15.10.2022 – Wahlnüsse


Dörfliche Agora auf Korfu.
Es gibt verschiedene Arten zu Wandern. Die Fortsetzung des Flanierens in die Natur, des Leistungssports in die Natur, der Zivilisationsflucht in den dichten Wald, etc. pp. Ich bevorzuge das muntere Schreiten auf Nebenstraßen, Wirtschaftswegen, zur Not auch mal Trampelpfade. Ich bin kein Zivilisationsflüchter, schätze die Funktion von Straßen als Verbindung von Dörfern und den wesentlich besseren Ausblick als ich ihn beim Stapfen durch den tiefen Tann hätte. Man sieht bekanntlich den Wald vor lauter Bäumen nicht, kennste zwei Bäume kennste alle.
Für diese Art der Fortbewegung brauche ich keine vordefinierten Wanderapps, da reicht Google maps in über 99 Prozent hervorragend. Je autoferner die Wege allerdings, desto unzuverlässiger und so geschah es neulich wieder, dass da, wo maps die kürzeste Verbindung anzeigte, undurchdringlicher Dschungel wuchs. Schlimmer noch, ein PS-Motordröhnen wurde immer lauter, ich sah mich schon von einem gigantischen Mähroboter zerhäckselt. Und um die Ecke bog obendrein eine riesige schwarze Bestie von Hund, so groß wie ein Kalb. Fast. Mein Ende war nahe.
Der Hund entpuppte sich als uralter lamnfrommer, anlehnungsbedürftiger Zeitgenosse und auf dem folgenden Trecker sass ein fröhlicher Eingeborener, der mir aus einem Riesensack Hände voller frischgeernteter köstlicher Walnüsse schenkte.
Die teilte ich oben in der Sonne auf dem nächsten Dorfplatz mit zwei Dorfältesten. Wir unterhielten uns blendend, ohne dass wir ein Wort voneinander verstanden hätten. Und so hatte ich Dank dieses verfluchten Google maps, Sie hätten mich mal hören sollen, als ich vor der Dschungelwand stand, einen überaus unterhaltsamen Tag. Am Strand später fielen mir die restlichen Walnüsse wieder in die Hände. Wahlnüsse, dachte ich. Wir hatten ja Zuhause Wahlen. Arbeit.
Ab ins Wasser.

12.10.2022 – Jetzt mal agamemnon


Schöne Aussicht.
Wahrscheinlich wird der Krieg in der Ukraine in den Winter gehen, dort quasi eingefroren, dann gibt’s eine Frühjahrsoffensive, in der Zwischenzeit bleibt in dem Land immer weniger Stein auf Stein. Möglich ist alles. Niemand weiß nichts.
Jetzt mal angenommen, oder agamemnon, wie der Grieche sagt, der Russe schmeißt eine Atombombe auf ukrainisches Territorium, wie medial schon breit spekuliert wurde. Putin ist ein unberechenbarer imperialistischer Kriegsverbrecher, möglich ist alles. Der Ami versenkt daraufhin die russische Schwarzmeerflotte, wie ebenfalls medial schon breit spekuliert wurde.
Daraufhin, den Regeln der Eskalation folgend, wird irgendeine relativ unbedeutende europäische Großstadt mit einer russischen Mittelstrecken-Atomrakete vernichtet. Nahe an einer Hauptstadt, am besten Berlin. Nehmen wir einfach mal an, es trifft Hannover. Geht es dann nach allen Regeln der Eskalation weiter?
Die Frage würde sich für mich dann nicht mehr stellen, weil ich dann verdampft bin. Die Frage, die sich jetzt für mich stellt, im Zwielicht des Nichtwissens, des Annehmens und Möglichseins, ist die: Für welche Werte ist jede Einzelne bereit, sich atomar verdampfen zu lassen?
Wir leben übrigens hier, in der EU, nicht wie oft und in letzter Zeit zunehmend behauptet wird, in einer Wertegemeinschaft.
Wir leben, wie der Blick in die Wirklichkeit zeigt, in einer Interessengemeinschaft.
Das nur mal so als Paralipomena.

11.10.2022 – Was soll’s.


Können Farben süchtig machen? Dieses Blau schon.
Ich sitze unter einem Olivenbaum, gefühlt halb tot von einer zu langen Wanderung. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie ein Tausendfüßler auf mich zuschüsselt. Das Gift der hiesigen Viecher ist natürlich nicht tödlich, aber mein Bein ist noch von einer Wespenstich-Allergie rot wie eine Ampel, auf noch einen Allergietest habe ich keinen Bock und verschaffe dem flinken Gesellen einen Freiflug in die Walachei. Genervt lasse ich mich auf den Rücken fallen und pumpe nach Luft. Was hat das Schicksal noch für Zumutungen für mich bereit?
„Are you ok? Do you need help?“ Ein Paar hat vom Balkon eines nahen Hauses die Szene beobachtet und fragt besorgt nach. Alles wird gut. „No, everything ok. Thank you.“ Ich versuche einen Scherz: „I’m not dead.“ Leise zu mir: „Not yet.“
Bei Lichte betrachtet sind derlei Zumutungen des Schicksals allerdings Luxusprobleme. Zuhause harren die Niedersachsen-Wahlergebnisse der AfD eines genaueren Blicks, wobei ich auf Grund einer internen Analyse früherer Ergebnisse allerdings jetzt schon ahne, was dabei rauskommt: die AfD wird ihre mit Abstand besten Ergebnisse in sozialen Brennpunkten erzielen. Niedrige Wahlbeteiligung, hoher Migrationsanteil, die höchsten Armutsquoten, Massenarbeitslosigkeit, abgehängt von öffentlicher Infrastruktur, abgesehen von Sozialstationen zur notdürftigen Elendslinderung, übrigens auch die niedrigsten Impfquoten, das ist der Stoff, aus dem Faschismus gemacht wird.
Halloween steht vor der Tür. Wir wissen aufs Kilogramm genau, wie groß die Kürbisernte heuer ist und der größte gemessene Kürbis ist zuverlässig Schlagzeilen wert. Wir wissen und messen sehr viel. Aber flächendeckende, nachhaltige Statistiken, die die oben geschilderten Wahlergebnisse und Impfquoten in Abhängigkeit von sozialökonomischen Parametern stellen, da müssen Sie lange nach suchen.
Was soll’s. Die Welt geht eh den Bach runter. Kann ich auch noch ne Runde wandern vorher.

08.10.2022 – Die drei Dämonengeister


Mediterranes Stilleben.
So weit ab von der Welt kann man garnicht sein, dass einen im Handy-Zeitalter Nachrichten nicht erreichen. Ohne Zeitungen und TV erhalten sie aber eine andere, nachrangige Bedeutung, jedenfalls für mich. Ich habe meine primäre mediale Sozialisation nicht übers Handy erfahren und ordne Priorität immer noch nach Schlagzeilen von Druckerzeugnissen und Tagesschauheadern ein. Und so rührt mich hier im Epizentrum des Hippiewesens im äussersten Nordwesten von Korfu das Treiben der Welt nur gedämpft, gefiltert an. Ein paar Häppchen Spiegel online. So auch bei Joe Bidens, für den mir die Rechtschreibkorrektur Bidet anbietet, Warnung vor einem atomaren Armageddon.
Armageddon stammt aus der Offenbarung Johannes und beschreibt die letzte Auseinandersetzung. Sieben Engel giessen sieben Schalen des Zorns über die Erde und drei Dämonengeister treiben die Könige der Welt in den Krieg gegen Gott.
Nach den aktualisierten Dämonengeistern brauche ich als einer der führenden Bibelexegeten nicht lange zu suchen: Kapitalismus, Nationalismus, Klimakatastrophe.
Wenn’s dieses Mal noch nicht final rummst, dann beim nächsten Mal. Ich mach mir aber hier im Moment mehr Gedanken darüber, ob ich bei der anstehenden Wanderung nochmal einen Schlenker über die obige einsame Klippen-Taverne mache, deren Besitzer mir zum Abschied eingelegte Kumquats geschenkt hatten. Was mich sehr gerührt hat.
Dann mach ich mir Frühstück. Und danach Gedanken über die Welt, Armageddon und Bidet.
Wenn nicht wieder ein Strand dazwischen kommt.

03.10.2022 – Wenn zwei große Köpfe aufeinandertreffen, kann es trotzdem schon mal hohl klingen.


Schild an der Bar Vereinszimmer, gegenüber Wasserfall Kreuzberg im Viktoriapark, an dem ich in Berlin täglich vorbeikomme. Das einem Metropolendesign völlig konträre Schwarzwaldambiente dort ist für mich im Vorbeiflanieren nach wie vor einen Moment des kontemplativen Nachfühlens und inneren Grinsens wert. Das Ganze passt so überhaupt nicht zusammen, dass es eine Freude ist. Außerdem ist es eine Labsal, in den Dauerbrüllendheissen Sommern die Füße ins kühle, sprudelnde Nass zu halten.
Heuer hat’s sich was mit Nass. Vor Monaten hat laut Medien eine Ratte in der Pumpstation ein Kabel durchgenagt und jenseits aller Wassersparmaßnahmen hat es die Stadtverwaltung bis heuer nicht geschafft, das Kabel zu flicken und Wasser in Marsch zu setzen.
Ob die Medien das richtig kolportiert haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumal die zurzeit vollauf mit Precht-Welzer Bashing beschäftigt sind. Die beiden Groß- und Querdenker haben eine Medienschelte unter dem Titel „Die Vierte Gewalt“ veröffentlicht, in der sie den Medien unterstellen, dort würde mainstreammässig immer in die gleiche Richtung geschrieben, eine stromlinienförmige Meinung und Ansicht verbreitet, weil Journalistinnen dem Mainstream verinnerlicht hätten und sich an Leitwölfen orientieren würden. Paradebeispiel Ukrainekrieg, wo Precht und Welzer eine dissidente Meinung veröffentlicht hatten, nicht dem bellizistischen Mainstream folgend. Dafür wurden sie ebenso niedergemacht wie natürlich für ihre Medienschelte, die gerne auch unter die Gürtellinie tritt.
Ich habe das Buch nicht gelesen und zwei, drei Medienkommentare reichen mir, kennste zwei, kennste alle. Natürlich haben die Beiden recht. Nur aus den falschen Gründen. Die von ihnen geschilderte Gleichförmigkeit der Meinungen und Ansichten, mit graduellen Unterschieden zwischen z. B. „FAZ“ und „Welt“ einerseits und „Zeit“ und „Spiegel“ andererseits, hat als Hauptursache sicher nicht, auch richtige, sozialpsychologische Gründe, wie Herdentrieb, Orientierung am Leitwolf etc. pp. Die Hauptursache, und an deren Erkenntnis scheitern unsere zwei Groß- und Querdenker notwendigerweise, weil sie in ihrer bürgerlichen Ideologie gefangen sind, liegt in der Meinungsfreiheit. Hä?
Wir haben Meinungsfreiheit. Jede Journalistin hat die Freiheit, die Meinung ihres Verlegers zu vertreten. Tut sie das nicht, ist sie über kurz oder lang ihren Job los. Und das in harten Zeiten. Ergo haben dieses Diktum seit Jahrzehnten Legionen von Schreiberlingen verinnerlicht respektive, und das ist viel schlimmer als schierer Opportinusmus, hat jahrzehntelange auch mediale Zurichtung ihrer Köpfe dazu geführt, dass sie die gleichen Interessen wie ihr Verleger vertreten. Obwohl sie im Zweifel aus der Klasse des Prekariats kommen oder demnächst dort landen werden. Während ihr Verleger zur Klasse des Kapitals gehört. Ist er souverän, lässt es seinen Domestiken auch schon mal Sachen durchgehen wie „Der Markt muss jetzt aber mal echt reguliert werden und gezügelt.“ Im Zweifel gilt aber natürlich die Generallinie. Wie z. B. „Eigentum ist unantastbar.“
Sie, liebe Leserinnen, werden daher in 95-99 Prozent aller Medien niemals nachhaltig lesen können, dass es eine unglaubliche Schweinerei ist, dass z. B. unser kostbarstes Gut, die Gesundheit, der Börsenspekulation und den Gesetzen des neoliberalen Marktes unterliegt, dass wir also Börsennotierte Krankenhauskonzerne besitzen, dass wir immer mehr Krankenhäuser dicht machen müssen, weil „es sich nicht rechnet“, dass die Beschäftigten dort aus Gewinnmaximierungsgründen sich kaputtschuften etc. pp., Und das ergo das Gesundheitswesen wie das Energiewesen, das Bildungswesen, das Verkehrswesen komplett in staatliche Verwaltung gehören.
Oder habe ich da was überlesen? Also das Verdienst unseres rebellischen Duos ist, das Richtige zu sagen, aus den falschen und unzureichenden Gründen.
Wenn zwei große Köpfe aufeinandertreffen, kann es trotzdem schon mal hohl klingen.

02.10.2022 – Wir sind im Krieg


Berliner Mauer am Brandenburger Tor. Foto von 1971 mit meiner Drohne.
100 DDR-Flüchtlinge wurden zwischen 1961 und 1989 beim Versuch zu fliehen hier erschossen oder verunglückten tödlich.
3.100 Menschen starben 2021 beim Versuch über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.
Am Vorabend des Tags der deutschen Einheit. Angesichts des aktuellen langen Marsches der Geschichte in das Ungewisse einer kalten Dämmerung lohnt sich ein kurzes Innehalten und Nachdenken über Mythen, die mit der deutschen Einheit und dem Fall des Eisernen Vorhangs verknüpft sind. Ein viel gepriesener Mythos ist der vom unblutigen Ende des Ostblocks beim Fall des Eisernen Vorhangs (sieht man mal von Rumänien ab).
Das kann im Ernst nur behaupten, wer ein historisches Ereignis losgelöst von seinen dadurch ausgelösten Konsequenzen betrachtet. Der Fall der Sowjetunion war weitgehend unblutig, hatte aber als direkte Konsequenz eine Kette von Kriegen der neu entstehenden Nationen und Ethnien des zerfallenen Reiches untereinander sowie von blutigen Militärinterventionen des zunehmend imperialistisch agierenden Russland, wie im Bürgerkrieg in Tadschikistan mit bis zu 150.000 Toten. Die Tatsache, dass das hierzulande kein Schwein interessierte, heißt ja nicht, dass es nicht Realität ist.
Als direkte Folge vom Zerfall des „Reich des Bösen“ löste sich Jugoslawien ab 1991 auf und die entstehenden Teilstaaten hatten nichts Besseres zu tun, als sofort im völkischen Wahn übereinander herzufallen, mit weit über 100.000 Toten in einer Kette von Kriegen. Unblutiges Ende?
Es gab Gewinner und Profiteure der Einheit, es gab Verliererinnen. Die Redlichkeit gebietet, die ungesungenen Verse dieses Epos ins bessere Licht jenes Theaters zu rücken, das wir Weltgeschichte nennen. Und jedes Theaterstück hat ein Ende. Welches Ende hat das derzeitige Schmierenstück, dessen Prolog 1989 aufgeführt wurde?
Helmut Kohl, bis auf die Knochen korrupt, aber nicht blöd, war damals vehement gegen den Untergang vom Reich des Bösen, nicht aus moralischen, sondern aus geopolitischen Gründen. Zitat:
„… Der Christdemokrat hielt damals einen Untergang der UdSSR für eine »Katastrophe« und erklärte, wer das anstrebe, sei ein »Esel«. Als Esten, Litauer und Letten aus der Sowjetunion drängten, befand Kohl entsprechend, sie seien auf dem »falschen Weg« und sollten sich lieber gedulden. Er dachte wohl an eine Dauer von zehn weiteren Jahren. Auch die Ukraine sollte am liebsten im Sowjetimperium bleiben, vorerst zumindest, um deren Bestand nicht zu gefährden. Als das nicht zu machen war, setzte Kohl auf eine Konföderation der Ukraine mit Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken …“
Vielleicht steht in den Schulbüchern der 2030er, wenn es dann noch welche gibt: „Die atomaren Kriege ab 2023 nahmen ihren Ausgang 1989.“
Da wir laut Lauterbach im Krieg mit Putin sind, ist der Soundtrack für Heute „Eve of destruction“: If the button is pushed, there is no runnin‘ away.
Übrigens gefällt mir das heutige Brandenburger Tor auch besser, mit Feiern ohne Ende, wo jeder ungestraft seinen Senf dazugeben kann

30.09.2022 – Mit Gott, Familie, Vaterland sicher in den Untergang


Tankstelle Kreuzberg, Mehringdamm, Dragonerareal, weiteres Gentrifizierungsprojekt bei mir umme Ecke. Ich sehe mich nächstes Jahr schon in Marzahn, wenn unsere Hütte verkloppt ist.
Gibt schlimmeres. Die Tankstelle dürfte fast 100 Jahre alt sein, jetzt ist ein LPG-Biomarkt drin. Die älteste Tankstelle Deutschlands stand in Hannover, hat nächstes Jahr tatsächlich 100 Jahre Geburtstag und war von offensichtlich surreal-atemberaubender Schönheit. Interessant die Argumente gegen die Installation der Tankstelle damals: „ … so gibt es doch gewisse Dinge, an die auch die bitterste Not nicht herankommen darf ….“.
Das erinnert strukturell an Diskussionen gegen die Einführung von TV, PC und Handy, aber auch gegen die Einführung von Auto-Sitzgurten, Nichtraucherkneipen und Gendersprache. Sowas hat immer hyperventilierendes an sich, der Untergang des Abendlandes steht jedes Mal vor der Tür in diesen Kulturkämpfen.
Pillepalle. Der Untergang der Welt, wie wir sie kennen, steht wegen ganz anderer Dinge wenn schon nicht vor der Tür, so doch hinter der übernächsten Ecke. Wobei wir leider nicht wissen, welche das ist. Eine jener Ecken ist aber sicher der in unterschiedlichen Varianten und Intensitäten grassierende Faschismus in Europa. Hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang dominiert die klerikalfaschistische Variante des „Für Gott, Familie, Vaterland“ der orthodoxen Kirche, der Talibanvariante des Christentums. In Italien ist das der Katholizismus. „Für Gott, Familie, Vaterland“ war schon das Credo von Mussolini, auch von Franco. Die mörderischste Faschismusvariante, der Nationalsozialismus, transzendierte den Aberglauben an Gott in „Für Führer, Volk und Vaterland“. Blöd waren sie ja nicht, die Nazis, Gott und Fammillje trauten sie zu Recht nicht über den Weg.
Die säkularen Varianten des Faschismus finden wir unter anderem in Schweden und Frankreich. Grundsätzlich schwellen die ideologischen Ausprägungen von Faschismus wie Rassismus, Antisemitismus, Chauvinismus, Frauenverachtung, Homophobie, Minderheitenhass überall in Europa an und werden zum Höhepunkt der Krise, wenn die Rezession voll durchschlägt, einen Sprengsatz für die Demokratie bilden.
Bei „uns“ sind die gesellschaftlichen Verhältnisse zivilisierter. Noch. „Wir“ können auch, anders der Rest, mal eben über Nacht mit einem Federstrich 200 Milliarden locker machen für soziale Wohltaten, um den Zorn der Volksgenossinnen zu bändigen und zu verhindern, dass der Mob im Winter Barrikaden baut, Mollis schmeißt, Jagd auf Schwule und Nichtweiße macht, Synagogen anzündet, etc. pp. Was eindeutig schlecht fürs Geschäft wäre. Das bisschen AfD, 10 Prozent demnächst in Niedersachsen, verkraften wir schon, oder?
Ich traue der bürgerlichen Mitte hier keinen Fußbreit doitschen Bodens über den Weg. Wenn es ans Eingemachte – das bisschen Wohlstand auf dem Konto – geht, ist die zu jeder Schandtat bereit. Der Mob ist bereits jetzt schon derart Gewaltaufgeladen, dass die Stadt Schwerin ihren Ordnungsdienst mit Schusswesten ausstattet. Und Teile der Eliten lauern doch nur drauf, ihre teilweise Bändigung nach der Niederlage des Faschismus wieder aufzuheben. Den ideologischen Zement für sowas rührt die Tuntenklamottenfraktion der hiesigen Kinderficker um Wölki et. al. an, die noch heute noch dem Volkssport der Hexenverbrennung frönen würde, wenn sie nicht durch die Aufklärung ein wenig in ihrem Tatendrang gezügelt worden wäre.
Mitte, Mob, Elite, was für ein Dreiklang.
Fazit: Keine Ahnung, wohin die Reise geht, eins aber ist klar wie Kloßbrühe:
Mit Gott, Familie, Vaterland
sicher in den Untergang

27.09.2022 – Atomkrieg und Faschismus


Makellos geschwungene Theke im legendären Kreuzberger Gretchen Club.

Makellos swingende Bläser dort.
Ich sollte über die wachsende Gefahr eines Atomkriegs schreiben, nach Putins verzweifelter Teilmobilisierung. Weiss einer der schlauen Kommentatoren hierzulande, wie der Mann wirklich tickt? Sicher nicht, also tickt die Uhr.
Ich sollte über wachsenden Faschismus in Europa schreiben, nicht nur in Schweden und Italien. Das Kleinbürgertum, heute würde man sagen „untere Mittelschicht“, das als Folge der Weltwirtschaftskrise Ende der Zwanziger verarmte, bildete das Schwungrad für den Erfolg der Nazis. Heute sind wieder weite Teile der Mitte vom sozialen Absturz als Folge multipler Krisen bedroht.
Über all das sollte ich im Schreiben meine Gedanken ordnen, als Prozess einer Präzisierung.
Ein ander Mal. Zeit für Düsternis bringt der trübe Gevatter Winter noch genug. Heute soll der Gretchen Club gepriesen werden als Ort wundervollen musikalischen Geschehens.

Und der goldene Hahn, SO 36 Mythos. Woselbst ich unlängst ein alkoholisches Feuchtgetränk verklappte. Alle rauchten, die Luft verhinderte selbst Nahsicht, alle waren sturzbetrunken, die Mehrzahl schien Drogen zu frönen, deren Namen ich vermutlich noch nicht mal kenne, und zwei Stammgäste, geschätzte 20 Jahre Knast, fixierten mich so hasserfüllt, als ob sie überlegten, mir auf der Toilette einen Bierseidel über den Schädel zu ziehen. Es war wie eine Zeitreise in frühe Jahre, als der Besuch übel beleumundeter Spelunken zum Alltag gehörte.
Ich fühlte mich mopsfidel.
Scheiß auf Atomkrieg und Faschismus. Für Heute.

24.09.2022 – Die Macht der Bilder


Aktion 22.09.22 vor dem niedersächsischen Landtag mit riesigem, leerem Einkaufswagen, in dem normalerweise Autohäuser ihre Karren präsentieren. Damit wurde die verzweifelte Situation vieler in ein Bild umgesetzt, die im Winter die Wahl haben werden: Hungern oder frieren. Im Gegensatz dazu standen daneben ein paar kleine Warenkörbe Hartz-IV 2.0.

In der ursprünglichen Warenkorbversion 1.0 waren wenigstens noch Spaghetti und Tomatensoße. Bei Preissteigerungen von 180 Prozent und 70 Prozent für Beide seit Anfang 2020 fällt selbst das flach.
Starke Bilder, fürwahr. Die Eingeladenen waren alle da, die Spitzen der demokratischen Fraktionen im Landtag und Sozialpolitiker*innen, Medien, LAK Mitglieder, von Armut Betroffene und alle kamen ins Gespräch miteinander, die Sonne schien, alles klappte, niemand wurde überfahren, was ein schlechtes Bild auf mich als Verantwortlichen geworfen hätte und über mein Angebot an die Jungs von der Verleihfirma, dass es mir 50 Euro extra wert wäre, wenn sie den Einkaufswagen in den Dienstwagen von MP Stephan Weil (Plenum im Landtag, alle waren da) rollen lassen würden, weil wir dann in die Tagesschau kämen, wurde herzlich gelacht.
Kaum meine ich mal was ernst, kommt es auch wieder nicht an. Die Presse berichtete umfangreich und brachte unsere Forderungen in die Öffentlichkeit. Man muss sich mich als zufriedenen Menschen vorstellen.
Bis auf eine winzige Kleinigkeit. Die Bilder waren offensichtlich so stark, dass sie unsere Inhalte regelrecht kannibalisierten. Sie liefen jenseits unserer Aussagen, Forderungen etc. für sich medial. In den NDR Abendinfos hieß es lapidar: Ein riesiger leerer Einkaufswagen als Protest vor dem Landtag. Und der Wagen mehrfach aus verschiedenen Perspektiven. Der Warenkorb ikonisierte sich quasi, tauchte als dpa-Version in diversen anderen Zusammenhängen und Artikeln auf, ohne Rückgriff auf den ursprünglichen Kontext.
Künstlerpech? Eher eine Praxislehrstunde über die Macht der Bilder. Wir leben in einer durch und durch visualisierten Welt, zumal im digitalen Zeitalter. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Papier ist geduldig und kommt im Zweifel in die Rundablage P. Papierkorb. Niemand liest mehr zusammenhängende Texte von mehr als einer Seite. Was übrigens im Normalfall das Maß dieser Blogeinträge ist.
Weswegen unsere heutige Vorlesung über die Macht der Bilder hier endet, mit der Empfehlung an alle, die irgendwas in eine wie auch immer geartete Öffentlichkeit transportieren wollen: Investieren Sie Ihr Hirnschmalz nicht in Texte, sondern dampfen Sie Ihre Message in ein Bild ein. Die nächste Vorlesung erfolgt mit Praxisbeispielen über: Der macht die Bilder. Männerphantasien Teil 1.

21.09.2022 – Abenddämmerung der Geschichte


Abenddämmerung am Meer mit einem Glas Tokajer, dem Wein der Könige, König der Weine. Wir wissen nicht, ob die Welt, wie wir sie kannten, gerade in der Abenddämmerung der Geschichte versinkt und welche Welt dafür dann am Horizont wieder aufscheint. Wenn man die Kommentare der letzten Zeit liest, spricht manches dafür. Und absehbar wird sich eine Flut endzeitlich gestimmter Ratgeber über den Markt ergiessen: „Kopf hoch beim Untergang.“ „Armageddon? – Ohne mich!“ „Wohin, wenn alles zusammenbricht- 10 Tipps für Aussteiger.“
So Zeug.
Sollte der Untergang aber so aussehen wie im Bild, wäre zumindest ästhetisch alles im Lot. Literatur-Tipp für heute: wir lesen die Geschichte von Frau Lot.