört zur Definition von Armut zumindest in der EU, also relativer Armut im Gegensatz zu absoluter Armut im globalen Maßstab, neben Mangel an Einkommen, Ausschluss von Bildung und Gesundheit, fehlenden Rücklagen, Energiemangel etc. auch der Ausschluss von Reisen und Urlaub, was für über 20 Prozent der Bevölkerung zutrifft.

Gut für den Planeten, werden da die Ökos sagen, zumeist jene, die selber nicht fliegen, nicht von Armut betroffen sind und sich eher nicht durch ein Übermaß an soziologischer Phantasie auszeichnen.

Da sind mir die Grünen-Zyniker fast lieber, die den Planeten retten wollen, koste es, was es wolle. Und wenn es die Gasheizungen von ca. 7 Millionen deutschen Haushalten sind. Nach Verabschiedung des Entwurfs für das Heizungsgesetz flog die Hälfte der beteiligten Grünen-Referentinnen erstmal in den Urlaub, war ein hartes Stück Arbeit.

Dieser handwerkliche Pfusch, den die produziert haben, in guter deutscher Idealismus-Tradition des „Am deutschen (Heizungs-)Wesen soll die Welt genesen“ treibt schon jetzt der AFD in Scharen das Wahlvolk in die Arme und wird die nächste Wutwelle auf den Straßen hervorrufen.

Das macht mich schon eher wütend. Das Ökogedöns lässt mich kalt, was angesichts der wegen El Niño zu erwartenden Hitzewellen ein gesundes Gefühl ist.

Bedenklich, weil mich als Älteren potentiell auch treffend, stimmen könnte mich höchstens folgendes: Im vergangenen Jahr starben in Deutschland laut Robert Koch-Institut (RKI) etwa 4500 Menschen infolge von Hitze. Europaweit gab es in den Monaten Juni bis August 2022 sogar eine Übersterblichkeit von mehr als 100.000 Menschen. Das dürfte sich angesichts der drohenden El Niño Hitzejahre noch vervielfachen.

Aber da es in meinem nach Norden gehenden Arbeitszimmer noch nie wärmer als 24 Grad geworden ist, plane ich kühlen Gemüts die nächste Flugreise nach Korfu. Natürlich mit Kompensation. Und selbstverständlich bin ich für ein sofortiges Verbot von Flugreisen unter 1.500 km.

Die Luftlinie Berlin-Korfu beträgt übrigens 1.518 km.

18.05.2023 – Der Text dieses Blogeintrags wurde von ChatGPT erstellt.

Dieses Bild wurde von einer KI generiert

Der Text dieses Blogeintrags wurde von ChatGPT erstellt. ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer) ist ein Chatbot, der künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten zu kommunizieren.

Morgens im Aufwachen überfällt uns jäh, ungeschützt, nackt und roh die Erbärmlichkeit unserer Existenz. Wer hätte in der kurzen Spanne, in der der Halbschlaf noch die Ränder des Bewusstseins besetzt, nicht schon den kurzen Blitzgedanken gehabt: „Lass das Ganze einen Traum sein. Gib mir mein altes Leben zurück. Ich wünschte, ich wäre am Meer. Oder wenigstens tot“. Oder so ähnlich. Wohl denen in solchen Zeiten, die dann eine gut gefüllte Pillendose mit diversen Uppers greifbar haben. Auch durchaus hilfreich ist, zumindest kostengünstiger und ungefährlicher als sich in die Hände eines Psychoscharlatans zu begeben, beim morgendlichen Gang zur Toilette in Nasenhöhe an einer frisch gepflückten Gartenrose mit Prachtaromen vorbeizutapsen, kurz innezuhalten und eine volle Nase zu nehmen. Die köstlichen zitronig-frischen Duftexplosionen zaubern kurze Sonnenstrahlen ins düstere Gemüt und bieten einen besseren und gesünderen Start in den Tag als ein doppelter Brandy statt Frühstück.

Sollte Ihnen, liebe Leserinnen, das alles nichts sagen: Lucky you.

Wesentlicher als die Tatsache, ob Text und Bild bis hier tatsächlich mittels ChatGPT und KI generiert wurden, ist die Tatsache, dass Sie, liebe Leserinnen, sich dessen nicht sicher sein können.

Nie wieder, nirgendwo.

Und auch, dass Sie sich Ihres Jobs, so Sie einen haben, mittelfristig nicht sicher sein können. Auch nicht, wenn er akademisch sein sollte, Kompetenz und Qualifikation bedarf. 80 Prozent aller Juristerei z. B. könnten heute schon KI-generiert erledigt werden und je mehr Daten da einfließen, desto höher steigt der Automatisierungsgrad. Der aktuelle Fachkräftemangel steigert den Rationalisierungsdruck in den Unternehmen und wenn Rationalisierung erst mittels KI in allen Unternehmen ein standardisierter, kontinuierlicher Prozess wird, bin ich mir nicht mehr so sicher, dass wir mittelfristig auf Grund des demographischen Wandels ein Arbeitskräfteproblem haben werden und dass gute Bildung vor Erwerbslosigkeit schützt.

Was wir auch langfristig noch haben werden: Billigarbeitskräfte, die Dienstleistungen aller Art rund um die Uhr für die profitierenden „oberen“ 20 Prozent anbieten. Und: der Mehrwert von Digitalisierung, Rationalisierung, KI und ChatGPT landet beim Kapital. Immer.

Wir könnten schon heute eine Welt ohne Hunger, Unterdrückung, Kriege und Klimakatastrophe haben beim derzeitigen Stand der Produktivkräfte. Und was haben wir heute?

Vatertag.

15.05.2023 – Das Neueste aus der Hose von Jan Josef Liefers.

Filmpreis 2023. Oops, mal wieder in die Hose gegangen, so die Botschaft von Jan Josef Liefers im Bild, während Gattin Anna Loos skeptisch den Ort des flatulenten Geschehens betrachtet. Nichts dessen man sich schämen müsste, ist doch Stuhlinkontinenz mit zunehmendem Alter ein wachsendes Problem und deshalb möchte ich hier ein offenes und angstfreies Forum zu diesem Thema öffnen. Das wäre doch mal eine Utopie, ein Leben ohne Scham. Wobei der fortschreitende und mitunter komplette Verlust von Scham, Diskretion, Stil und Würde nicht nur im öffentlichen Diskurs mich doch an der Wünschbarkeit dieser Utopie zweifeln lässt.

Vom Menschlichen zum Erhabenen, vom Alltag zur Utopie ist es mitunter ein kleiner Schritt und so verlassen wir das Geschehen des Deutschen Filmpreises 2023 für alle Ewigkeit und widmen uns noch einmal der famosen Ausstellung „Retropia. Design for socialist spaces“

Retropia, Prototyp Sessel.

Design, von Zeichnung, Entwurf, ist ja letztlich auch Utopie. Design nimmt auf symbolischer Ebene, Zeichnung oder Entwurf, die Konkretion vorweg, sei es für den individuellen Alltag oder das gesellschaftliche Geschehen wie Stadtplanung, Architektur. (Mittlerweile wird alles Mögliche inflationär designet. Sagen Sie statt „Ich plane eine Veranstaltung“ „Ich designe eine Veranstaltung“, rücken Sie im Intellektuellen-Ranking gleich drei Plätze höher.)

Erst die Existenz von individuellen und kollektiven Utopien macht aus uns Menschen mehr als unbeseelte Klumpen Lehm, Materie, macht uns zu fühlenden, hoffenden Individuen voller Kraft, Geist und Phantasie. Wie erbärmlich, wenn wir uns nicht vorstellten, wie eine bessere Welt für alle möglich wäre. Der aktuelle Zustand von Utopien ist allerdings ähnlich erbärmlich wie die Welt an sich. Dystopien überall. Allein wer glaubt die Welt bliebe so, wie sie zurzeit ist, also ein Ort voller Unterdrückung, Krieg, Elend, Ausbeutung,  gilt schon als unvergesslicher Optimist. Alles fließt, und zwar den Bach runter.

Die Rede von Utopien unterliegt zyklischen Schwankungen. Hatte die in den 60ern noch Hochkonjunktur, versackte sie ab Mitte der 80er unter dem Siegeszug des Neoliberalismus fast in der Lächerlichkeit. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs delirierten einige Minderintelligenzler gar von der Besten aller Welten, dem Ende der Geschichte, dem Ende der Utopien

Vor diesem Hintergrund zitiert die Broschüre zu „Retropia“ erhellendes aus dem Vortrag „Das Ende der Utopie“ des Philosophen Herbert Marcuse, einem Buddy von Teddy Adorno, aus dem Jahr 1967 an der FU Berlin. Laut Marcuse besitzen wir alle Mittel, um eine freie Gesellschaft zu realisieren, aber: „ … dass sie nicht eingesetzt werden können, ist der totalen Mobilisierung der Gesellschaft gegen ihre eigenen Möglichkeiten der Befreiung zuzuschreiben.“ Manipulation der Massen, im Interesse der Macht, das Einimpfen von falschen Bedürfnissen und Interessen verhindert Freiheit.

Erstmals in der Geschichte der Menschheit wäre die Verwirklichung von Utopie möglich, ihr Ende also da. Das scheitert aber – zwangsläufig – an ihren Bedingungen. Also ja, das Ende der Utopie, aber negativ gewendet und völlig anders gemeint als die ganzen Schwatzhanseln des Neoliberalismus uns das weiß machen wollen. Nach dem Motto: „Fügt Euch in Euer Los, Ihr Elenden. Wir brauchen keine Utopien mehr“.

Wir brauchen sie notwendiger denn je.

Und damit schalten wir wieder zur Verleihung des Deutschen Filmpreises 2023, um das Neueste aus der Hose von Jan Josef Liefers zu erfahren

13.05.2023 – Und ich war dabei

Jan Josef Liefers und Anna Loos bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2023 im Theater am Potsdamer Platz

Wir waren in der exzellenten Ausstellung „Retropia“ im Kunstgewerbemuseum gewesen. Thema: Design im ehemaligen Ostblock. Was sich Frieda Normalverbraucherin als grau, öde, trostlos vorstellt. Mit diesem Klischee räumt Retropia auf das Gelungenste auf, spannend, informativ, sinnlich, mit vielen Prototypen und Entwürfen.

Retropia

Absolut empfehlenswert. Der Rückweg nach Kreuzberg führte uns durch den Potsdamer Platz und da trafen wir zufällig auf diese Lichtgestalten des Deutschen Films, mitsamt enthusiasmierten Fans und Myriaden von Fotografen. Nachdem wir uns schlau gefragt hatten, was der ganze Zirkus für einen Hintergrund hatte, hüpfte ich aufgeregt wie ein Zinshahn umher und röchelte ein ums andere Mal: „Ist das aufregend.“ Mein WG-Genosse war sichtlich genervt, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte.

Gut gespielt also. Natürlich halte ich eine derartige Veranstaltung für kulturell eher inferior, schaue mir selten deutsche Filme an und ganz bestimmt keine mit obigen „Lichtgestalten“. Eher würde ich die Werbeprospekte des aktuellen Tagesspiegels auswendig lernen.

Aber das ist ein etwas einseitiges und arrogantes Verständnis von Kultur, ohne Kenntnis und Verständnis von Massenkultur und deren Funktionsweise kann das Funktionieren unserer Gesellschaft grundsätzlich nicht verstanden werden. Außerdem bin ich beispielsweise begeisterter Polykonsument der Sitcom „Two and half men“. Wer bin ich also, hier den Stab zu brechen? Und was für eine wundervolle Vorstellung, Teil dieser ganzen Schmierenkomödie zu sein, als Drehbuchautor! Das wäre wie Weihnachten und Chanukka zusammen. Wir lernen also, das Leben ist mitunter komplexer und ambivalenter als die Wirklichkeit und so schauten wir kurz danach interessiert in der rbb Abendschau den ersten Kurzbeitrag über die Verleihung des Deutschen Filmpreises 2023 , natürlich mit Jan Josef im Bild.

Und ich war dabei.