05.08.2025 – Dabei wäre Widerstand nötiger denn je.

Linker Antisemit auf der Karl-Marx-Allee in Ostberlin. Wer 2025 ein Palästinenser Tuch trägt, zeigt offen und bewusst: Ich bin Antisemit.

Ich will versuchen, im Blog in loser Folge auf den Zustand und die Perspektive von linkem Widerstand hierzulande einzugehen, der angesichts sich rapide radikalisierender rechter Tendenzen notwendiger denn je wäre.  

In Berlin gibt es vermutlich keine linke Demo ohne Spuren von Antisemitismus. Mitunter lappt das ins Groteske, wie im Fall einer „Internationalist Queer Pride“ Demo in Berlin, eine palästinasolidarischen Demonstration mit 10.000 TN, die eine antikapitalistische und antikoloniale Alternative zum offiziellen CSD sein wollte .

LGBTQ-Personen sehen sich in Palästina mit patriarchalen und heteronormativen Strukturen konfrontiert. Homosexualität wird gesellschaftlich weitgehend tabuisiert und oft als westlich oder kolonial konnotiert abgelehnt. Dies führt zu einem Klima der Angst, das sich in sozialer Ächtung, familiärem Druck, erzwungener Heirat, physischer Gewalt, Folter, Erpressung sowie gelegentlicher willkürlicher Inhaftierung niederschlägt. Ein coming out kommt in Gaza oft einem Todesurteil gleich . Das hätte auf so einer Demo thematisiert werden müssen. Stattdessen wurde Queer als Vorwand instrumentalisiert, um die Existenz des Staates Israel in Frage zu stellen. Das, was die 10.000 nützlichen antisemitischen Idioten, die da in Berlin randaliert haben, an den Tag gelegt haben, ist blanker Zynismus und ein weiterer Beleg dafür, dass Antisemitismus ein Wahn ist, der das Denken außer Kontrolle setzt. Das macht natürlich linken Widerstand schwer bis unmöglich. Da, wo Palästinensertücher getragen werden, ist für unabhängige Linke, die ihren Anstand nicht an der Garderobe abgegeben haben, kein Ort.

Dabei wäre Widerstand nötiger denn je. Beispiel Grundrecht auf Wohnung: In Berlin sind die Mieten seit 2022 um 42 Prozent gestiegen, so viel wie in keiner anderen Großstadt. 56.000 Menschen sind bereits jetzt wohnungslos, mit der Aussicht auf Verdoppelung in den nächsten Jahren. Besetzte Häuser, als legitime Form von Widerstand? 0. In Worten: Null. Da wo es früher Hunderte gab. Die verdienstvolle Übersicht „Berlin besetzt“ versandet nach 2009 im Ungefähren.

Das haben die ehernen Gesetze von Angebot und Nachfrage geregelt. Das zu besetzende Angebot, nämlich leerstehende Häuser im Bruchbudenzustand, gibt es nicht mehr. Berlin ist im Citybereich weitgehend durchgentrifiziert. Wozu die Hausbesetzerinnen beigetragen haben. Gerade in Vierteln wie Kreuzberg, Friedrichshain, Prenzlau, Mitte wurden früher viele der besetzten Häuser vom Senat legalisiert und trugen mit ihrem Charme dazu bei, die Jugend und die solventen Mieter und Käufer dieser Welt magisch anzuziehen.

Die Nachfrage nach Widerstand gibt es auch nicht mehr. Das Milieu dafür hat sich weitgehend aufgelöst. Nicht nur mangels Angebot, sondern auch auf Grund struktureller Marginalisierung linker Milieus. Wobei manches doch noch funktioniert. Die Fahndung nach Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg war ja bisher nicht sonderlich erfolgreich. Würde mich nicht wundern, wenn die irgendwo im Kreuzberger Sympathisantensumpf abhängen. Was mich doch mit einer gewissen klammheimlichen Schadenfreude erfüllen würde.

04.08.2025 – Über den Zustand vom Widerstand

Görlitzer Park, Kreuzberg, Baustelle Zaun. Natürlich ist dieser alberne Zaun um den „Görli“ nichts weiter als Symbolpolitik. Die Konservativen wollen ihrer Klientel signalisieren: Wir packen den Drogensumpf an und legen ihn trocken. Womit nicht die Brauereien gemeint sind. Einzige reale Baustelle im Görli sind zwei Löcher an den Eingängen, einen Zaun gab es da schon immer, an denen zwei Malocher das Fundament für die Tore zum Park legen, die dann Nachts abgeschlossen werden sollen. Womit das Drogenproblem dann gelöst wäre.

Widerstand gegen dieses lächerliche Projekt besteht im wochenendlichen Tekkno-Krachmachen durch ein paar bekiffte Polit-Besoffskis, die damit den armen Anwohnerinnen den letzten Nerv rauben. Irgendwas Witziges wie die dämlichen Baulöcher nachts wieder zuzuschütten oder die Bagger zu de-optimieren findet da nicht statt, ich hab jedenfalls bisher nix mitgekriegt. Der Zustand des hiesigen Widerstandes scheint erbärmlich, zumindest am Görli. Gibt es woanders Licht am Tunnel? Zum Beispiel beim Feminismus, der ja völlig zu Recht ein Abschied vom Phallozän fordert, eine radikale Abkehr von den immer schlimmer werdenden Zuständen in Testosteronistan?

Die deprimierende Antwort gibt die famose Gertraud Klemm, 54, Schriftstellerin, vorher Beamtin, verheiratet, zwei Söhne, und seit Jahren eine der profiliertesten Stimmen des österreichischen Feminismus. Sie steht ganz offensichtlich mit beiden Beinen auf dem Boden jener Realität, von denen die privilegierten Trans-und Flinta-Feministinnen im elfenbeinernen Turm von Unis und Gleichstellungstellungsbüros nicht den Hauch einer Ahnung haben. Klemm bringt einerseits das Patriarchat wunderbar auf die kritischen Punkte. Und übt andererseits eine radikale Kritik am aktuellen Feminismus, der sich nur in elitären Zirkeln bewegt, niemandem nutzt außer ein paar Flinta-Beauftragten und dadurch, dass er die Bedürfnisse und Interessen der überwältigenden Mehrheit real existierender Frauen ignoriert, ausschließlich der Gegenseite in die Karten spielt. Hier der Link zum Interview , leider hinter Bezahlschranke. Daher ein paar Zitate: „ …. Der realpolitische Feminismus liegt im Koma. Wir brauchen eine Frauenpolitik, die sich wieder die Gummistiefel anzieht und die feministische Drecksarbeit angeht.

SPIEGEL: Was heißt denn das konkret?

Klemm: Der Abtreibungsparagraf! Wir leben nicht in einem Gottesstaat, und trotzdem mischt die Kirche da mit. Dass wir Schwangerschaft überhaupt abbrechen dürfen, ist nach wie vor ein Gnadenakt. Und daran darf man bloß nicht rühren! Das hat man ja gerade bei der Debatte um die Verfassungsrichterin in Deutschland wieder gesehen. Da spielen auch die Rechten eine Rolle, besonders übrigens hier in Österreich. Ich finde es auch ungeheuerlich, eine Riesenschweinerei, dass Verhütungsmittel für die allermeisten Frauen immer noch keine Kassenleistungen sind. Oder dass Gewalt gegen Frauen selten geahndet wird. Nun gut, geredet wird darüber viel. Aber getan zu wenig. Dasselbe beim Gender-Pay-Gap. Wir müssen ran an die Verteilung der Ressourcen zwischen Männern und Frauen.

….. DerNetzfeminismus kommt mir vor wie eine Pseudoreligion. Ich weiß nicht, wer die Göttin ist, aber es gibt Prophetinnen wie die Gendertheoretikerin Judith Butler und ein Glaubensbekenntnis, dazu eine Menge Moralapostel, die auf Social Media überwachen, ob alle das Glaubensbekenntnis korrekt nachbeten.“

 Butler ist übrigens militante Antisemitin, die niederträchtigerweise den Überfall der faschistischen Hamas am 7. Oktober schon mal „Akt des Widerstandes“ nennt. Das passt wie Arsch auf Eimer und ich überlasse es meinen Leserinnen, zu entscheiden, wer Arsch und wer Eimer*in ist.

01.08.2025 – Atompilz über Berlin

Atompilz über Berlin. Wir waren gerade auf der für alle zugänglichen Dachterrasse des Hotel Ginn im neuen stylishen Möckernkiez angekommen für ein Feierabendgetränk.

„Das sieht dahinten aus wie ein Atompilz“, sagte ich.

„Tatsächlich, ein Atompilz.“

„Dabei hat Pistorius doch gesagt, der Russe greift erst 2029 an.“

„Donald Tusk hat gesagt 2027.“

„Dann also jetzt schon?“

„Die Überraschung ist die Mutter des Sieges.“

„Wer sagt das? Clausewitz, Moltke, Rommel?“

„Nein. Ich.“

„Hinterhältig ist er ja schon, der Russe.“

„Die Nato ist aber auch nicht ohne.“

„Im Prinzip alle in einen Sack und draufhauen. Es trifft immer einen Richtigen.“

Wir tranken unser Bier aus.

„Das dahinten müsste Potsdam sein.“

„Macht ja Sinn. Als Ansage erstmal mit einer kleinen Bombe eine mittlere Landeshauptstadt ….“

„Wieso haben wir denn keine Detonation gesehen oder gehört?“

„Da waren wir vermutlich gerade im Fahrstuhl, und der steckte ja fest.“

„Vielleicht so eine Art elektromagnetischer Impuls durch die Bombe und dann bleibt der Fahrstuhl stehen.“

„Wenn das eine Bombe von der Größe der Hiroshima Bombe war, dann ist das Barberini Museum hinüber.“

„Sanssouci auch.“

„In einem Radius von 2 km sind bei so einer Bombe fast alle Gebäude zerstört und 90 Prozent aller Menschen tot.“

„Bis nach Potsdam sind es über 30 km.“

Wir fuhren mit dem Fahrstuhl wieder nach unten. Dieses Mal blieben wir nicht stecken.

29.07.2025 – Teile des folgenden Blogeintrags wurden von einer KI erstellt

Etwas mehr als H … Gesehen bei der Berlin Biennale , im KW Institute for Contemporary Art, Auguststr.

Infos zum BH

Die Berlin Biennale zeigt alle zwei Jahre internationale zeitgenössische Kunst. Sie ist erfreulich bunt, sinnlich, multimedial, ohne mit allzu viel Videogedöns zu nerven, politisch, wenn auch manche Statements aus aller Frauen Länder eher unter der Rubrik „Korrekte politische Tendenz“ eingeordnet werden müssen denn unter „Gute künstlerische Qualität“. Aber mir hat’s gefallen. Prädikat: Empfehlenswert. Und manches fand ich als eingefleischter Vertreter von Kunst im Sinne öffentlicher Intervention regelrecht inspirierend, wie die Dokumentation der Aktion „Walking the cabbage“ des chinesischen Künstlers Han Bing.  

Walking the cabbage. Han Bing. Berlin Biennale. KW Auguststr.

„Walking the cabbage“ bezieht sich auf eine Kunstaktion, bei der eine Person einen Kohl (meist einen chinesischen Kohl) an einem Seil oder einer Schnur durch die Stadt zieht. Diese Performance, die 2000 von dem chinesischen Künstler Han Bing in Peking initiiert wurde, ist eine Form des öffentlichen Kunstprojekts und hat seitdem in verschiedenen Kontexten weltweit Aufmerksamkeit erregt. 

In der Performance wird der Kohl als Symbol für das Alltägliche, das Einfache und die ländliche Herkunft gesehen. Er steht im Kontrast zu den modernen, oft schnelllebigen städtischen Umgebungen, in denen die Aktion stattfindet. Das Ziehen des Kohls kann als eine Art „Performance des Alltags“ verstanden werden, die die Zuschauer dazu anregen soll, über Gewohnheiten, Normen und die Wahrnehmung von Realität nachzudenken. 

Die Aktion hat auch eine soziale und politische Dimension. In einem Kontext wie Kashmir, wo Konflikte und Militarismus allgegenwärtig sind, kann das Ziehen eines Kohls als eine Art stille Provokation und ein Kommentar zur Absurdität von Gewalt und Unterdrückung verstanden werden. Es kann auch als Versuch gesehen werden, durch die Verbindung von Humor und Alltagspraxis, eine positive und lachende Atmosphäre zu schaffen, wo sonst Konflikte vorherrschen. 

Han Bings „Walking the Cabbage“ wurde in verschiedenen Städten, darunter Peking, Los Angeles, New York und Tokio, aufgeführt. Die Aktion wurde oft als Kommentar zur Modernisierung und den damit verbundenen Veränderungen in der chinesischen Gesellschaft interpretiert. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das „Walking the Cabbage“ eine vielschichtige Performance ist, die sowohl ästhetische als auch soziale und politische Elemente vereint. Sie fordert die Zuschauer heraus, über alltägliche Praktiken, die Bedeutung von Symbolen und die Auswirkungen von Konflikten und Veränderungen in der Gesellschaft nachzudenken.

…..

Der letzten 5 Absätze unterhalb des letzten Bildes ab „Walking the cabbage“ bezieht sich auf eine Kunstaktion …..“ wurden von einer KI erstellt, in Sekundenbruchteilen, nachdem ich den Prompt „Erzähl mir was über die Kunstaktion Walking the cabbage“ eingegeben hatte. Bereits heute kann KI laut Aussagen eines befreundeten Notars über 90 Prozent aller juristischen Schriftsätze besser verfassen als jeder Anwalt. Wenn ich eine KI mit den Blogeinträgen des letzten halben Jahres füttere, wird sie beim Verfassen zukünftiger Einträge besser sein als ich. Ich könnte mich dann auf das Marketing konzentrieren, wie damit Geld zu verdienen ist. Wobei …. Gerade geht mir ein Prompt für die KI durch den Kopf: „Erstelle mir auf Basis der Kommunikationsdaten dieses Blogs eine Marketingstrategie, mit der ich pro Monat 2000 Euro generieren kann.“

Sollte mich nicht wundern, wenn wir in 10 bis 20 Jahren ein gigantisches Prekariat von unterbeschäftigten und vor allem billigst bezahlten Autorinnen, Juristinnen, Betriebswirtschaftlern, Programmierer*innen usw. usf. haben. Außer personenbezogenen Dienstleistungen wie Pflegefachkräften fällt mir wenig ein, was nicht durch KI ersetzbar wäre.

Ich aber gebe Ihnen, liebe Leserinnen, mein Ehrenwort, ich wiederhole: mein Ehrenwort, dass alle Texte hier zukünftig weiterhin von mir persönlich verfasst werden.

(Dieser Absatz wurde von einer KI generiert, die ich um einen Vorschlag bat, wie ich meine Leserinnen beruhigen und bei der Stange halten kann.)

26.07.2025 – Vernebelte Verhältnisse

Feine Kunstaktion im Skulpturengarten der Neuen Nationalgalerie: zu jeder vollen Stunde wird er langsam vernebelt, vermutlich Trockeneis. Ein sehr flüchtiges Kunstwerk, in immer neuer Gestalt, das zu allerlei Assoziationen einlädt.

In Thüringen haben zwei Kommunalpolitiker einen Brandbrief an ihre Parteispitze geschrieben. Fazit: Auf Grund des immer offener und radikaler werdenden Hasses im Bundesland fühlen sie sich praktisch ihres Lebens nicht mehr sicher. Das geht nicht nur ihnen und nicht nur im Höckeland so. Das dürfte jenseits der demokratischen Demarkationslinie, früher in einem sehr weisen, aber völlig anders gemeinten Vorgriff auf die Zukunft antifaschistischer Schutzwall genannt, mehr oder weniger allen aktiven fortschrittlichen Kräften so gehen. Zumindest abseits der Großstädte.

Auf Grund der kulturellen Hegemonie der Faschisten im Osten, quasi in Asien, erodiert jetzt in einem rapiden Prozess die demokratische Gesellschaft. Was der Bürgerpresse , weit ab vom Schuss, in Hamburg oder Berlin, und kenntnislos wie eh und je, höchstens ein paar Nebensätze wert ist.

Vernebelte Verhältnisse.

23.07.2025 – Die Neunziger

Peter Thieme. Oberschöneweide, 1993. Fotografie-Ausstellung „Berlin – Die Neunziger „. Haus am Kleist Park, Schöneberg

Interessant an der Ausstellung: Die Männer fotografieren fast ausschließlich leere Räume, unbelebt. Das erweckt einen falschen Eindruck, weil Berliner Räume praktisch nie unbelebt sind und vermittelt weniger von der Prozesshaftigkeit der letzten Jahrzehnte. Anders die Fotografien der einzigen Frau, Nelly Rau-Häring, die sich auf lebendige Menschen fokussieren. Da scheint Geschichte auf.

Nelly Rau-Häring. CDU Wahlplakate Anfand der Neunziger.

Wohlstand für alle. Nie wieder Sozialismus. Honecker auf das Schafott. Besser kann man die kommunizierenden Röhren zwischen Partei und Mob nicht auf den Begriff bringen. Die AfD braucht diese Saat von Dummheit und Niedertracht nur noch zu ernten. In der letzten Forsa Umfrage liegen AfD und CDU gleichauf. Nicht mehr lange.

In dem Zusammenhang mutet die Vernageltheit der hiesigen Medien in der Causa „Störaktion ARD Interview mit Alice Weidel durch das Zentrum für Politische Schönheit“ fast rührend an. Der immer größer werdende Rechte Rand der Medien bis weit in die Spießerwelt von Süddeutsche und Zeit hinein nutzt die Angelegenheit zu einer Attacke und Delegitimation der Öffentlich-Rechtlichen. Der Rest, bis auf wenige Ausnahmen, zetert darüber, dass die Aktion der AfD in die Hände gespielt hätte, Lärm keine Argumente ersetze und immer der Dialog auch mit dem Gegner gesucht werden müsse. Wie blöd kann man eigentlich noch unter meinem Niveau argumentieren?

Wie weit wir mit dem Dialog mit dem Gegner, den Argumenten , dem Austausch bisher gekommen sind, sieht man in der Realität. Die AfD schickt sich an, stärkste Partei zu werden. Und die AfD wird sich immer zum Opfer stilisieren, egal, was das Bürgertum macht. Warum also nicht die AfD gleich zum Opfer machen und mal was anderes probieren als die ewig gleichfalschen Strategien der Vergangenheit breitzutreten…

Und ausserdem und am wichtigsten, aber das werden diese Redaktionshohlköpfe niemals begreifen: Mit Faschisten redet man nicht. Die sperrt man ein und ihre Parteien verbietet man. So einfach ist das.

22.07.2025 – Kunst als Fieberthermometer im Arsch der Gesellschaft

Will Sitte. Liebespaar. 1967. Kunsthaus Minsk, Potsdam, Ausstellung Kunst aus der DDR.
Harald Metzkes. Der Trinker. 1955. Kunsthaus Minsk, Ausstellung Kunst aus der DDR.

Kunst ist immer auch ein Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen, nimmt sie auf, antizipiert sie, bringt sie gestalterisch auf einen Nenner. Und so war ich gespannt darauf, was die „Panke Open Studios 2025“ am letzten Wochenende bieten würden. Benannt nach dem Flüsschen Panke in Wedding, an dem Dutzende Ateliers mit jungen Künstler*innen aus aller Welt liegen. Berlin ist nach wie vor eine der Kulturmetropolen der Welt und wo, wenn nicht hier, wird der Stand der zeitgenössischen Kunst, das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft, und der Zustand der Gesellschaft, widergespiegelt.

Es ist schlimmer als befürchtet. Wenn Kunst auch das Fieberthermometer im Arsch der Gesellschaft ist, dann sieht es, so zumindest das Panke-Fazit, düster aus. In einem Akt von unglaublicher kollektiver Verdrängung der existenzbedrohenden Krisen der Welt präsentierte die junge zeitgenössische Avantgarde die größte Ansammlung kraftloser, unfähiger Bedeutungslosigkeit auf einem Haufen. Harmlose Kunsthandwerksdekorationsware, oft handwerklich auch noch schlecht, Flucht in beliebige Abstraktion, das Chaos der Welt, die Zurichtungen der Körper und Deformationen des Bewusstseins fanden hier nicht statt. Kriege, Klimakatastrophen, Armut, nichts davon zu sehen. Die Tatsache, dass der Berliner Senat gerade als Musterfolie für ganz Deutschland die Kultur kaputtspart, fand hier nicht statt.

Wie dumm, verzweifelt oder resigniert kann Kunst sein. Ich verliess regelrecht angepisst das Geschehen vorzeitig. So tief unter meinem Niveau lasse ich mich nicht langweilen und erfreute mich stattdessen im Kunsthaus Minsk in Potsdam an lebendiger, kraftvoller, kritischer DDR Kunst. Man muss bei DDR Kunst immer genau hinschauen, wo Kritik an Staat und Gesellschaft abgebildet ist. Offen durfte die selten geübt werden. Hinweis: Der Trinker ist auf dem linken Auge blind …

Es ist eine ganz bittere Ironie der Geschichte, dass sich ausgerechnet einer reichsten Kapitalisten, Hasso Plattner, Gründer von SAP, das Kaufhaus Minsk, ehemalige DDR Ikone, unter den Nagel gerissen und dort die größte Sammlung von DDR-Kunst angehäuft hat. Ausgerechnet Plattner, aus dessen Mund nur gequirlte Scheisse quillt, der bei SAP als einzigem DAX-Unternehmen bis zum Schluss die Gründung eines Betriebsrates mit allen Mitteln verhindert hat und der bei Einführung einer Vermögenssteuer mit Abwanderung droht. Mit Verlaub, Herr Plattner, Sie sind , und damit bleiben wir in der heutigen Bildwelt, ein Arschloch.

18.07.2025 – Der Wolf im Wolfspelz

(Quelle: AWO Hannover). Wahl der Stellvertreter*innen der*des Vorsitzenden des Präsidiums. Ist nicht so sexy, wie es sich liest. Gehört aber dazu, Demokratie ist nun mal an Formalitäten und Bürokratie gebunden. Immer weniger Menschen lassen sich auf das trockene Brot des oft ehrenamtlichen Engagements ein. Die Arbeit von Verbänden, Organisationen, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen etc. unterliegt einem dramatischen Wandel, wenn die jetzigen Babyboomer*innen, die noch das tragende Element dieses Engagements bilden, irgendwann wegsterben, sehe ich wenig, was da nachwächst. Die Menschen hängen oft lieber in Fitnessstudios ab, wenn es hochkommt, arbeiten sie kurze Zeit in punktuellen Bürgerinis mit („Kein Windrad vor meiner Tür!“) und verbringen ansonsten tendenziell eher Zeit damit, in sozialen Medien rumzuplärren.

Bei aller Kritik an zivilgesellschaftlichen Strukturen, und die habe ich reichlich und berechtigt: Wir haben nichts anderes und können uns auch nichts anderes schnitzen. Insofern genieße ich durchaus Auftritte wie den oben als Kunsthausierer, der mit seiner Kunst hausieren geht. Das ist was anderes als abstrakte Theorie und Kritik am Schreibtisch, das ist live, auffem Platz.  (In obigen Fall singe ich gerade Frank Sinatras „I did my way“). Und nur dort erfährt man im letzten Grunde, wie stark zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen den immer stärker werdenden Faschismus ausfallen kann.

Für eines muss man im Kulturkampf dieses Sommers dankbar sein: Sobald sich der Rauch der Kanonen etwas legt, werden die Frontverläufe sichtbarer. Immer mehr Bürgerliche schlagen sich rechts in die Büsche und sägen am Ast der Demokratie, auf dem sie gerade noch sitzen. Paradebeispiel: Der Wolf im Wolfspelz, Wolf Weimer, keinesfalls zu velwechsern mit „Weimar“. Eigentlich ein Wertkonservativer, wie er im Buche steht. Niemand würde ihn einen Radikalen nennen. Außer mir. Warum? Anlässlich des von seiner Partei zu verantwortenden Debakels um das Bundesverfassungsgericht schlug er eine Reform des Wahlverfahrens vor. Motto: Schuld ist nicht die eigene Partei, sondern die blöde Demokratie. Zitat: „„ …. Er sei zwar kein Verfassungsjurist, so Weimer, plädiere aber »für einfache Mehrheiten«. Der Bundestag beherberge mittlerweile zu viele Extremisten. »Und die sollten möglichst wenig Einfluss haben… .« Er sagt nicht, wie es korrekt wäre: „zu viele Faschisten“, sondern holt die uralte, peinliche Kulturkampfkeule des „Rechts-gleich-Links-Extremismus“ raus. Auf dieser grotesken Basis will er sich flink das Wahlrecht zurechtschnitzen. Nachtigall, ick hör Dir trapsen. Da kann sich jede vorstellen, was dann bei einer CDU/AfD-Mehrheit im Bundestag, die es umfragemäßig stabil mit wachsenden Werten schon lange gibt, abgeht. Mich erinnert dieser Wolf im Wolfspelz an einen Brandstifter, der in der Maske des Biedermanns mit der Brandfackel der Demokratie-Tankstelle heimleuchtet, wo gerade aus allen Tanks das Benzin ausläuft. Und nach dem absehbaren Desaster alle Linken für den Brand verantwortlich macht.

Es gibt linken Extremismus und es gibt rechten Extremismus, der Wolf ist ein Paradebeispiel für Extremismus der Mitte.

16.07.2025 – Ich will da rein

Bundeskanzleramt im Abendlicht. Um da reinzukommen, geht Spahn über jene Leichen, von denen er selbst jede Menge im Keller hat. Und die ihm jetzt kurzfristig das Genick brechen können. Wobei ich anatomisch Zweifel habe, ob man sich kurzfristig das Genick brechen kann. Ausrechnet jetzt kommt ans Licht, dass Spahn jahrelang zu wenig Beiträge an seine Partei abgeführt hat . Versehentlich, wie er sagt. Ausgerechnet dieser geldgierige Langzeitstudent (was das einzig Positive an Spahn ist), der sein Leben lang nichts anderes als Partei gemacht hat, hat übersehen, dass er tausende Euro zu wenig abgeführt hat. Fehlt nur noch, dass er dazu das große Barschel-Ehrenwort abgibt. Hahaha. Es gehört zu den Routinen jeder Partei, daran zu erinnern, satzungsgemäße Beiträge zu zahlen und die Höhen jeweils anzupassen. Spahn lügt, wenn er den Mund aufmacht. Aber Lügen haben kurze Beine und das könnte ihm zumindest kurzfristig den Marsch ins Kanzler erschweren. Denn mit der Veröffentlichung seiner Beitragsunterschlagungen gerade zu diesem Zeitpunkt, wo er eh unter Bewährung steht, ist eines klar: Die Büchsenspanner der eigenen Partei haben ihn im Visier und fangen an, zu feuern. Getreu der Steigerung: Gegner, Feind, Parteigenosse. Natürlich war das intern bekannt, dass er zu wenig abführt. Im Zeitalter digitaler Mitgliederverwaltung ist das kein Hexenwerk, da wurde einfach der Mantel der christlichen Nächstenliebe drübergelegt. Bis es mal passt.

So wie jetzt. Da schlagen sich die christlichen Teufelchen ins Gebüsch und feuern einen vergifteten Pfeil nach dem nächsten ab. Natürlich wurde das aus den Reihen der Christlichen an die Presse lanciert, abgesegnet von oben.

Ebenso „zufällig“ werden gerade jetzt in einem der Zentralorgane der Ewiggestrigen, Capital, skandalöse Anwaltskosten veröffentlicht, die Spahns Maskendesaster bereits jetzt die Steuerzahlerin gekostet haben. Das werden am Ende Hunderte Millionen sein. Die aktuellen Zahlen dazu können nach Lage der Dinge nur aus dem Gesundheitsministerium stammen. Wer es nicht weiß, darf dreimal – nicht öfter! – raten, in den Händen welcher Partei das liegt.

Spahn wird von der eigenen Partei sturmreif geschossen, ohne dass Merz beschädigt wird. Etwas für Feinschmecker. Man darf gespannt sein, was die nächste Spahn-Leiche ist, die da ans Licht gezerrt wird. Ich empfände es als einen Akt quasi überirdischer Gerechtigkeit, wenn die Nachricht vom Verzicht von Frauke Brosius-Gersdorf auf ihre Kandidatur am gleichen Tag über den Ticker fehlt, an dem Spahn zurücktritt. Die Titanic würde mit dem Titelbild und entsprechendem Foto an den Start gehen: Spahnferkel geschlachtet.

Aber die Genugtuung wäre nur kurzfristig. Einer wie er ist ein Untoter. Und die kehren immer wieder, sei es in der eigenen Gestalt oder in anderer, schlimmerer.

Was bleibt, ist der Zauber des Moments einer Sommernacht. Das Bild oben ist von der Terrasse der Schwangeren Auster aufgenommen, wo zurzeit Konzerte stattfinden. Was in der untergehenden Abendsonne mit Blick auf die Spree, und aufs Kanzleramt, und einem Glas Crémant in der Hand neben der platten Untergangssymbolik eine eigene Magie hat.

15.07.2025 – Einen wie ihn

Zur Causa Spahn hat schon jeder seinen Senf dazugegeben. Nur ich noch nicht und das sei hiermit nachgeholt. Dass dieser Senf an einen Haufen Kacke erinnert, ist beabsichtigt und stellt den künstlerischen Mehrwert dieser Installation „SPAHN 2.0“ dar, die Sie käuflich erwerben können. Preis auf Anfrage.

Spahn ist also völlig unfähig und daher zu allem fähig. Unfähig, prinzipienlos, korrumpiert bis auf die Knochen, opportunistisch, so bildet er die Speerspitze jener Fraktion des reaktionären Bürgertums, das sich nach getanem und gewonnenem Kulturkampf lieber Heute als Morgen mit der Faschistenbraut AfD ins gemachte Koalitionsbett legen möchte.  Abends pfeift sich der kommende Bundeskanzler fröhlich in seiner Mietwohnung in den Schlaf in Gedanken an die Braut mit dem Evergreen: „Ganz in braun, mit einem Blumenstrauß, so siehst Du in meinen feuchten Träumen aus“ . Einen wie ihn hätte man in den guten alten Zeiten geteert und gefedert, verkehrt rum auf eine Kuh gesetzt und aus dem Dorf gejagt. Heute wird er nach getanem Brutusmord an Fritze Tünkram der nächste Bundeskanzler einer CDU/AfD-Koalition. Sowas wie der tritt nicht zurück, an dem bleibt nichts haften. Im Vergleich zu dieser Canaille ist eine Teflonpfanne eine Leimrute.

Derartiges wird mittlerweile sogar in Bürgermedien von SZ über Zeit bis Spiegel so erwogen, immerhin die sogenannten „Sturmgeschütze der Demokratie“ . Was sich bei näherer Betrachtung auf „Haubitzen“ reduziert, sprichwörtlich voll wie jene ist meistens das Redaktionspersonal da und das ist noch das Beste, was von dem behauptet werden kann. Bei deren erbärmlichen Rumgeeiere um den heißen Brei namens Faschismus in Deutschland ahnt der kundige Weltenkenner schon jetzt, wo das im Zweifel endet. Wie in den USA: CBS, ABC, »Washington Post«: Immer mehr amerikanische Mainstream-Medien knicken vor dem US-Präsidenten ein

Bleibt die Frage, auf welche anderen Brandmauern gegen den Faschismus hierzulande könnte man sich im noch ernsteren aller Fälle verlassen? Die Zivilgesellschaft definitiv nicht. Außer einer Latschdemo und warme Kanzelworte zum Sonntag ist da weniger als Nichts zu erwarten, Gewerkschaften sind zahnlose Tiger auf Valium, Verbände, Organisationen, NGOs sind vollauf mit Prozessoptimierungen, Effizienzsteigerungen und Kohle vom nährenden Staat abgreifen beschäftigt, die Justiz wird sturmreif geschossen, wie wir gerade hier live erleben (ich warte auf den Ticker: Frauke Brosius-Gersdorf zieht Kandidatur zurück) und was in den USA schon durchexerziert wurde, das Einzige, worauf man sich bei Parteien verlassen kann, ist, dass man sich auf sie nicht verlassen kann. Bleiben im Zweifel die bewaffneten Organe des Staates, die Streitkräfte z. B., die Macht kommt im Zweifel aus den Läufen der Gewehre.

Bei dem Gedanken an eine Nelkenrevolution setzen dann allerdings sogar bei mir Verstand und Phantasie aus, und das will was heißen.

What’s left? Ich hau mir ne Wurst auf den Grill und vertilge den Senf von oben. Wär ja schade drum.