05.02.2024 – Bauer sucht Frau, Teil 3

Ein paar Ziegen sind auch dabei …

In die Medien, gerade auch die sozialen, setzten Generationen von Linken und Alternativen große emanzipatorische Hoffnungen, fast so wie auf eine ökonomische Umwälzung der kapitalistischen Gesellschaft. Dahinter steckte die große ungelöste Frage aus Zeiten, als es noch eine nennenswerte Linke gab: Ist der neue, bessere, aufgeklärte Mensch die Voraussetzung für eine revolutionäre Umwälzung oder schafft diese erst den neuen Menschen?

Kritische Medientheorie knüpfte an den Doppelcharakter von Medien an. Zitat: „…. (Medien haben…)  sowohl einschränkende wie auch befreiende Elemente. Einerseits übernehmen die elektronischen Medien in der modernen Gesellschaft immer mehr „Steuerungs- und Kontrollfunktionen“, andererseits durchbricht ihre technische Struktur bisherige Beschränkungen. Da elektronische Medien die Information beliebig reproduzierbar und allgemein zugänglich machen, durchbrechen sie auch soziale Barrieren: „Die neuen Medien sind ihrer Struktur nach egalitär.“

Das stimmt, nur leider hatten die Genossen nicht bedacht, dass das Egalitäre zunehmend darin besteht, dass alle gleichberechtigt senden und empfangen, allerdings auf niedrigstem Niveau rumpöbelnd und dummes Zeug verbreitend.

Hier weiter mit dem Bauern seine Antwort auf die Frage, wie denn wohl sein Tagesablauf aussehe:

 Unveröffentlichtes Manuskript, Kapitel 4 „Bauer sucht Frau“. Auszug, Teil 3:

„ …. Woher sollte ich das wissen. Bin ich Bauer?

„Ich frühstücke erst mal.“

Zeit gewinnen. Aber frühstücken kann ich ja schlecht den ganzen Tag, ergo trieb mein Gegenüber den Gesprächsfluss voran:

„Prima. Und dann geht es also los…“

Sie rettete mich mit einem Meta-Ebenen Einwurf:
„Wenn ich manchmal nicht antworte oder nichts sage, das hat nichts weiter zu bedeuten, das liegt daran, dass ich mir Notizen mache.“

„Ich auch“,

rutschte mir heraus, was zwar logisch war, weil Lügen kurze Beine haben, die unbedingt per schriftliche Notizen verlängert werden müssen, was allerdings zu Irritationen führen könnte. Aber dieses Intermezzo hatte mich erstmal gerettet. Mir fiel ein, was jeder Bauer mit Rindviechern morgens macht:
„Ich melke die Kühe.“

Na also, geht doch, so schwer ist das Bauernleben gar nicht und ich kam in Fahrt:

„Das müsste später aber die Bäuerin übernehmen, gerade in der Erntezeit. Aber damit das klar ist, das ist kein Öko- Hof. Bei uns hat nicht jede Kuh ihren Namen und wir nehmen auch keine Kälber zum Kuscheln mit ins Schlafzimmer. Wenn es soweit ist, kommen die alle zum Schlachter und dann heißt es ‚Schlachter, den Bolzen’ und peng!.“

Das saß, Treffer ins Schwarze. Von da an war ich in Hochform. Frage:

„Was wären denn die Aufgaben der zukünftigen Bäuerin?“

Ich erschuf sofort einen 1.200 Quadratmeter großen Gemüsegarten, nebenan Ziegen und Gänse, in dem sich die Bäuerin von früh bis spät tummeln könnte:

„Perspektivisch wollen wir da einen Hofladen aufmachen, für Durchreisende und Touristen. Auch mit einer Streichelwiese mit Ziegen und Schafen.“

Wenn ich bei meinem Programm auf der Bühne nur halb so gut improvisieren würde …

„Wie soll Ihre künftige Bäuerin denn aussehen und welche Eigenschaften soll sie mitbringen?“

„Wie Christine Neubauer.“

Ein gequältes Stöhnen am anderen Ende. Das war in meinen Ohren die halbe Casting-Miete in Sachen Bauernhof, von dessen realer Existenz ich mittlerweile selbst überzeugt war. Ich hatte ein derartiges Vertrauensverhältnis zu meiner Interviewerin aufgebaut, dass sie die neutrale Ebene verlassen hatte und wertend wurde. Ich ließ die öffentlich-rechtliche Möpse-Quotenkönigin Neubauer so nicht auf mir sitzen:
„Wieso denn nicht?! Einen Hungerhaken kann man auf einem Bauernhof nicht gebrauchen, da muss was dran sein, damit sie auch anpacken kann. Und rauchen darf sie auch nicht, ich will keinen Aschenbecher knutschen.“

„Wer will das schon.“

Jetzt hatte ich offensichtlich nicht als Bauer, sondern persönlich bei ihr verschissen. Das war mir auch nicht recht, deshalb zog ich die Frauenversteher-Karte und revolutionierte mit einem Satz die über Jahrhunderte gewachsenen Geschlechterverhältnisse im Eichsfeld:
„Meine Frau kann ruhig ihren eigenen Willen haben.“

Zu revolutionär wollte ich aber auch nicht erscheinen, ich war ja kein alternativer Öko-Softie und setzte der freien Willensentfaltung eine klare Grenze:

„Aber sie darf nicht das ganze Dorf rebellisch machen und meinem Clan erzählen wollen, wie man alles besser macht. Wir wissen selber seit 500 Jahren wie das geht. Da kann sie gleich ihre Koffer packen.“

Meine Interviewerin wollte nun genauer wissen, was für eine Persönlichkeit der Nebenerwerbslandwirt war, den es da auf seine alten Tage back to the roots zog:
„Wie würden Sie sich selbst beschreiben?“

Fortsetzung folgt

04.02.2024 – Bauer sucht Frau, Teil 2

Bauer beim Rebschnitt

Die wirtschaftliche und politische Macht der Medienkonzerne lässt sich natürlich nicht durch bloßes Einlassen auf die abgefeimten Castingmühlen der Bewusstseinsindustrie erkennen. Dazu bedarf es Statistiken und Kenntnis grundlegender Analysen der Kulturindustrie, auch Bewusstseinsindustrie genannt. Hier die 50 größten Medienkonzerne weltweit, aus der Liste lässt sich erkennen, dass die branchenübergreifenden Verflechtungen enorm sind, Amazon liegt mit seinem Medienanteil von ca. 70 Mrd. auf Platz 8 (Die ARD liegt hier übrigens auf Platz 33), ist aber mit seinem Gesamtumsatz von 513 Mrd. Euro über alle Geschäftszweige das viertgrößte Unternehmen der Welt. In Deutschland betrugen die Gesamtumsätze der Unterhaltungs- und Medienbranche im Jahr 2021 rund 63,5 Milliarden Euro. Damit gehört sie zu den 10 größten Branchen, Platz 1 Kraftfahrzeugbau mit 407 Mrd., Platz 4 Ernährung (Bauer!) 168 Mrd.

Politisch ist die Bedeutung der Bewusstseinsindustrie auf das gesellschaftliche Klima und Verhalten gar nicht hoch genug einzuschätzen. Nicht umsonst steht im Mittelpunkt der politischen Machtergreifungs-Strategie der AfD die kulturelle Hegemonie in Staat und Gesellschaft. Zentraler Aspekt dabei ist die Delegitimierung der öffentlich-rechtlichen Medien. Eine der ersten Amtshandlungen von Björn Höcke als MP in Thüringen wäre die Kündigung des Medienstaatsvertrages und damit das Ende des MDR.

Hier aber erstmal weiter mit meiner erfolgreichen Bewerbung bei „Bauer sucht Frau“ als Agrarier aus dem zauberhaften südniedersächsischen Eichsfeld:

Unveröffentlichtes Manuskript, Kapitel 4 „Bauer sucht Frau“. Auszug, Teil 2:

„ … Dass ich aus dem Eichsfeld stamme, stimmte, der Rest war gelogen. Ich bin derartig urbanisiert, dass ich kaum Kartoffeln von Weizen im gepflanzten Zustand unterscheiden kann und selbst für die im Melkfalle überlebensnotwendige Unterscheidung zwischen Kuh und Bulle Wikipedia zu Rate ziehen müsste.

Bei „Bauer sucht Frau“ sollte ich aus drei Kandidatinnen, die maximal eine Woche zu mir auf den Hof kommen sollten, eine auswählen. Bei diesem Format wird wahrscheinlich noch mehr gelogen und getäuscht als bei allen anderen Doku-Soaps.

Die DEF media verabredete ein zweistündiges Telefoncasting mit mir, noch bevor ich Ganzkörperfotos (nackt??) beim Rebschnitt oder mit (Heu?)-Gabel eingereicht hatte.

Sollte ich mich darauf vorbereiten? Ich recherchierte ein paar Sachen wie: Was ist eine plausible Hektargröße für einen Nebenerwerbshof, wie viel Vieh hat so einer, was wird in meiner Region angebaut, aber ich merkte schnell, dass es vom bäuerlichen Blut meiner Vorfahren kein Tropfen in meine Adern geschafft hatte. Ich war überaus desinteressiert und schweifte im Internet nach zwei Links sofort ab, als ich las, dass es bis ins 19. Jahrhundert Hanfanbau im Eichsfeld gab, bevor er durch den profitableren Tabak verdrängt wurde. Waren meine Ururgroßeltern Kiffer und hatten mir das Übel vererbt, war ich also unschuldig im Sinne der Anklage? Der Verdacht ließ sich nicht erhärten, ich stellte die Recherchearbeit ein und verließ mich auf mein Improvisationstalent. Für maximal 3.000 Euro Aufwandsentschädigung, die ein derart von RTL über Focus bis BILD durchs mediale Querverwurstungsdorf geprügelter Bauer für die Aufnahmewoche erhält, würde ich mich sicher nicht für die Zeit des Drehs auf die Suche nach einem Leihhof bei meiner Verwandtschaft machen.

Am verabredeten Tag klingelte das Telefon zur verabredeten Zeit um Punkt 11 Uhr bei mir. Nach der Aufnahme der üblichen persönlichen Daten (Familienstand: ledig. Was sonst?) tastete sich die außerordentlich freundliche Telefoninterviewerin langsam an das Eingemachte. Der Knackpunkt war bei mir das Nebenerwerbsmäßige. Dass zum Beispiel nicht ich, sondern mein Cousin den Mähdrescher fährt, kam nicht so gut an, das merkte ich, also:

„Wenn Not am Mann ist, mache ich es natürlich auch und vieles wird bei uns auch durch Lohndrusch gemacht.“

Lohndrusch, diese Vokabel für Fremdeinsatz von Maschinen bei der Ernte hatte sich bei mir festgesetzt, weiß der Bauer wieso. Das kam am anderen Ende gut an, ich wurde sicherer und drehte auf:

„30 Rinder, 60 Schweine und natürlich Hühner haben wir an Vieh.“

„Wie viele Hühner denn?“

„Genau weiß ich das nicht, wir machen nicht jeden Morgen einen Zählappell, vielleicht fünfzig. Und einen Hahn natürlich.“

„Was bauen Sie denn so an?“

„Weizen, Kartoffeln“, damit macht man nichts falsch, „und Mais natürlich, machen ja wegen Biomasse immer mehr“, ich wurde mutiger und setzte einen drauf, „und Tabak. Das ist eine Nische, da versprechen wir uns für die Zukunft etwas.“

War das zu dick aufgetragen? Bei meiner Nachrecherche stellte sich heraus, dass es gerade mal einen Bauern im ganzen Eichsfeld gab, der Tabak anbaut. Aber seit wann steht „Bauer sucht Frau“ für investigativen Journalismus?

Das alles diente aber offensichtlich nur zum Warming-up, es folgte eine völlig selbstverständliche Frage, die mich umgehend in erhebliche Schwierigkeiten stürzte:
„Dann schildern Sie doch einfach mal, wie Ihr Tagesablauf aussieht. Sie stehen morgens auf und dann …?“ …. „

Fortsetzung folgt

02.02.2024 – Wie mich „Bauer sucht Frau“ und „Das perfekte Dinner“ als Kandidaten haben wollten

Alle Macht … Boxhagener Platz, Friedrichshain.

Um 2012 herum bewarb ich mich bei diversen TV-Trash und Quiz-Formaten als Kandidat. Einige dieser Bewerbungen waren erfolgreich. Die Bewerbungen waren den Formaten angemessen von vorne bis hinten erstunken und erlogen, immer professionell auf den jeweiligen Format-Bedarf hin designt.

Über diese Erfahrungen, in Verbindung mit zwei anderen Erzählsträngen, habe ich ein Manuskript geschrieben und Verlagen angeboten. Einige waren nach dem Exposé interessiert, der zu Klampen Verlag wollte es veröffentlichen. Letztlich kam es nicht dazu. Das Werk schlummerte auf meiner Festplatte vor sich hin. Neulich kam mir der Gedanke, es als E-Book zu veröffentlichen. Um die Resonanz zu testen, veröffentliche ich hier im Blog regelmäßig ab heute Auszüge daraus. Anhand der Klickzahlen sehe ich, wie das ankommt.

Bei den Formaten handelte es sich um noch existierende Klassiker wie „Das perfekte Dinner“ oder „Bauer sucht Frau“, aber auch vergangenes wie „Tine Wittler – Einsatz in vier Wänden“, „Peter Zwegat – Raus aus den Schulden“, „Vera Int-Veen – Verzeih mir“ und nicht zuletzt „Helena Fürst – Anwältin der Armen“. Alles zynische, sozialpornografische Geschichten, bei denen das Medium wahre Menschen und echte Bedürfnisse ausbeutet, aussaugt, zermahlt und als leere Hülle wieder ausspuckt.

Ein durch und durch kapitalistisches Unternehmen. Unsere Gesellschaft ist so wie sie ist, auch durch Medien geworden. Erste Zäsur: Die Privatisierung der Medienlandschaft, mit der Zulassung privater Anbieter begann 1984 der Aufstieg des Privatfernsehens.  Zweite Zäsur: 20 Jahre später der Siegeszug der sozialen Medien, mit Gründung von Facebook

Diese Zäsuren trugen mit dazu bei, dass wir zunehmend eine Gesellschaft von infantilen, aggressiven, pöbelnden Dauer-Erregten sind, ein demokratiebedrohender Prozess, der faschistoide Züge annimmt. Daran sind Medien als Ausdruck eines Kapital- und Herrschaftsverhältnisses nicht alleine, aber mit Schuld.

Wie laufen solche Mechanismen ab, wie produzieren Medien, welche Menschen arbeiten dort, was macht ihre Faszination und Wirkmächtigkeit aus. Darüber kann man Bücher lesen, um es zu begreifen. Oder man macht es selber. Der Unterschied ist wie beim Schwimmen: Man lernt es am besten, wenn man ins Wasser springt und nicht durch Bücherlesen.

Mein Lieblingsformat war „Das perfekte Dinner“, neben Quizsendungen dass am wenigsten zynische Format. Die riefen noch jahrelang nach meinem erfolgreichen Telefoncasting bei mir an, wenn sie in Hannover Station machten und wollten mich als Kandidaten. Ich hatte leider gerade immer andere Termine. Für die möglichen paar Euro Gewinn mache ich mich nicht zum TV-Narren, da steht die Messlatte höher.

Am lustigsten war das erfolgreiche Casting zu „Bauer sucht Frau“. Dazu die Auszüge hier. Das Procedere ist immer gleich. Man bewirbt sich bei Castingfirmen, sowas produzieren die Sender nicht selbst, wie Fameonme, , die melden sich dann irgendwann, wenn es passt. Und dann geht es los ….. Also hier geht’s los

Unveröffentlichtes Manuskript, Kapitel 4 „Bauer sucht Frau“. Auszug:

„ ….. Der Sommer machte keine Pause. Meine Erfolgsserie bei Castings auch nicht. Ein paar mediterran angehauchte Tage später erhielt ich von der für RTL castenden Firma DEF Media GmbH eine E-Mail:

„Betreff: Ihre Bewerbung bei „Bauer sucht Frau“

Vielen Dank für Ihr Interesse an „Bauer sucht Frau“!

Für eine vollständige Bewerbung benötigen wir folgende Informationen/Unterlagen:

– Ihre Telefonnummer

– zwei Fotos (1 Portrait & 1 Ganzkörperfoto)

– sehr gern in Arbeitskleidung und Bilder während ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit (auf dem Traktor, mit Ihren Tieren, beim Füttern, mit Gabel o.ä., beim Rebenverschnitt…)

Schicken Sie die Unterlagen an diese Emailadresse casting@def-media.com oder per Post an nachfolgende Anschrift.

DEF Media GmbH

c/o Berliner Union Film

Oberlandstr. 26-35

12099 Berlin 

Wir werden uns dann demnächst mit Ihnen in Verbindung setzen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr „Bauer sucht Frau“ Team

Castingabteilung

Tel: +49 30 – 233 211 143  I  Fax: +49 30 – 233 211 112

www.def-media.com 

DEF Media GmbH“ 

In der Oberlandstraße 26 bis 35 sitzt die Berliner Union-Film, ehemals die legendäre UFA. Hier wurden in den Zwanzigern und Dreißigern des vorigen Jahrhunderts Filmmythen realisiert wie beispielsweise „Die Nibelungen“, „Metropolis“, „Der blaue Engel“ und einer der ersten Farbfilme überhaupt, „Münchhausen“ von 1943, mit barbusigen Haremsdamen. Barbusige Haremsdamen 1943, das dürfte in der Faszinations-Choreographie übertragen auf heute nur noch von einem Blowjob in der Tagesschau übertroffen werden. 

Heutzutage also „Bauer sucht Frau“. Immer noch besser als der UFA-Durchhaltefilm „Kolberg“ des Antisemiten Veit Harlan, der vor deutschen Truppen in der von Alliierten umzingelten Atlantikfestung La Rochelle noch am 30. Januar 1945 uraufgeführt wurde.

Ich suchte meine E-Mail Bewerbung für „Bauer sucht Frau“ aus dem Ordner „Doku-Soaps“ hervor, in dem sich noch Entwürfe stapelten für „Tine Wittler – Einsatz in vier Wänden“, „Peter Zwegat – Raus aus den Schulden“, „Vera Int-Veen – Verzeih mir“ und nicht zuletzt „Helena Fürst – Anwältin der Armen“. Falls es so etwas wie einen inoffiziellen Titel „Casting-König von Deutschland“ gab, war ich im Rennen.

Meine Bewerbung hätte selbst den UFA-Münchhausen vor Neid erblassen lassen:

„Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

hiermit bewerbe ich mich für die Sendung „Bauer sucht Frau“. Ich stamme aus Bilshausen im Eichsfeld, aus einer alteingesessenen Familie. Ich pendle zwischen Hannover und dem Eichsfeld, wo ich zurzeit noch Nebenerwerbslandwirt bin. Ich bin dabei, meinen Lebensmittelpunkt als Vollerwerbsbauer ins Eichsfeld zu verlegen. Ich bin noch ledig, ein Zustand, den ich ändern möchte. Wenn ich zurück in die Heimat meiner Vorfahren kehre, möchte ich auch innerlich sesshaft werden. Das unstete Leben in der Stadt ist mir in letzter Zeit zuviel geworden, aber ein bisschen hänge ich noch dran, deshalb wähle ich auch diesen Weg über das Fernsehen. Meine zukünftige Frau muss keine Schönheit sein, sie muss sich auch nicht in der Landwirtschaft auskennen, aber es wäre schön, wenn sie den Willen zum Anpacken mitbringt. Sie sollte gerne kuscheln, sie muss kein Abitur haben und zu viel diskutieren sollte sie auch nicht, Charakter ist auf dem Lande wichtiger. Mit den Nachbarn auszukommen, ist wichtig. Mir haftet in meinem Dorf immer noch der Ruf des Stadtfracks an, weil mein Hof nicht die Hektargröße der anderen Großbauern hat. Das ändert sich durch Zupachtung und mit den Nachbarn kommt man besser aus, wenn man zu zweit ist.“

Fortsetzung folgt ….

31.01.2024 – Vom Fiasko über den Jodelkeller zur Grotte, dann in den Uterus, danach ins Flugzeug und rein ins Dilemma.

Schild Fiasko, Ex-Szenekneipe in Hannover. Ein paar Meter weiter droht das „Debakel“. Beide Namen sind kein Produkt der Polykrisen der letzten Jahre, sondern teils deutlich älter. Sie offenbaren eine schwer eschatologische Weltsicht, in der Armageddon ein Sehnsuchtsort der sie besuchenden Klientel zu sein scheint. Pragmatischer sind da Kreuzberger Szenekneipen vom Namen her aufgestellt, sie machen einen Teil ihres Geschäftsmodells zum Namen wie: Trinkteufel und Jodelkeller, nach dem Trinken wird gejodelt. Der Jodelkeller trägt eine weitere Komponente des psychologisch bedingten Erfolgs von „Kneipe“ in sich, als Ort von Zuflucht, Sehnsucht, Geborgenheit. Neben dem „Keller“ fällt mir da spontan die immer noch existierende Fiasko-Schwesterkneipe „Grotte“ ein. Weitere Kneipennamen, die dunkle Hohlräume im Namen tragen, sind z. B. „Bieberer Stollen“ oder „Zur Höhle“.

Gemeinsam ist allen Kneipen der ständige Zustrom nährender Feuchtigkeit, oft mit der Folge eines sich ausweitenden ozeanischen Glücksgefühls (mit nachfolgendem Kater), die Abgeschlossenheit vor der Welt da draußen, der Wunsch, alles möge so bleiben wie es ist, und eine vorwiegend männliche Klientel, die sich tendenziell eher regressiv verhält. Der Austritt aus diesem Ort ruft ein Art Trauma hervor. Wer hätte nicht schon draußen vor der Tür in den Rinnstein gekotzt?

Man muss kein Meisteranalytiker sein, um die Analogie von Kneipe und Uterus zu erkennen, und ich gehe nicht davon aus, dass ich der Entdecker dieser psychoanalytischen Komponente von „Kneipe“ bin, einer Analogie, die einen großen Teil ihres Erfolges ausmacht. Ich hab das sicher auch schon mal hier thematisiert, aber da der Blog mittlerweile seit über 15 Jahren existiert und sich nicht gerade durch strukturierte Datenbanken auszeichnet, ist ein Wiederfinden eher aussichtlos.

Fiasko und Debakel sind auch Synonyme für eine grottenschlechten Klimapolitik, mit der auf Teufel komm raus die Umwelt zuschanden geritten wird, auf dass nach dem Klima-Armageddon die, die überleben, nur noch in Höhlen und Kellern hausen.

Allerdings ist die herrschende Klimapolitik nicht nur im Interesse der Herrschenden, die sich von Umweltmäkeleien nicht ihr kurzfristiges Profitmodell zerstören lassen, sondern auch demokratischer Ausdruck des Willens der Mehrheit der Bevölkerung. Siehe Fliegen.

Der Mob (Autor eingeschlossen) will nach der Pandemiepause fliegen, koste es, was es wolle, weiter noch als alle Fliegen. Die Buchungszahlen explodieren, die Lufthansa hat sogar ihren A380 wieder ausgemottet. Der verbrät 80 % mehr CO2 als die ähnlich große A350. Ein paar A380 fliegen zwar mit Speiseöl, aber das regnet auch nicht vom Himmel, und kommt im Zweifel von Flächen, die sonst der Ernährung von Eingeborenen dienen. Außerdem werden zunehmend tierische Fette verwendet und da freut sich die vegane Genossin beim „Kuba si!“-Flug, wenn dabei ein Dutzend Schweine durch die Düsen gejagt werden. Fliegen bis 2050 klimaneutral? Kein Problem, dann müssen wir bis dahin nur Klimaneutralität anders definieren.

Wir haben es offensichtlich mit einem Dilemma zu tun: Mit den Mitteln der Demokratie ist die Klimafrage nicht zu lösen.

Demokratie verstanden als Herrschaftsform, in der die Mehrheit entscheidet, und die dazu dient, die unauflöslichen Klassengegensätze zwischen Kapital und Arbeit, Arm und Reich, im Sinne der Herrschenden zu moderieren. Was am Ende zunehmend zu ihrer allmählichen Abschaffung führt, Demokratie ist eine weltweit verschwindende Herrschaftsform. Sie bietet also nicht die unabdingbaren Voraussetzungen für ihren Erhalt. Noch ein Dilemma. Aber was für eins! Wir leben offensichtlich im Zeitalter des Dilemmas.

 Es gibt einige Bezeichnungen für die gegenwärtige Epoche: Postmoderne, Anthropozän, ihnen ist gemein, dass sie chronologisch eine Abfolge beschreiben. Dilemma-Zeit ist insofern treffender, weil es analytisch die Funktionsweise beinhaltet, unsere Epoche (dis-)funktioniert auf der Basis von Dilemmata.

Der Begriff wird sich nicht durchsetzen. Auf mich hört ja kein Schwein.

Was für ein Dilemma.

29.01.2024 – Wehret den Anfängern

Gestern im Garten. Rosenknospe. Zarte Hoffnung? Auf den Frühling vielleicht, gesellschaftlich eher nicht. Die AfD hat zwar die Landratswahl in Ostelbien gestern nicht gewonnen, aber natürlich hat ihr Kandidat, ein veritabler Höcke-Nazi, was jeder drüben weiß, recht, wenn er sagt: Der wahre Gewinner ist die AfD. Trotz eines breiten, breiter geht es gar nicht, Parteien- und Zivilgesellschaftsbündnisses hat die AfD bei der Wahl sowohl prozentual als auch an absoluten Stimmen dazugewonnen. Obwohl der CDU-Kandidat einen Spitzenamt-Bonus hatte als Generalsekretär der CDU Thüringen. Und die AfD konnte die Massen mobilisieren, die Wahlbeteiligung im 2. Wahlgang lag doppelt so hoch wie üblich.

Obendrein hat die Partei einen Mitgliederzuwachs wie noch nie . Und zwar seit dem 10.01.24, der publikumswirksamen Veröffentlichung ihrer Deportationsphantasien und den nachfolgenden Millionendemonstrationen.

Zur Sozialstruktur des Kreises: Er gehört zu den 10 Landkreisen in Deutschland (von 294, plus 103 kreisfreie Städte) mit den niedrigsten Gehältern. Etwa 40 Prozent der Beschäftigten sind im Mindestlohnsektor.

Die hanebüchene Naivität, die seit Jahren in der politischen und öffentlichen Diskussion den Kammerton angibt, was die AfD und die zunehmende Faschisierung angeht, kann nur die verwundern, die das Analysebesteck am Eingang zur Esoteriklounge abgegeben haben oder sich behaglich in den privaten Hirnwindungen gesellschaftlichen Desinteresses eingerichtet haben.

 Eine Ursache für das hilflose Erstaunen, was sich in den derzeitigen Demos widerspiegelt, ist das komplette Fehlen eines linken Diskurses in unserer Gesellschaft. Das hilflose Erstaunen spiegelt sich u. a. wider in den Parolen auf den Demos:  als ob „Nie wieder ist jetzt“ nicht schon seit Gründung der BRD 1949 und verschärft nach dem aufkommenden Nationalismus 1990 ff gegolten hätte.

Es gibt seit vielen Jahren keinen linken Diskurs im Mainstream, jenseits rotgrüner Neoliberalitäten. Ein Diskurs, in dem es nicht nur um Selbstverständlichkeiten wie einen höheren Mindestlohn geht, sondern um grundsätzliche und strukturelle Veränderungen. Beispiel öffentliche Infrastruktur von Gesundheit, Energie, Verkehr, Bildung, Boden und Wohnen. Das gehört in öffentliche Hände, keinesfalls in Privatbesitz. Die Konzerne in diesem Bereich gehören ebenso enteignet wie Großbanken. Das gleiche gilt für die monströsen Milliarden-Vermögen, da muss eine Vermögensabgabe auf die Substanz her, die diese auf ein akzeptables Niveau reguliert. Darüber, was akzeptabel ist, muss diskutiert werden.

Das sind Grundlagen z. B. für die Einführung einer armutsfesten Rente wie in Österreich, für existenzsichernde Arbeitslöhne und Grundsicherungen. Sowas würde einen Haupt-Treiber für Faschismustendenzen minimieren, nämlich Angst vor dem Absturz.

 All das ist noch lange kein Sozialismus, kann man aber mal drüber diskutieren. Eine Diskussion, die auch geführt werden müsste von Intellektuellen, Kulturschaffenden, in Feuilletons, in Verbänden und Gewerkschaften.

Stattdessen werden alberne, nebensächliche Selbstverständlichkeiten wie das Gendern von maximal Andersbegabten als linksgrünversiffte Kulturrevolution denunziert. Seit Jahrzehnten, um zu einer wesentlicheren Diskursverschiebung zu kommen, wird der Antifaschismus hierzulande diffamiert. Im Flaggschiff der hiesigen liberalreaktionären Eliten, der FAZ, wird der Antifaschismus kontinuierlich als das größere Übel im Vergleich zum Faschismus verkauft, wirksam bis in Verbände und Gewerkschaftskreise hinein. Was ich da schon an Bündnisdiskussionen erlebt habe, spottet jeder Kuhhaut und geht auf keine Beschreibung.

Ich bin gern nach wie vor auf Demos gegen Rechts dabei, lasse mich gerne eines Besseren belehren bei den Wahlen dieses Jahr, was den Zuwachs für die AfD angeht, und die Entstehung von vielen nachhaltigen lokalen Bündnissen gegen Faschismus. Aber Sie, liebe Leserinnen, werden verstehen, warum ich bei einer gewissen Skepsis bleibe.

Wehret den Anfängen? Sicher das. Aber auch: Wehret den Anfängern.

28.01.2024 – Allerdings schützt Antikapitalismus allein auch nicht vor Faschismus.

Demo Holocaust-Denkmal in Hannover, 27.01.24, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee . Es waren mehr Menschen als üblich an einem 27. Januar da, aber bei weitem nicht so viele wie bei anderen Demos gegen Rechts an diesem Tag, in Düsseldorf z. B. waren 100.000. In Hannover gestern deutlich weniger als ein Zehntel jener 35.000, die an der gleichen Stelle vor einer Woche demonstrierten. Bei den Reden wurden doch mitunter allerlei Allgemeinplätzchen gebacken, aber das ist ja nicht selten bei derartigen Veranstaltungen. Die Verdi Jugend immerhin wies auf den Zusammenhang von Kapitalismus, Antisemitismus und Rechtsruck hin.

Insofern passt die „Möblierung“ des Platzes: Über dem Holocaust-Denkmal erhebt sich oben im Bild im Hintergrund die Kuppel der historischen Filiale der Deutschen Bank in Hannover. So unterschiedlich die Ursachen für den globalen Rechtsruck weltweit sind, eins haben z. B. die nach Rechts marschierenden Italien, England, Frankreich, Deutschland, Japan, auch die USA, gemeinsam: Sie gehören der Gruppe der G7 an, den bei Gruppengründung bedeutendsten kapitalistischen Staaten der Erde an, die alleine fast 50 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Erde erwirtschaften. Prima facie scheinen also die nicht lösbaren inneren Widersprüche des Kapitalismus eine Ursache für den aktuellen globalen Rechtsruck zu sein.

Der Kapitalismus wird sich seinen Weg für sein zwischenzeitliches Überleben suchen. Die Demokratie als Staatsform braucht er dafür jedenfalls nicht notwendigerweise, siehe China, Russland, Saudi-Arabien (und demnächst Trumpistan?). Und nach uns dann die Sintflut.

Auch im Faschismus liefen die Geschäfte glänzend. Infolge der Besetzung Europas durch das nationalsozialistische Regime expandierte auch die Deutsche Bank. Nach dem Zweiten Weltkrieg erwogen die US-Amerikaner, die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank und der anderen Großbanken in Nürnberg als Kriegsverbrecher anzuklagen. Das Gegenteil geschah, die alten Nazi-Chefs der Bank wurden auch die neuen in der BRD.

Ob es allerdings reicht, stramm antikapitalistisch zu sein? Immerhin haben einige Vertreter des Kapitals angefangen, verbal Stellung gegen die AfD zu beziehen, was die Hoffnung nährt, dass der Kapitalist nichts mehr hasst als die Störung seiner globalen Geschäfte von Ausbeutung und Ressourcenzerstörung. Und eine massive Störung ist es z. B., wenn sich dringend benötigte Arbeitskräfte aus aller Welt weigern, in die national befreiten Zonen der Ostzone zu kommen, weil das für sie lebensgefährlich wäre.

Was bleibt: Wer von Antisemitismus und Rechtsruck redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Allerdings schützt Antikapitalismus allein auch nicht vor Faschismus. Die breite sozialrevolutionäre, antikapitalistische Strömung z. B. innerhalb der NSDAP wurde endgültig erst nach Hitlers Machtergreifung blutig zerschlagen im Rahmen des „Röhm-Putsch“ . Ernst Röhm, der Einzige in der NSDAP, der Hitler hätte gefährlich werden können, war radikal antikapitalistisch.

Dilemmata, wohin wir blicken.

25.01.2024 – Die Nation, die Portion und die Situation

Ich mache mich denkerisch und zeichnerisch jetzt an gewagte Allegorien heran. Hier ein Beispiel: Die Nation, die Portion und die Situation. Thomas Stethin, 17.01.2024.

Der Beruf des Postkartenmalers ist seit Adolf Hitler etwas in Verruf geraten . Thomas Stethin hat ihn aufs Glänzendste rehabilitiert. Den Postkartenmaler, nicht den Hitler. Ich besitze eine umfangreiche Sammlung des Stethinschen Oeuvre und hoffe auch aus egoistischen Motiven der Vermögensmehrung, dass er noch zu Lebzeiten den Durchbruch schafft. Aber vorrangig würde ich es ihm natürlich von Herzen gönnen. Er hat das hinter sich, was man ein bewegtes Leben nennt. Eine gute Grundlage zumindest für die Fähigkeit, etwas zu erzählen. Was letztlich eine Grundlage aller Kunst ist: Erzählungen.

Ein paar Details hier, leider hinter Bezahlschranke. Ich würde sein Werk als kritischen Dadaismus, bezeichnen, mit intellektuell-popkulturellen Einschlägen.

Was der Welt erspart geblieben wäre, wenn Hitler Erfolg, als Maler Anerkennung und Auskommen gehabt hätte und sich nicht genötigt gesehen hätte, Politiker zu werden, ist Spekulation. Der Faschismus hätte sich auch ohne ihn in Deutschland durchgesetzt, aber vielleicht mehr in der Mussolini Variante, nicht so mörderisch.

Müßig zu spekulieren. Es ist so, wie es ist. Die Situation ist wie besehen, die Nation auf dem Vormarsch und wir kriegen alle unsere Portion ab. Der Zeichner hat recht. Kauft massenweise Stethin, denn er zeichnet die Zukunft.

Morgen ist Holocaust-Gedenktag, genauer: Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Ob da auch Hunderttausende, wie bei den letzten Anti-AfD-Demos, an den Feierlichkeiten in der ganzen BRD teilnehmen? Kann man eigentlich Demokrat und Antisemit sein? Wie wohl die Landratswahl morgen im ostelbischen Saale-Orla-Kreis ausgeht? Der AfD Kandidat hatte im ersten Durchgang über 45 Prozent erzielt, der CDU-Kandidat 33 Prozent. 33 – 45, merken Sie was? Zur Wahl des CDUlers hat ein breites Bündnis aufgerufen aus u. a. Arbeiter-Wohlfahrt, Behindertenverband des Kreises, Pflegedienstleister, die Diakoniestiftung, Bürgermeister, Pfarrer, Mitglieder des Kreistages, Unternehmer, Ärzte …

Ich fürchte, der AfD Kandidat wird gewinnen. Viele Ostelbier haben vermutlich den Aufschrei der bürgerlichen Mitte gar nicht wahrgenommen, die lesen nun mal keine Tageszeitung und gucken auch keine Öffentlich-Rechtlichen. Und wenn sie was mitkriegen, denken sie vermutlich nicht selten: Diesen rotgrün-linksversifften Wessis werden wir es mal zeigen. Trotz ist auch bei Erwachsenen eine weitverbreitete Emotion. Gerade bei jenen, die „nicht zu Ende geboren wurden“ und damit anfällig für Faschismus, konditioniert zum Vernichten, zum Töten, siehe hier. Dressed to kill.

Was dabei rauskommt, beschrieb Ernst Jünger, Nazi-Autor, in der Nachkriegs-BRD hoch geehrt und gefeiert wie der Nazi Heidegger. Und bei solchen Kontinuitäten wundert sich das Bürgertum, wenn dabei Schlamassel rauskommt. Was ist schlimmer: Naivität oder Dämlichkeit?

Das vorletzte Wort soll Jünger haben, damit Sie, liebe Leserinnen, wissen, wo der Hammer hängt. Zitat zum Kriegsgeschehen, zur Feuertaufe von Blut, Tod, Vernichtung:

“Wenn das Blut durch Hirn und Adern wirbelte wie vor ersehnter Liebesnacht und noch viel heißer und toller. Die Feuertaufe! Da war die Luft so von überströmender Männlichkeit geladen, dass jeder Atemzug berauschte, dass man hätte weinen mögen, ohne zu wissen warum. O Männerherzen, die das empfinden können!“

Eros und Thanatos, so nah beieinander. Man möchte wirklich weinen. Nee, besser: Frau.

25.01.2024 – Demokratische Militanz

Eben noch trotzig-kompakter Eisblock, jetzt Wasser. Spurenlos verschwunden. Ein alter Imperativ fiel mir ein, aus Zeiten, als ich noch ein Ministrant, was nur am Rande was mit Minestrone zu tun hat, war, bei Totenmessen oder Beerdigungen: Memento, homo, quia pulvis es et in pulverem reverteris. Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.

Diese Vergänglichkeit scheint eine tiefe kollektive Kränkung zu sein. Wie sonst kommen nach wie vor Menschen auf den Trichter, ihre Gene qua Nachwuchs der Nachwelt einzugravieren oder sonst wie Spuren hinterlassen zu wollen. Dieses vermeintlich privat-neurotische Verhalten wird dann gefährlich, wenn es politisch wird. Es muss ja nicht gleich ein Tausendjähriges Reich sein, was Braunlinge schaffen wollen, die AfD-Deportationssehnsüchte eines „Alles raus, was Nicht-Assimiliert ist- Für ein porentief arisch-reines Deutschland der Zukunft“ reichen auch schon.

Um das zu verhindern, bedarf es mehr als ein paar Latschdemos. Aus denen muss dann eine Neue Soziale Bewegung  des Antifaschismus werden, die sich neben lokalen Verankerungen, Vernetzungen mit klassischen Akteuren wie Gewerkschaften und Basisinitiativen auch Gedanken machen muss über Leitfiguren, kulturell eigene Codes, Medien etc. pp. Sie muss nachhaltig, radikal und eingreifend sein, was z. B. auch ein taktisches Verhältnis zur Legalität ihrer Aktionen beinhaltet.

Zur Erinnerung: An der sogenannten Prominentenblockade in Mutlangen 1983 im Rahmen der Friedensbewegung nahmen unter anderem teil: Heinrich Böll, Günter Grass, Oskar Lafontaine, Petra Kelly, Dietmar Schönherr, Walter Jens etc. Legitim, aber illegal. Die Blockade wurde nicht geräumt

Zitat Roman Herzog, damals Innenminister BW: „Ich werde der Weltpresse doch nicht das Schauspiel bieten, den Nobelpreisträger Böll von deutschen Polizisten von der Straße tragen zu lassen.“  Später war Herzog Bundespräsident und nervte mit allerlei Ruckartigem Gedankenschrott , zumindest mich nervte der Mann gewaltig.

Er war Mitherausgeber des Maunz-Dürig, einem juristischen Standardwerk der BRD zum Grundgesetz. Maunz war Altnazi und Neonazi, in der Nachkriegszeit Autor der rechtsextremen Nationalzeitung, was dem Ruck-Schwafelhans mit Sicherheit bekannt war. Soviel zu Kontinuitäten, die sich oft wie nur halbsichtbare Wurzelgeflechte unter der Oberfläche in der Braunen Erde verzweigen und fortsetzen.

Die aktuellen Sitz- und Klebe-blockaden erfreuen sich im Gegensatz zu den damaligen keiner großen Beliebtheit und es bleibt abzuwarten ob sich Promis wie Günter Jauch oder Barbara Schöneberger (mir fallen spontan nur TV-Gruselgesichter ein) vor Veranstaltungsorten festketten, um AfD-Nazis nicht reinzulassen, wenn die auf Reichsparteitagen neue Beschlüsse für mehr Menschenfeindlichkeit im Ländle fassen wollen.

In die Richtung gilt es aber zu denken, mit Wattebausch-Werfen allein wird Faschismus nicht besiegt. Die demokratische Mitte muss sich tatsächlich Gedanken machen um so etwas wie demokratische Militanz. Den Begriff hab ich grad erfunden.

Den hinterlasse ich der Nachwelt. Besser als meine Gene.

22.01.2024 – Kunst-Eis

Eisblock auf Eisfläche – 1

Eisblock auf Eisfläche – 2

Ich habe in der Kältephase neulich 20 Liter Wasser zu einem Block gefroren und auf der Eisfläche meines Teichs deponiert. Je nach Temperatur sind beide in den letzten Tagen getaut und wieder gefroren, wobei die Unterfläche des Blocks Stück für Stück in die Oberfläche des Teichs einfriert. Ein Akt der Verschmelzung. Bei dem jetzigen Tauwetter mit Regen wird ihre gemeinsame Struktur von allen Seiten angegriffen und es ist absehbar, wann diese Installation verschwunden ist, sich ihre Moleküle ununterscheidbar mit denen des Teichwassers vermischen. Bei meiner morgendlichen Zen-Meditation im Garten inspiriert mich diese Installation zu einem freien Fluten über das Verschwinden und Verschmelzen, über den kosmischen Kreislauf des Vergehens und Entstehens. Im Verschwinden des Eises entsteht Neues, Wasser, der Ursprung von Leben. Der Kosmos ist in Dir, Du musst Dich ihm nur öffnen.

Wer es lieber handfest hat als meditativ: Die Meditation findet bei jedem Wetter im Paradies-Zustand statt, also nackt. Unter anderem aus diesem Grund besitze ich ein Immunsystem, das Atombombenfest ist. Corona ist für mich ein Fremdwort. Wobei zur vollen Wahrheit gehört, dass ich mich neulich zum nunmehr fünften Mal impfen ließ. In heutigen Zeiten kommt es mehr denn je darauf an, die Widerstandskräfte zu stärken.

Zurück zur Installation, zur Kunst. Den Prozess des Verschwindens dokumentiere ich täglich per Fotos, die ich in Abständen hier veröffentliche.

Durch den Akt des Veröffentlichens wird diese Installation zur Kunst, andernfalls wäre es privates Hobby, Handwerk, Meditation. Damit Kunst zu solcher wird, muss das Werk drei Phasen durchlaufen: Produktion, Distribution, Konsumtion, also das Werk muss hergestellt, produziert (im Atelier o. ä.), verteilt, veröffentlicht (Galerie, Internet, Eigenvertrieb ..) und rezipiert, genossen werden. Kunst ist Ware, wie alles im Kapitalismus. Aller Geniekult und esoterisches Connaisseur-Blabla um die Kunst ist nur Schein, Oberfläche. Selbst wer seine Kunst nicht verkaufen wollte, macht sie für Andere, sonst wäre es therapeutisches Volkshochschulhobby zur Dekoration der eigenen Trostlosigkeit.

Bis hier unterscheidet das Gesagte die Kunst nicht von einer Flasche Bier, einem Auto, einer App, Zeitung, was auch immer; alles ist Ware und sucht seinen Preis, materiell oder immateriell.

Was also macht die Kunst zur Kunst? Die Idee, das Konzept? Die handwerkliche Kompetenz? Ästhetischer Eigenwert und Design? Im vorliegenden Kunst-Eis Fall wäre die Idee, das Konzept sicherlich hinreichend, um es Kunst zu nennen. Hier im Link ist eine lange Liste von weltberühmten Konzeptkünstler*innen. Konzeptkunst ist die stilprägende Richtung der Postmoderne schlechthin.

Im letzten Grunde macht aber die Zuschreibung die Kunst zur Kunst, also wer schreibt dem jeweiligen Werk oder den Produzentinnen die Rolle, das Etikett „Kunst“ zu. Drei Möglichkeiten: Die Produzentinnen selber behaupten, ihr Werk sei Kunst. Die Konsument*innen, also der Markt, behaupten, ein Werk sei Kunst, ein Produzent Künstler. Oder die Medien behaupten das. Da wir im Zeitalter des Medienkapitalismus leben, scheint mir das das zentrale Kriterium zu sein. Das ist auch der einzige Grund, warum ich mich mitunter als Künstler bezeichne (normalerweise eher als Kulturproduzent): Weil die Medien mir das zuschreiben. Siehe hier:

Fahrgast-TV anlässlich eines lokalen Kunstevents. Ein erhabenes Gefühl, als wir nach dem Ende des Events mit den Öffis nach Hause fuhren und alle Fahrgäste wechselweise auf uns und die Bildschirme starrten.

Vom Erhabenen zum Lachen ist es nur ein Schritt, daher dies zu obigen Molekülen:

Das Bier, das ich demnächst zum Kühlen in den Teich tunke, nennt man in Berlin auf Grund der kühlen Moleküle kühle Molle.

21.01.2024 – Idylle ist oft nur ein schöner Schein.

Sommerausflug auf der Havel.

Nach den Anti-AfD Protesten am Wochenende bleiben für mich Fragen: Was bleibt, jenseits des Eventcharakters des „Demo 2024 – Ich war dabei!“, an Nachhaltigkeit übrig? Wie wirkt sich das auf die reale Mitte der Gesellschaft aus (bei aller Freude über die je 30.000 in Hannover und Frankfurt auf den Demos: das war überwiegend linksliberales Bürgertum, die reale Mitte beträgt mehr als das Zehnfache)? Wie wirkt sich das bei den Wahlen dieses Jahr aus?

Weg von der Ebene der Phänomenologie, hin zu Analyse, Kritik und Lösungsansätzen. Warum wählt der Mob so wie er wählt, also zunehmend flächendeckend AfD? Das hat ökonomische Ursachen, u. a. in der Mitte Furcht vor dem Absturz, bei Armen Angst vor der Zukunft, und soziale Ursachen wie Einsamkeit, Desorientierung, Verlust kollektiver Bindungskräfte und Identitäten. Darüber wird im Moment jede Menge wehrloses Papier vollgekleistert.

Das hat aber auch psychopolitische Ursachen, die über das notorische Klagen über Wut-Bürger, Angst, Aggression etc. hinaus gehen. Früher galt als klassisches Andockmuster für faschistische Ideologien der sogenannte autoritäre Charakter. Wo gilt das heute noch und wo greift dieser Erklärungsansatz nicht mehr? Zur Erinnerung: Die Protagonisten der Frankfurter Schule entwickelten dieses Konzept vor knapp 100 Jahren angesichts des Siegeszugs des Nationalsozialismus.

Die ökonomischen und sozialen Bedingungen der damaligen Zeit mussten auf entsprechende individuelle Charaktereigenschaften, Wesenszüge, Emotionen treffen, um den Faschisten gesellschaftliche Hegemonie und politische Macht zu ermöglichen.

Das Konzept basiert laut klassischer Geschichtsschreibung weitgehend auf den von Erich Fromm aus psychoanalytischer Sicht erläuterten Kennzeichen des autoritären Charakters und wurde in den Folgejahren von Adorno, Horkheimer und anderen weiterentwickelt.

Fromm allerdings hat das von Wilhelm Reich geklaut, der 1933 mit seiner Massenpsychologie des Faschismus die erste größere Auseinandersetzung mit dem Faschismus bzw. dem Nationalsozialismus aus psychoanalytisch-gesellschaftskritischer Sicht geliefert. Er sieht darin einen fundamentalen Zusammenhang zwischen autoritärer Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie. Die patriarchalische (Zwangs-)Familie als Keimzelle des Staates schaffe die Charaktere, die sich der repressiven Ordnung, trotz Not und Erniedrigung, unterwerfen.

Da Reich aber KPD-Mitglied war und später eher Hippiemäßig durchdrehte , hielt sich die klassische Geschichtsschreibung lieber an linke Spießer wie Adorno, oder an Fromm , von dem wenigstens noch der Name bekannt ist, während den schrägen Reich kaum noch jemand kennt.

Die autoritäre Persönlichkeit zeichnet sich u. a. aus durch:

Ängstliche Abwehr von Neuem und Fremden

Rigides und unflexibles Verhalten

Anpassungs- und Unterordnungsbereitschaft

Orientierung an Macht und Stärke

Feindseligkeit und unterdrückte Aggressivität

Konformität.

Diese Dispositionen lassen sich mittels Fragebogen ermitteln, immer noch ein probateres Mittel als die heutige Psychoklempnerei, die den Mob höchstens individuell Kapitalismustauglich therapieren will.

Wenn wir nicht begreifen, wie die Zwangsneurotiker da draußen (und wir selber auch!) ticken, wird das mit kollektiven Abwehr- und Interventionsmaßnahmen schwer.

Zur Auflösung der vermeintlichen Idylle oben im Bild, Erinnerung an einen zauberhaften Sommer-Ausflug: Das ist die Villa der Wannsee-Konferenz, in der am 20. Januar 1942 die Deportation der jüdischen Bevölkerung Europas in den Osten zur Vernichtung geplant wurde . Von da ist es ungefähr eine Viertelstunde idyllischer Schipperei bis zum Landhaus Adlon, wo sich unlängst Faschisten, Angehörige des Kapitals und konservativer Eliten trafen, um feuchten Deportationsphantasien nachzugehen.

Idylle ist oft nur ein schöner Schein.