21.04.2023 – Schöne Aussichten

Schöne Aussichten. Wanderung Korfu Bergdörfer.

Wenn die Aussichten sonst schon nicht rosig sind… Um meine Kondition muss ich mir weniger Sorge machen als um die allgemeine Lage. Jeden Tag fünf, sechs Stunden bergauf, bergab, ohne große Pause, für einen Job als Kanzler beispielsweise reicht das sicher. Die Nerven dafür hätte ich allerdings nicht.

Scholz hat ganz offensichtlich in der Causa Warburg Bank klafterdick Dreck am Stecken. Noch lügt er sich mit Erinnerungslücken raus. Aber wenn es zur Gerichtsverhandlung gegen den persönlich verantwortlichen Bank-Inhaber Olearius kommt, der der Steuerhinterziehung von fast 300 Mio Euro angeklagt ist, sieht die Sache schon ganz anders aus. Wenn der reuig und geständig ist, kriegt er dafür Strafnachlass. Und in dessen Alter zählt jedes Jahr Knast weniger. Der menschlichen Natur nach hackt eine Krähe der anderen sehr wohl ein Auge aus. Olearius packt also über die Gespräche mit Scholz aus, bei denen es im Rahmen des zig Milliardenschweren größten Steuerskandals hierzulande, Cum-Ex-Geschäfte, um Erlass von Nachzahlungen für die Bank ging. Nur ca. 50 Mio., aber wenn Olearius darüber auspackt, Gute Nacht, Olaf.

Und was macht unser Grinsefrosch Kanzler? Fährt fröhlich staatlich finanziert auf eine Party zum 50. Geburtstag der Sozialistischen Partei Portugals. Was hierzulande als Staatsbesuch verkauft wird.

Nerven haben die da oben ja. Alles was rechts ist.

19.04.2023 – Osterfeuer?

Österliche, eine Woche nach unserem, da orthodox, Wanderung auf Korfu. Feuer am Wegesrand. Ich: „Osterfeuer?“ Grieche:“Nein, wir verbrennen das Plastik der letzten Saison. “ So isser halt, der Grieche, ne alte Umweltsau. Wir dagegen… Wir trennen unseren Müll säuberlich, so natürlich auch Plastik. Ich komme mit dem Zählen der Mülltonnen für unser Haus schon garnicht mehr nach, zur Termin Verwaltung brauche ich eine App und für den Trennakt selber ein Studium . Der Müll wird pünktlich abgeholt. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Plastikmüll in Deutschland ca. 6 Mio Tonnen, davon wird die Hälfte verbrannt. Dabei fallen hochgiftige Dioxine, Furane, Chlor und zig andere Stoffe an. Natürlich haben unsere Verbrennungsanlagen die besten Filter der Welt, die alles rausfiltern. Fast alles … Die übrig gebliebenen Stäube, Filtrate, Schlacke, hochkonzentriertes Gift, tüten wir in Container und packen die in Salzstöcke und unterirdische Kavernen. Siehe Atommüll.

Da kann man unseren Nachkommen nur wünschen angesichts der Zeitbomben unter ihren Füßen, dass sie erst garnicht existieren. Die Nachkommen . Wir haben ja heute schon Probleme, für dringend notwendige Informationen Disketten von vor paar Jahren zu entziffern, weil es keine Laufwerke mehr gibt und niemand die Programmiersprachen da mehr lesen kann. Wie soll das in ein paar Jahrhunderten mal sein?

Also das mit der Umweltsau relativieren wir mal ein bisschen.

17.04.2023 – Extreme

Am Meer, Korfu

In Extremen spüren wir uns am intensivsten, Glück, Wahn, Bungeespringen usw. usf. Früher sorgte der Höhlenbär als potentieller WG-Genosse bei unseren Altvorderen für zuverlässige Extremsituationen , inklusive regelmäßigem Adrenalin. Den Höhlenbär gibt’s heute höchstens noch in Form eines mobbenden Vorgesetzten. Ansonsten haben sich Extremsituationen eher ins vermittelt-abstrakte verlagert, weg vom direkt-sinnlich erfahrbaren Höhlenbär. Klimakrise, Inflation, Corona, sowas ist mehr über Abstraktion zu verstehen. Und kann eher bezweifelt, geleugnet, verdrängt werden. Anders als der Höhlenbär.

Deshalb betreiben in unserer unsinnlich digital-abstrakten Welt Menschen zunehmend was extremes, um sich zu spüren. Siehe Bungee und andere Extremsportarten, aber auch Piercing, selbst im Einlassen auf extreme Verschwörungstheorien liegt noch die sinnliche Glückserfahrung eines „Jetzt bin ich etwas besonderes, gehöre einem auserwählten Kreis von Eingeweihten an, inmitten einem Meer von dummen Schlafschafen“. Oder siehe auch kultische Rituale der Neuzeit, wie jene um den eigenen Körper, die Gesundheitsoptimierung, was im Wahncharakter, siehe eben Wahn oben, die Religion abgelöst hat.

Manchmal liegt das Extreme aber auch einfach in der Differenz zwischen zwei Normalsituationen. Eben war ich noch im Babylon Kreuzberg, dann im Flughafen Berlin, einer, wie ich finde, gelungenen und beeindruckenden Kathedrale der Moderne, und nur ein paar Stunden später an einem einsamen Strand in Korfu. Im Ort kein Supermarkt geöffnet, in der einzigen Taverne nur ein paar Ouzobechernde Eingeborene und zwei abgeranzte Resthippies, die mich verächtlich anstarrten.

Ich schnappte meinen Wein, setzte mich nach draußen, versuchte Babylon aus den Knochen zu schütteln, schaute auf den Strand und das sonnenglitzernde Meer und dachte:“Whow.“

12.04.2023 – Original und Fälschung

Aus dem Straßenmagazin „Asphalt“, Mitglied der Landesarmutskonferenz .

Das Original ist „nein“, ein Kunstobjekt aus der Werkstatt des Meisters. Die praktische Ausführung oblag der Designerschmiede design in-fluenz . Das Ur-Original liegt bei mir im Garten, als Zerfall in progress, und stinkt dort zum Himmel, der Causa entsprechend. Wenn Sie, liebe Leserinnen, in der geneigten Öffentlichkeit, vor Jobcentern, am Brandenburger Tor oder an Korfus Gestaden weitere handsignierte und nummerierte Originale aus dieser Serie finden, sollten Sie die einsammeln. Die werden dereinst, nach meinem Ableben, einiges wert sein. 

Der Käse ging medial und viral steil, bis in die schmutzigen Ecken der Verschwörungserzählungen (das sind keine Theorien) wie pravda.tv , die mit Nachrichten über Echsen und Bürgerkrieg in Frankreich aufwarten.

Die Supermarktkette Rewe nutzte den Bekanntheitsgrad und die Ikonografie des Käses und warf eine eigene Linie auf den Markt: ja. Oben in den Artikel montiert. Ich habe sofort eine Gebrauchsmusterschutzklage eingereicht und halte Sie auf dem Laufenden. Der Kapitalismus macht natürlich aus jedem Käse Geld, eine Eigenschaft, die mir eher abgeht.

Zum Inhalt des Artikels muss nichts gesagt werden. Der spricht für sich. Klarer kann man, ergo ich, es nicht sagen.

09.04.2023 – Haltstelle Varian-Fry-Str.

Potsdamer Platz. Immer wenn ich vom Berliner Hauptbahnhof den Bus nach Kreuzberg nehme, stellt sich an der zweiten Haltestelle, nach dem längsten deutschen innerstädtischen Autotunnel, das Gefühl von Ankommen ein. Es ist die Haltestelle Varian-Fry-Str. links ausserhalb des Bildes, am Potsdamer Platz. Der ein gelungenes Beispiel der Divergenz von gelungener Architektur und misslungenem Städtebau ist. Das Hochhausensemble dort ist kühn gestaltet, metropolitane Architektur, und im sonst wie ein Pfannkuchen platten Berlin ein Blickfang, egal ob ich vom Kreuzberg oder Klunkerkranich aus schaue. Städtebaulich, also gedeihlich organisiert für das gute Zusammenleben der Menschen, dagegen ist er ein Desaster, Anziehungsort nur für Touris. Für Eingeborene gibt es kein Argument, sich dort aufzuhalten, außer sie wollten in die Spielbank oder ins Zweisterne-Restaurant Facil. Der Potsdamer Platz ist genauso ein Un-Ort wie zur Zeit der Mauer, nur bebaut und ohne Schussfeld. Für mich nach wie vor ähnlich faszinierend wie Marzahn oder Neuköllner Gropiusstadt. Wohin sich aber eher keine Touris verirren.

Mitten in diesem Metropolenbabylon also die Haltstelle Varian-Fry-Str. Der Name weckt allein auf Grund seines exotischen Englischgehaltes, anders als beispielsweise John F. Kennedy-Platz, Interesse. Was ja auch ein Grund ist, sich freiwillig und gerne an fremden Orten aufzuhalten: Erkenntnisinteresse. Mir war Varian Fry bis dato unbekannt.

Er war 1994 der erste und bis 2005 einzige US-Bürger, der unter die Gerechten unter den Völkern in Israels Holocaust-Mahnmal Yad Vashem aufgenommen wurde. Im zweiten Weltkrieg rettete er unter Einsatz seines Lebens über 2000 Naziverfolgte im besetzten Frankreich. Ohne ihn wäre ein nennenswerter Teil der bürgerlichen deutschen Kultur- und Geistesgeschichte in Auschwitz gelandet: Hannah Arendt, Max Ernst, Lion Feuchtwanger, Siegfried Kracauer, Alma Mahler-Werfel, Heinrich Mann und Golo Mann, Walter Mehring, Alfred Polgar, Franz Werfel. Aber auch u. a. André Breton und seine Frau Jacqueline, Marc Chagall, Marcel Duchamp.

Nach dem Krieg geriet er in Vergessenheit und starb 1967, 60jährig. Im gleichen Alter wie Wilhelm Reich ….

Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten im September 1941 wandte er sich an Künstler, die er gerettet hatte, darunter Marc Chagall, Max Ernst und André Breton, und bat sie, ein neues Hilfsprojekt für Exilanten zu unterstützen – vergebens. Marc Chagall war offensichtlich nicht nur ein inferiorer Pinselquäler, dessen Sakralkitsch die Grenze des Zumutbaren sprengt, sondern auch ein veritables Arschloch.

Auch Varian Fry hat ein kühnes Leben gelebt. Es gibt eine wohl gelungene Netflix-Serie namens „Transatlantic“ über ihn und seine Helfer*innen, in der auch Walter Benjamin eine Rolle spielt. Er wurde tragischerweise nicht gerettet, ist aus meiner Sicht der überragende Protagonist in der Reihe „Kühnes Lebe, kühne Gedanken“ und wurde noch nicht einmal 60 wie Wilhelm Reich und Varian Fry. Zeichnet sich da ein Muster ab? Später, im Rock ‘n Roll hieß es ja. Live fast, die young.

Den Absprung hab ich wohl knapp verpasst.

Die Serie Transatlantic würde ich mir gerne anschauen, besitze allerdings keinen Netflix-Account und schaue niemals Serien. Bis auf eine Ausnahme, und die wiederholt seit vielen Jahren.

Jetzt muss ich mich aber um meine Kohlrabi-Setzlinge kümmern.

Allen noch Rohe Eiertage.

07.04.2023 – Betrachten Sie Ihre Eier mal mit etwas anderen Augen

Himbär-Staude in der Morgensonne, verspricht süße Ernte. Nebenan prangte wieder mal Vogelkot auf dem Gartentisch . Völlig normal. Ich erfreue mich am schmelzenden Belcanto von Zilpzalp, Braunelle, Zaunkönig, dem artistischen Geturne der Blaumeise am schlanken Halm und dem majestätischen Anblick des Bussards. Da bleiben Hinterlassenschaften nicht aus. Routine also. Heuer war das etwas anders.

Der dunkle Klacks lachte mich für einen Moment höhnisch, ja fast bedrohlich an. Und das lag nicht nur an der einem Grinsen ähnlichen Form, die Dinger sehen ja oft aus wie Rorschach Testfiguren. Mir spukte die Entwicklung der Vogelgrippe der letzten Zeit durch den Kopf. 2022 war ein Ausbruch mitten in der Brutzeit Im Wattenmeer und an der Nordsee völlig neu und das wiederholt sich jetzt .

Wer sich Vögeln nur in Form von Grillhähnchen nähert, dürfte davon erstmal unberührt sein. Und grundsätzlich gilt, Zitat Robert-Koch-Institut: „Insgesamt besteht also für die Übertragung von aviärer Influenza sowohl von Vögeln auf Menschen als auch von Mensch zu Mensch eine erhebliche Barriere.“ Es gilt allerdings auch, und die Tendenz nimmt zu, Zitat RKI: „Generell ist es möglich, dass sich Influenzaviren über verschiedene Zwischenwirte (Säugetiere) besser an den Menschen anpassen.“ Wir können also eine Coronaähnliche Entwicklung nicht ausschließen. Noch ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering.

Noch.

Was würde das für den schlimmsten Fall, eine Pandemie, bedeuten und zwar für die finale Konsequenz, die Todesrate pro Ansteckungsfälle? Zitat RKI: „Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit 2003 weltweit über 2.600 humane Erkrankungen und 1.100 Todesfälle mit aviärer Influenza nachgewiesen.“

Also nahe 50 Prozent. Zumindest bei den diagnostizierten Fällen, wenn man die symptomreduzierten Unauffäligen dazu nimmt, sieht das natürlich anders aus. Das ist trotzdem eine völlig andere Kategorie als Corona, wo wir auch schon eine erhebliche Übersterblichkeit (=Mortalität, bezogen auf die Gesamtbevölkerung. Letalität ist die Todesrate bezogen auf die Erkrankungen) gerade in vulnerablen Gruppen hatten.

Für einen winzigen Moment wurde da in der strahlenden, schon wärmenden Morgensonne mein fröhliches Gemüt und Herz durch einen kleinen, eiskalten Finger erschreckt.

Ach was. Ich hob der Sonne meinen im Glas funkelnden Port entgegen. Ich vertraue auf die Wissenschaft, die Entwicklung von passgenauen mRNA-Impfstoffen, ausgefeilte Notfallpläne, bei denen auch mal allzu renitente Impfgegner*innen gekeult werden und nicht immer nur die armen Hähnchen (Grill!), und darauf, dass die nächste Seuche keine Vogelgrippe wird. Wie sieht es eigentlich mit einer Kreuzung von Vogelgrippe und Influenza aus, hat da jemand mal die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet?

Ihnen fröhliche Ostern. Und betrachten Sie Ihre Eier für einen Moment mal mit etwas anderen Augen.

06.04.2023 – Kühnes Leben, kühne Gedanken?

Lichtblick an einem düsteren Haus. Bei mir umme Ecke, ich weiß bis heute nicht, ob das leer steht oder bewohnt wird. Irgendein Genie hat das Kunstwerk über die Tür gehängt und so das Haus in einen völlig neuen Kontext katapultiert, von Trostlosigkeit zur Installation, Hoffnungsschimmer.
Es gibt Menschen, die ähnlich fungieren. Lichtblicke in einem Meer von Finsternis. Schimmer von Hoffnung in düsteren Zeiten. Wie kommen solche Leute zu ihren Ideen, Gedanken, zu ihrem Leben?
Und, in Konsequenz, damit das nicht luftleer im Theorieraum schwebt: Was hat das mit meinem, mit Ihrem Leben zu tun?
Mein Verdacht ist: Kühnes Leben, kühne Gedanken.
Nehmen wir den Fall Wilhelm Reich. Einer von maximal vier, fünf Autor*innen, die bei mir bleibenden theoriebildenden Eindruck hinterlassen haben.
Wilhelm Reich war ein austroamerikanischer Arzt, Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe. Als Kind erzeugte er ungewollt eine Ehekrise, als deren Folge Reichs Mutter Suizid verübte und sein Vater depressiv erkrankte und 1914 starb. Der siebzehnjährige Reich musste als Vollwaise diese Tragödien verarbeiten und zugleich die Leitung des elterlichen Gutsbetriebs übernehmen. Kurz nach Beginn des Weltkrieges wurde Reich, säkularer Jude, wegen einrückender russischer Truppen zur Aufgabe des Guts und zur Flucht gezwungen Er wurde Mitglied der KPD, fand in den Zwanzigern Zusammenhänge zwischen psychischen und muskulären Panzerungen, gründete mit anderen kommunistischen oder sozialdemokratischen Ärzten in verschiedenen Stadtteilen Wiens Sexualberatungsstellen. Für seine aufklärerische und praxisorientierte Verknüpfung von Marxismus und Psychoanalyse wurde er aus der KPD ausgeschlossen, seine Bücher wurden von den Nazis verbrannt. Die Freudianer (Freuds Tochter) schlossen ihn nach einer Hetzkampagne aus ihren Reihen aus wegen Politisierung. Er emigrierte in die USA. Dort driftete er mit seiner Orgontheorie ins esoterische ab und wurde im Verlauf der McCarthy Verfolgungen in den Knast gesteckt, was er nicht überlebte. Er starb 60jährig an gebrochenem Herzen. Auch in den USA wurden seine Bücher verbrannt.
Seine „Massenpsychologie des Faschismus“ war eine bahnbrechende, fach-übergreifende Analyse des Faschismus. Für „Die sexuelle Revolution“ wurde er in den Sechzigern in der BRD wiederentdeckt. Reich ist Begründer der körperorientierten Psychotherapie und gehörte sowohl für die radikale Linke 68ff. als auch für die New Age Bewegung zu unverzichtbaren Gründungsikonen.
Die befreite Individualität des Einzelnen, in einer befreiten Gesellschaft – das trug ihm Hass und Verfolgung aller Dogmatiker und Fanatiker ein. Wer kann schon von sich behaupten, sowohl von den Nazis als auch den Amis verbrannt worden zu sein?

Ein kühnes Leben, kühne Gedanken (natürlich ohne Zustände herbei zu wünschen, die Reichs Leben bestimmt haben!). Hätte er sein ganzes Leben Klimmzüge an der eigenen Stadtmauer gemacht und seine Nase nur in Bücher gesteckt, wäre sicher nicht das dabei heraus gekommen, was wurde. Und die Moral von der Geschicht? Friedrich Hölderlin gibt einen Hinweis: „Komm! ins Offene …. !“

Reich ist heutzutage weitgehend vergessen. Radikaler, Ex-Kommunist, Esoteriker, das ist ein bisschen viel für unseren an Konsens, Harmonie und Wohlklang orientierten Mainstream. Fazit zu Reich: Wer zwischen allen Stühlen sitzt, liegt meistens richtig.

Demnächst in loser Folge mehr zu: Kühnes Leben, kühne Gedanken.

05.04.2023 – Allmächtiger

Das Plakat wurde mir bei meiner Verpflichtung als IM beim MfS überreicht. Schöne Erinnerungen. Damals war Marx der beste Fußball-Verteidiger. An ihm kam keiner vorbei.

Die ökonomischen Verhältnisse bestimmen unser Bewusstsein, diese fundamentale Marx-Binse gilt selbstverständlich nach wie vor. Aber natürlich bestimmen sie auch unser Unbewusstes mit, all das, was unserer Kontrolle entzogen ist. Unsere Reflexe, unser Fühlen, ist wie Denken und Handeln gesellschaftlich produziert. Der Homo Heidelbergensis z. B. vor 250.000 Jahren dürfte etwas anders getickt haben als wir. Waffen hatte der allerdings auch schon.

Alles ändert sich im Lauf der Zeit. Der anale, autoritätsfixierte, geizgetriebene Zwangscharakter früherer Jahre ist längst dem mehr oral geprägten, herrschaftsskeptischen Hedonisten gewichen. Ob dadurch die Welt besser geworden ist, sei mal dahingestellt.

Und so wie sich unser Blick auf die ökonomischen Verhältnisse und damit die res pubica, die Sache der Republik, ändert, so ändert er sich auch auf das Funktionieren des Unbewussten.

Freuds fundamentale Leistung bestand in Erkenntnissen über die Wirkmächtigkeit des Unbewussten, aber natürlich war er Kind seiner Zeit, phallo- und eurozentrisch geprägt. Er sah die Welt durch die Brille seines Schwanzes, als weißer Europäer. Auf die Idee, dass Ödipus Schwestern gehabt haben könnte, die zu ihren Müttern und Vätern in ähnlich fundamentalen Konflikten stehen könnten, wie Ödipus zu seinem Vater Laois, kam er nicht. Und Freuds Vergleiche zwischen Wilden und zivilisierten Neurotikern sind auch eher Ethnokitsch. So wie seine Sicht der Kultur- und Zivilisationsgeschichte als aufsteigendem Prozess, mit ihrem Höhepunkt in „unserer“ europäischen Kultur, auch schon zu seinen Zeiten als eher daneben galt.

Insofern muss die Anmerkung aus dem letzten Blog über die Väter, die aus mörderischer Konkurrenz im Sinne Ödipus/Laios ihre Söhne immer wieder in die Kriege schicken, erweitert werden. Grundsätzlich steht die Generation der Alten zu den Jungen über alle Geschlechter in einem nicht nur ökonomisch (und somit auch ökologisch, siehe Last Generation) bedingtem Konflikt. Da sind auch Motive von Eltern/Kind Konflikten, von Neid auf die Jugend, Wut auf die Alten, Summertime Blues, drin.

Wieso „vergessen“ die Alten eigentlich immer die Ängste und Emotionen ihrer Jugend, also auch der von Heute, wenn sie an der Macht sind? Lehrjahre sind keine Herrenjahre und ich musste mich auch durchbeißen etc. pp. Die Tatsache, dass einem großen Teil der jetzigen „Alten“ es scheißegal ist, in welchem Zustand sie den Jungen die Welt hinterlassen, trotz besserem Wissen, hat nicht nur mit Egoismus, Besitzstandswahrung, Wohlstandsverwahrlosung zu tun. Da ist auch jede Menge unbewusster aggressiver, mörderischer Impuls gegen die Konkurrenz der schönen Jugend drin. Das ist die Fortführung von „Die Jungen (Männer) in die Kriege schicken“, nur umfassender und geschlechterübergreifend. Wir machen die Welt kaputt, damit ihr sie nicht kriegt.

Ich gehe jede Wette ein, dass diese Gedanken nicht neu sind, so spekulativ sie auch sein mögen. Ich bin in solchen Themen nicht mehr up to date. Mir ist die nächste Urlaubsplanung wichtiger. Flugreise natürlich ….

Die ganze Psychoanalyse ist ja letztlich spekulativ wie eine Verschwörungstheorie, in der Argumentation fliegenbeinschwach und im Moment der Formulierung schon Schnee von gestern. Apropos Schnee: Freud kokste, was die Nase hielt und gab sich mit Sister Morphin den goldenen Schuss, als der Nikotinkrebs seinen Gaumen zerfressen hatte. Freuds Koksbedingte Allmachtsphantasien sollte man (!) bei seiner Rezeption nicht vergessen.

03.04.2023 – Sadomasochismus, Sohnesmord, Kannibalismus und

Mein Totem-Hügel. Totem sind mythologische, mit Bedeutung und Verehrung belegte Kultgegenstände. Totem existieren Kultur- und Zeitübergreifend, siehe Totempfähle, aber auch das Kreuz in der christlichen Mythologie. Das hat in seiner klaren Struktur und Aussage mit zum Erfolg des Christentums beigetragen. Verstärkt durch die sadomasochistische Komponente des am Kreuz hängenden Jesus. Kein Dominastudio ohne Kreuz. Das finden Sie eklig, pervers? Klarer Fall von Angstlust. Ertappt.

Im Fall des Kreuzes kommen weitere archaische und umso wirksamere Aspekte hinzu: Im Zeichen des Kreuzes werden durch magische Beschwörungsformeln in der Wandlung während der Messe aus Brot und Wein Fleisch und Blut von Jesus und in Form von Hostien und Wein den Gläubigen zum Verzehr gereicht. In diesem Kult-Akt, Transsubstantiation genannt, wird das Ritual des Kannibalismus der Ur-Horden zelebriert.

Und: Im Tod von Jesus spiegelt sich der klassische Sohnesmord (Filizid oder auch Infantizid) wider. Gott opfert seinen einzigen Sohn, vermeintlich zur Errettung der Ur-Horde, der Menschheit. In Wahrheit klingt hier aber das Ödipus-Motiv auf, das ist nichts weiter als der präventiv abgewehrte Vatermord von Laios, der damit seinem Sohn Ödipus zuvorkommt. Vater und Sohn in mörderischer Konkurrenz. Aus diesem Grund auch schicken die Väter, die Alten, die Eliten, ihre Söhne, die Jungen, in den Krieg. Es ist nicht nur Nationalismus, Imperialismus, Wiederherstellung der Ehre des Vater(!)landes und ähnliches Gedöns, es sind auch tiefergehende Motive, die die ewig wiederkehrende Kriegsbegeisterung begründen.

Säkulare Totem sind Kunstwerke. Keine Wohnung ohne ein wie auch immer qualitativ geartetes Kunstwerk. In ihm tritt der Besitzer in eine exklusive, intime Beziehung zum abgebildeten Gegenstand und zur Künstlerin.

Eine Welt ohne Totem ist weder vorstellbar noch wünschenswert. Selbst der aufgeklärteste Atheist hat ein inniges Verlangen nach Transzendenz, nach einer anderen Welt jenseits von Vernunft und Verstand.

Meine Totem stehen unter anderem für Gesundheit, Fröhlichkeit, Anmut, Melancholie. Ich würde gerne behaupten, dass ich den Totemhügel mühsam für mythologische Zwecke aufgehäuft und die Totem in kultischem Weiheritual dort ihrem Sinn zugeführt hätte.

Es ist aber nur der Aushub von meinem Teich und die Figuren sind dem Ritual der Ausmistung zum Opfer gefallen. Wegschmeißen wollte ich aber nicht, jede hat eine Geschichte. Und einen Garten kann man im 21. Jahrhundert unmöglich in einem (Pseudo-)Naturzustand belassen, das muss ironisch kommentiert, gebrochen werden, alles andere wäre Romantik oder Kitsch, also gruselig. So kommt eins zum andern. Wir sind eben im Prozess der Zivilisation unwiederbringlich von der Natur, der Ur-Horde, dem mythologischen Totem entfremdet. Ob das ein Fortschritt ist, muss jede selbst beantworten.

Hier mein Lieblings-Karfreitagwitz (Hintergrund zu INRI: INRI ist die Inschrift, die man an Jesuskreuzen findet. Sie steht für Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum, also „Jesus von Nazareth, König der Juden“):

„Steht der kurzsichtige Spieß vor dem Kreuz und brüllt: Gefreiter Inri, kommen Sie vom Hochreck runter!“

01.04.2023 – Warum ticken da draußen nicht viel mehr Menschen aus angesichts der multiplen Krisen?

Die bildgewordene Depression. Hauptstraße in Barsinghausen, ein Ort der Vorhölle in der Nähe von Hannover. Was auch nur unwesentlich besser ist. Mitunter verschlägt es mich zu Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen etc. in solche Orte. Ich mache sowas sehr gerne, live, nach Zeiten der Seuche, das ist für mich ein Fest. Und die Menschen dort sind fast immer angenehm, zugewandt und engagiert. Aber die Unwirtlichkeit der Städte, überhaupt der Orte im Spätkapitalismus, schlägt nirgendwo unerbittlicher zu als auf deren Bahnhöfen und Ortskernen nach 18 Uhr. Ich bin für Stimmungen sehr empfänglich und das Ambiente solcher Orte versetzt mich umgehend in so tiefe Depressionen, dass ich mich sofort schwerst betrinken oder bekiffen würde, müsste ich nicht ein paar Minuten später auf einem Podium sitzen.

Und nicht darunter liegen. Oder das Ganze mit einer Performance im legendären SCHUPPEN 68 verwechseln. Lange her, es waren die Siebziger, die Drogen …

Jetzt sind wir im gesunden Zeitalter der Prä-Apokalypse. Wobei ich mich wundere, dass da draußen nicht viel mehr Menschen austicken angesichts der multiplen Krisen, sowohl individuell-psychisch, wie im Amiland, wo jeden Tag ein religiös-fanatischer, frauenhassender Waffenfreak ein Blutbad anrichtet, als auch kollektiv-politisch, siehe Frankreich Widerstand gegen Rentenreform. Ersteres ist krank, zweites wünschenswert. Aber bei „uns“ fressen die Leute wohl alles in sich hinein. Inklusive Psychopharmaka, deren Umsätze Rekordhöhen erreichen, wie psychische Erkrankungen.

Interessant: die Selbstmordrate, äußerster Ausdruck innerer Verzweiflung, hat sich seit den Achtzigern fast halbiert. Männer begehen dreimal so oft Selbstmord wie Frauen, das gleiche Verhältnis gilt für den schleichenden Selbstmord auf Raten, Alkoholmissbrauch. Ursachen: Frauen müssen Kinder zur Welt bringen und erziehen, sind resilienter, leben gesünder und agieren Emotionen eher aus. Männer fressen in sich hinein, schweigen, verdrängen, bis es nicht mehr geht und dann bumm.

Eigentlich für die Leser*innen hier so selbstverständlich, wie die Erde rund ist. Vermute ich mal. Aber in letzter Zeit sickern sozialpolitische Positionen, für die ich stehe und in den Medien zitiert werde, zunehmend in rechte und  verschwörungstheoretische Medien wie die schräge Pravda.tv. Und woher weiß ich, ob solche Klientel dann in Folge hier nicht kleben bleibt. Von irgendwoher müssen 30.000 Besucher*innen im Monat ja kommen.

Was soll’s. Also hier auch zum Mitschreiben ab und zu mal Selbstverständlichkeiten.

Ich schrieb oben was von verdrängen. Das ist populärwissenschaftlicher Humbug.

Verdrängung bezeichnet in der psychoanalytischen Theorie einen Abwehrmechanismus, der innerseelische oder zwischenmenschliche Konflikte reguliert, indem tabuierte oder bedrohliche Sachverhalte oder Vorstellungen von der bewussten Wahrnehmung ferngehalten werden.

Das Konzept der Verdrängung geht auf Sigmund Freud zurück und gilt als zentraler Bestandteil der psychoanalytischen Theorie. Dieses zusammengezimmerte Psychoanalyse-Konstrukt hat sich aber wie so vieles von Freud zwischenzeitlich als Humbug entpuppt, damit arbeitet kaum noch jemand. Nur in der Küchenpsychologie wird es gerne inflationär verwendet.

Was es natürlich gibt, sind Abwehrmechanismen  gegen die Zumutungen der Welt, gegen überwältigende Emotionalität, wie Regression, Verleugnung von Tatbeständen, Projektion, etc. ppp. Die Liste ist endlos, allein deshalb, weil sich damit, mit der Heilung und Vermeidung, jede Menge Schotter verdienen lässt. Klassisches Männerding ist die Intellektualisierung. Durch Generalisieren und Universalisieren sorgt man dafür, dass die Kategorien so weit und abstrakt gefasst sind, dass man den Kontakt zur konkreten, sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit verliert. Gerne mit der Sonderform der Ironisierung. Schauen Sie sich mal in der Welt um, nie war soviel Ironie wie heute.

Tragen die hier kurz skizzierten Konstrukte wirklich so weit, dass die Poly-Krisen sich noch (!) nicht in wachsender Destruktion manifestieren? Hm. Keine Ahnung.

Und das ist nicht ironisch gemeint.